Als Erstes, sobald ich in mein Apartment zurückkehrte, schloss ich den Laptop am Kabel an. Vollkommen umsonst hatte ich diesen mit mir herumgeschleppt.
Bevor ich mich mit Isaacs Eltern traf, machte ich mich frisch. In verschwitzter Kleidung wollte ich mich nicht präsentieren.
Aus meinem Schrank zerrte ich eine dunkelrote Stoffhose und ein schlichtes Hemd. Zog mich um. Danach ließ ich mich auf dem Stuhl meines Schreibtisches nieder. Schielte ständig zur schwarzen Mappe. Eigentlich war diese für Jack bestimmt, aber er hatte sie im Chaos vergessen. Am Gummiband spielte ich, bis ich schließlich den Verschluss löste. Für paar Sekunden haderte ich mit mir, ehe ich die Pappe zurückschlug.
Eine Unmenge an offiziellen Dokumenten und Fotos, die aussahen, als hätte ein Privatdetektiv sie geschossen, sammelten sich darin. Alle zeigten Zacharias. Im... Palast?!
Durch die Dokumente blätterte ich. Geburtsurkunde, Zeugnisse und- ein DNA-Abgleich? Genau studierte ich dieses. Schlug automatisch die Hand vor den Mund. Aus der Vordertasche meines Rucksacks kramte ich den Tüllbeutel mit dem Ring. In meine Hand ließ ich diesen gleiten. Carlisle Harlee Laughlin prägte die Inschrift. Derselbe Name war auf jeglichem Dokument abgedruckt.
Bilder blitzten vor meinem inneren Auge auf. Zacharias mit zarten elf Jahren. Ich kniete neben ihm, streckte den Ring entgegen. Patzig hatte er diesen ausgeschlagen. Mich angeschrien, er bräuchte keinen Beschützer. Seitdem bewahrte ich den Ring bei mir auf.
Das bedeutete, Zacharias war Jonahs älterer Bruder. Zumindest laut der Geburtsurkunde. Im Jahr 1983 wurde er geboren. Fünfzehn Jahre älter als Jonah. Dann müsste er jetzt vierzig sein? Als ich ihn im Anwesen gesehen hatte, war er bestimmt nicht älter als Anfang zwanzig. Soweit ich mich erinnerte, war er mit knapp achtzehn Jahren von zu Hause abgehauen. Ab dem Zeitpunkt kannte ich ihn unter Zacharias, der zusammen mit Lucifer... Nein, rief es in mir, unter keinen Umständen. Konnte Lucifer ihm den Trank gemischt haben, der den Alterungsprozess aussetzte? Beide Gesichter rief ich mir vor Augen. War es- War es möglich, dass sie ein Paar waren?
Angewidert verdrängte ich die Mutmaßung, aber abschütteln konnte ich diese nicht. Schließlich hatte ich dieselbe Überlegung für Jonah gehabt.
Etwas in mir sagte, dass Isaac und Quinn dahinter gekommen waren. Hätte es irgendwelche Konsequenzen für beide gehabt? Dass sie Ärger bekommen hätten, wenn sie die Information gestreut hätten? Oder sollte es Jonah bloß erfahren?
Dann ereilte mich ein anderer Gedanke. Jonahs Schicksalsweissagung. Einer seiner Verwandten sollte ihn verraten, für das, was in ihm steckte. Damals hatte er seinen Vater in Betracht gezogen. Nun dachte ich an Zacharias. Es passte. Zusammen mit Lucifer führte er Krieg gegen die Weißen Magier.Nervös stellte ich den Motor ab, blickte zum Herrenhaus. Auf dem Weg hatte ich mir jegliche Entschuldigungssätze parat gelegt, aber nun war mein Hirn leergefegt. Vorm enttäuschten Blick hatte ich Angst. Dass er mich anschrie. Mich fertig machte.
Erschwert bekam ich Luft. Den ersten Knopf meines Hemds öffnete ich. Fuhr mir ständig durch die Haare, was sie in einen fürchterlichen Zustand brachten. Rund zwanzig Minuten schüttelte ich diese, um sie passabel aussehen zu lassen.
Vom Beifahrerplatz klaubte ich meine Umhängetasche und verließ das Auto. Langsam passierte ich den Vorgarten. Klingelte, als ich die Tür erreichte.
Von Innen ertönten Schritte. Ein grauhaariger Mann im Smoking öffnete die Tür, ließ mich unter einer Verbeugung eintreten. Dann geleitete er mich durch die geräumige Diele in den Salon. In Ledersesseln saßen drei Männer. Den einen erkannte ich als Isaacs Vater, der andere war Quinns Vater. Vorm dritten Mann schreckte ich zurück, Jonahs Vater. Ich schluckte. Die drei mächtigsten Männer des Landes. Finanzen, Gesundheitswesen und Regierung.
>> Setzen Sie sich, Raphael <<, sagte Isaacs Vater. Deutete eine ausladende Geste zum Ledersessel vor ihnen.
Ich nickte und ließ mich nieder. Aus Reflex kreuzte ich die Beine. Spielte mit dem Saum meines Hemdärmels. Zwar war es äußerst unhöflich, aber ich schaute sie kein einziges Mal an. Zu große Angst hegte ich vor ihrer Bestrafung.
Irgendwann zwang ich mich dazu. Wie das Einstellen meines nervösen Ticks.
>> Es tut mir Leid <<, entschuldigte ich mich. Der Reihe nach guckte ich jeden an, sah allerdings dabei keinem in die Augen. >> Mir ist ein schrecklicher Fehler unterlaufen, das weiß ich und- Es ist egal, wie oft ich mich entschuldige, aber es wird Ihren Verlust nicht wett machen, das ist mir bewusst. << Ich atmete tief ein und wieder aus. Hörbar für jeden. Selbst das stimmte mich nervös, da sie wussten, wie es innerlich in mir aussah. >> Ich fühle mich schuldig, falls Ihnen das- <<
Der Butler drückte die Tür auf und balancierte ein silbernes Tablett hinüber zum Tisch. Vier dampfende Tassen verteilten sich darauf, von denen ein Duft nach Earl Grey ausging. Mir war nicht nach warmen Getränken. So war mir schon übel genug.
>> Ich mache Ihnen keine Vorwürfe <<, sagte Isaacs Vater, sobald der Butler den Salon verließ. Nippte an seiner Tasse. >> Trotzdem bin ich zutiefst enttäuscht, da Sie sich nicht an das halten konnten, was Sie versprochen hatten. Ultimativer Schutz für meinen Sohn. <<
Seinem Blick versuchte ich, nicht auszuweichen. Ich war froh, als er die Augen von mir riss und sich auf seinen Keks fixierte, welcher bei jedem Biss furchtbar krümelte. Beinahe streckte ich die Hand aus.
Schnell schwappte das Gespräch in etwas Belangloses. Mich hätte jemand hinterher fragen können, worauf ich keine Antwort wusste. Ich lächelte und nickte, aber ich war nicht bei der Sache. Kaum hörte ich hin. Stattdessen befand ich mich in Gedanken. Daran, was Isaacs Vater gesagt hatte. Enttäuschung. Er war enttäuscht von mir. Dies war noch schlimmer als jegliche Bestrafung.
Im Flur fing mich Jonahs Vater ab. Lediglich die hohen Wangenknochen hatte er von ihm.
>> Wie geht es Haydn? <<, fragte er.
Von der Frage war ich so überrumpelt, dass ich paar Augenaufschläge benötigte, um zu reagieren. Allem Anschein missinterpretierte er meine Reaktion.
>> Ich hätte nicht fragen- <<
>> Den Umständen entsprechend <<, fiel ich ihm ins Wort. Seinen Ausdruck analysierte ich. >> Bereuen Sie Ihre Entscheidung, dass Sie ihn rausgeschmissen hatten? <<
Zwar sagte er nichts, aber seine Augen erzählten mehr. Dennoch ging ich nicht darauf ein. So viel Grauenhaftes hatte er Jonah angetan. Mir war es gleichgültig, dass er sich schuldig fühlte. Sollte er. Es geschah ihm Recht.Im Nebenraum Gracies und meines Behandlungszimmers zog ich mich um. Tauschte meine Kleidung gegen blaues Ober- und Unterteil sowie den weißen Kittel. Stifte steckte ich in die Brusttasche, das Stethoskop hing ich mir um den Nacken. Ein ungewohntes und zugleich angenehmes Gefühl, mich wieder in diesen Sachen zu sehen.
Gracie saß an ihrem Schreibtisch. Knabberte an derselben Reiswaffel, die sie angefangen hatte zu essen, als ich angekommen war.
Gegen den Schreibtisch lehnte ich mich, griff nach dem Tablet.
>> Alles okay? <<, fragte ich.
Ihr dunkler Zopf regte sich, guckte zu mir rüber. Gedankenverloren. Sie zuckte die Achseln.
>> Wir steuern auf einen Krieg zu <<, erwiderte Gracie, >> Es ist unausweichlich. << Tief schnaufte sie. >> Elo, ich habe Angst. Ich weiß, mir wird nichts passieren, aber ich will nicht, dass wieder zig unschuldige Menschen sterben. <<
Schließlich legte sie die Reiswaffel zur Seite, richtete sich auf und schloss leise die Tür hinter sich. Eine Weile schaute ich zu dieser, bis ich meinen Blick auf den Bildschirm richtete. Die Visiten sortierte ich, dass Jong Ho als Erster auf der Liste stand. Unbedingt wollte ich wissen, wie es ihm ging.
Mitsamt des Tablets stieg ich in den dritten Stock hoch, suchte sein Einzelzimmer. Sunny hatte ihm eins gegeben, um Fragen zu verhindern, warum sich ein Sterblicher in Gamma befand.
Sachte drückte ich die Klinke hinunter und trat ein.
>> Hyung <<, sagte Jong Ho. Sichtlich erfreut.
Den Besucherstuhl justierte ich so, dass ich ihm ins Gesicht sah, ohne mich zu verrenken. Nach seiner Hand griff ich, streichelte den Handrücken mit meinem Daumen.
>> Wie geht's Yeo Sang Hyung? <<
Mir lag auf der Zunge, ihn zu korrigieren, aber ich beließ es dabei.
Wahrheitsgemäß zuckte ich die Achseln.
>> Viel erzählt er nicht von sich, aber das kennst du- <<
Mit einem Nicken unterbrach er mich.
>> Leider <<
Eine Weile musterte ich ihn. Leichtes Rosa zierten seine Wangen. Ich musste daran denken, als er Quinn im Pub um den Hals gefallen war. Er sich für ihn die Tiefe gestürzt hatte. Schon in Seoul hatten beide immer aufeinandergehockt. Sogar jetzt, obwohl er im Krankenhaus lag, sorgte er sich mehr um Quinn. Warte... Hatte er einen Crush auf ihn? Verübeln konnte ich es ihm allemal nicht. Quinn war unbeschreiblich schön.
>> Wie geht's dir? <<, fragte ich stattdessen. Mit dem Thema wollte ich ihn nicht reizen.
>> Kopfschmerzen <<, erwiderte Jong Ho, >> Aber Sunny gibt mir Schmerzmittel, das macht Vieles erträglicher. <<
Ich nickte. Nahm mein Tablet zur Hand und notierte seine Antwort.
>> Ich bring dir nachher welches. <<
Damit verschwand ich.
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The Pirate's Prince
FanfictionDer 24-Jährige Park Seong Hwa lebt sein gewöhnliches Studentenleben, bis er auf einer abendlichen Lesung den bekannten Manhwa-Zeichner Kim Hong Joong kennenlernt. Sofort verspürt Seong Hwa eine magische Anziehungskraft zu ihm, als kennen sich beide...