Ep 30 - Seong Hwa

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Mehrere Wellen der Panik durchschwappten meinen Körper, dass ich noch nicht mal realisierte, als San mich anrempelte. Ich kehrte erst ins hier und jetzt zurück, als er eine Entschuldigung murmelte und mich halb knuddelte.
>> Was ist? <<, fragte Seth.
Paralysiert wandte ich mich ihm zu, hielt das Handy hoch.
>> Das ist Quinns <<, faselte ich, >> Wieso liegt das- <<
Sofort stürmte Jong Ho die Metallleiter hinunter, was mich aus meiner Starre riss. Besonders, als darauf ein dumpfer Aufprall zu hören war.
>> Jong Ho?! <<, rief ich und eilte ihm nach. So schnell, dass ich beinahe die letzte Strebe verfehlte.
Mit den Füßen stieß ich gegen seinen Oberschenkel. An Quinns Handy löste ich die Taschenlampe aus und leuchtete hinunter. Wie ein Seestern lag er auf dem Boden, alle viere von sich gestreckt.
>> Tut dir irgendwas weh? <<
Seinen Körper tastete ich ab, nachdem ich mich neben ihn gekniet hatte, aber er schüttelte den Kopf. Immerhin sah beziehungsweise erfühlte ich keine Wunde, die sofort versorgt werden musste.
Unter seinen Rücken schob ich meinen Arm, zog ihn in eine Umarmung und zerrte ihn, während ich selbst aufstand, zurück auf seine Füße. Obwohl ich äußere Wunden ausschließen konnte, wollte ich sichergehen, dass er sich nichts gebrochen hatte. Erwartungsvoll musterte ich ihn.
>> Mir geht's gut <<, erwiderte er, mit belegter Stimme. >> Vielleicht ein bisschen Kopfschmerzen. <<
Gehirnerschütterung, war mein erster Gedanke. Aus Vorsicht ergriff ich seine Hand, wogegen er sich nicht wehrte. Daraus schloss ich nur, dass er sich doch nicht so gut fühlte, wie er vorgab.
Im finsteren Kellergewölbe strahlte ich in jede Ecke, bis der Schein vier Füße enthüllte. Ein Stück bewegte ich das Handy nach oben, langsamer als ich wollte, denn ich befürchtete das Schrecklichste. Zusammengekauert lagen Alec und Quinn bewusstlos nebeneinander.
An der Hand schleifte ich Jong Ho mit und kniete mich neben Alec. Seinen Körper rollte ich auf den Rücken. Eine Gasmaske verhüllte sein Gesicht, die Handgelenke waren mit Kabelbinder aneinander gesurrt. Auch Quinn zerrte ich auf den Rücken. Beide boten einen fürchterlichen Anblick. Für paar Sekunden war ich gelähmt, starrte zu ihnen hinunter, ohne tatsächlich zu registrieren, was ich tun sollte. Dann maß ich ihren Puls. Sehr sehr schwach, aber er war da. Nur nicht in Panik verfallen, murmelte ich als Art Mantra, als ich am Verschluss der Masken hantierte. Rote, zerschundene Gesichter kamen darunter zum Vorschein. Zu Hundertprozent war ich mir sicher, dass sie irgendeinen giftigen Reizstoff verwendet hatten, was sie ausknocken sollte. Ungern wollte ich daran riechen, um zu wissen, worum es sich genau handelte.
Alecs Shirt schob ich hoch, bis sein gesamter Oberkörper entblößt war. Zwischen seiner Brust suchte eine bestimmte Position, beugte mich stückweit hinunter und murmelte eine Formel. Solange, bis er nach Atem schnappte. Dasselbe tat ich bei Quinn.
>> Elo <<, wimmerte dieser und kletterte über seinen Bruder, um mich zu umarmen. Sachte tätschelte ich seinen Rücken. >> Sie hatten hier auf uns gelauert. <<
Ein unbehagliches Gefühl setzte in meiner Brust ein, jegliches Härchen stellte sich auf. Etwas stimmte nicht, irgendwas empfing ich.
>> Sie? <<
>> Lucifers Leute <<, erwiderte Alec für Quinn, der angefangen hatte zu weinen.
Zwar nickte ich, aber ein Luftzug lenkte mich ab. Luftzug? In diesem stickigen Keller? Wo sollte hier Luft herkommen? Spätestens, als ich ein grellgelbes Aufblinken sah, wusste ich, wer uns gefolgt war.
Kurz verstärkte ich den Griff um Quinn als ein Zeichen, dass er mich loslassen sollte. Jeden Winkel inspizierte ich. Stets die Hand überm Schwertgriff.
>> Zeig dich <<, rief ich. Zu unerwartet für Min Gi, der daraufhin aufheulte.
Zwei glühende Augen leuchteten auf. Dieselben, welche ich im Hausflur gesehen hatte.
Nebelschwaden wirbelten auf, die sich langsam zu einem Mann formten. Er hatte ungefähr Yun Hos Größe.
Mein Schwert löste ich aus der Halterung, das daraufhin blaues Licht ausstrahlte. Allein dieses schien den Dämon nervös zu machen.
>> Wer hat dich geschickt? <<
Süffisant lächelte er.
>> Lucifer vermisst dich, Raphael <<, gackerte er, >> Er möchte wissen, was du- <<
Mit einem eleganten Schwertschwingen köpfte ich ihn. Für Min Gi war ich ganz froh, dass sich der Dämon gleich in Luft auflöste und der Kopf nicht vom Hals rutschte. Ein Häufchen Staub wirbelte auf dem Boden, welches kurz dunkelrot aufloderte.
Schweratmend trat ich einen Schritt zurück. War schon lange her, dass ich gegen solche Wesen gekämpft hatte. Eine Weile herrschte schneidende Ruhe, bis Min Gi aufheulte.
>> Ich will raus <<, jammerte er. Atmete heftig, als wäre er einer Panikattacke nahe. >> Ich will raus. <<
Wild leuchte ich durch den Raum, bis der Lichtkegel Min Gi einfing. Flüsternd redete Yun Ho auf ihn ein, drückte ihn dabei eng an sich. Seine Hand bettete er an Min Gis Hinterkopf.
>> Wir sollten schnell verschwinden <<, sagte ich, >> Wer weiß, wann der Dämon Verstärkung holt. <<
San trat vor Yun Ho und Min Gi ins Licht, starrte mich an, als wäre ich bescheuert.
>> Verstärkung? <<, wiederholte er. Unglaube lag in seiner Stimme. >> Wie soll der Verstärkung holen? Du hast ihn- <<
>> Ist jetzt egal <<, schritt Seth ein, rauschte an mir vorbei und kniete sich zu Alec und Quinn auf den Boden. >> Elo hat Recht, wir sollten schnell weit weg. Dämonen können Spuren von Engeln verfolgen. <<
Als Erstes kletterte Seth die Metallleiter hoch in Richtung Freiheit. Von unten half ich den anderen und bildete die Nachhut. San und Seth streckten mir die Hand entgegen, so dass ich mich hinaushieven konnte.
Von der Seite musterte ich Ersteren. Verblüffend, wie schnell sich San an sein neues Schicksal anpasste. Im Gegensatz zum Rest. Irgendwie hatte ich das Gefühl, es gefiel ihm. Hoffentlich stellte er sich dieses Leben nicht so glorreich vor, wie es sich im Manhwa las. In mir tat sich ein mieses Gefühl auf. So mies, dass mir flau wurde. Seine neue Rolle nahm er ernst. Zu ernst.
Zwar war es dunkel, aber nicht so dunkel, dass man keine Umrisse mehr erkannte. Leicht konnte ich sie zur nächsten Bushaltestelle navigieren. Nahm dabei Jong Ho und Quinn an der Hand. Um beide machte ich mir Sorgen. Jong Ho wirkte als wäre ihm übel, Quinns Gesicht war entstellt und benötigte dringend eine rückfettende Creme. Nicht anders stand es um Alec.
Spärlich war die Bushaltestelle beleuchtet und besaß lediglich vier Sitze. Freiwillig meldeten Seth und ich uns zum Stehen. Quinn ließ sich auf Alecs Schoß nieder. Dasselbe taten Woo Young bei San und Yun Ho bei Min Gi, welcher sich sichtlich erholt hatte, seit dem er wieder an frischer Luft war. Jong Ho war der Einzige, der sich über einen Einzelplatz freuen durfte. Dicht stellte ich mich neben ihn und zerrte seinen Oberkörper an mich. Dass er dies zuließ, beunruhigte mich. Ihm schien es nicht gut zu gehen.
Unterdessen versuchte Seth, den Fahrplan zu verstehen. Mehrmals kratzte er sich am Kopf, legte diesen schief. Schließlich kehrte er zurück.
>> Die positive oder negative Nachricht zu erst? <<
Für solche Spielchen hatte ich keinen Nerv. Offensichtlich verstand er, denn sein Lächeln schwand.
>> Zwar fahren Busse, aber nur alle drei Stunden << Ein wenig druckste herum. >> Wir haben ihn verpasst und müssen bis um ein Uhr morgens warten. <<
So schnell hatte er gesprochen, dass ich kaum ein Wort erwischt hatte. Genauso ging es Alec, der ihn zum Wiederholen zwang.
>> Welch eine Ironie <<, sagte dieser, >> Mit Bussen haben wir es nicht so. <<
Wohl wahr. Ich musste daran denken, als wir auf Quinns Rettungsmission gewesen waren und ich mir den Hintern abgefroren hatte. Mich Seth netterweise gewärmt hatte und Jonah unheimlich eifersüchtig geworden war. So einen Blick hatte ich noch nie an ihm gesehen. Locker hätte er Seth umgebracht, wenn Alec ihnen keine Vernunft eingeredet hätte.
Kopfschüttelnd verdrängte ich die Szene. Immerhin fror ich jetzt nicht. Allerdings machte ich mir Sorgen um Jong Ho. Dringend musste ich ihn ins Krankenhaus bringen, sonst könnte es gefährlich enden.
Aus unerklärlichen Gründen zerrte ich den Rucksack vor meinen Bauch. Wühlte durch die vordere Tasche und stieß auf- einen Geldbeutel. Mehrmals wandte ich diesen in der Hand, bis ich ihn aufschnappen ließ. Führerschein, Ausweis und andere Karten erkannte ich auf den ersten Blick. Erneut kramte ich in der Tasche, vielleicht fand ich noch weitere Schätze. Zum Vorschein kamen ein Autoschlüssel, eine Mitarbeiter-ID vom Krankenhaus und ein Ring. Eingepackt in einem mitternachtsblauen Tüllbeutel. Von außen sah er so aus wie die anderen, welche ich an meine Schützlingee verteilte. Warum war er hier-
Einen heftigen Stromschlag verpasste mir mein Armreif. Am Spieß schrie ich und ließ vom Rucksack. Mein Laptop hatte Glück, dass mir der rechte Riemen nach wie vor um die Schulter baumelte.
Aus großen Augen guckten mich alle verwirrt an. Zwei, drei Schritte näherte sich Seth. Allerdings beachtete ich ihn kaum. Dafür war der Armreif viel interessanter. Orange pulsierte dieser und ein Schriftzug blinkte ständig auf. Werde verfolgt. Jonah, dachte ich.
Auf dem Boden platzierte ich meinen Rucksack. Sah vom Armreif hoch.
>> Ich muss- <<, begann ich zögerlich. >> Ich bin gleich wieder da. <<
Dann drehte ich den Armreif.

The Pirate's PrinceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt