KAPITEL 11

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HUNTER

Fürchterliche Kopfschmerzen wecken mich. Ein lautes Dröhnen in meinen Ohren, das wie Glasscherben in meinen Gehörgängen kratzt. Das Gefühl ist mir nicht fremd. Deshalb kann ich auch keine Musik mehr machen. Geschriebene Noten verkrampfen meine Hände und schmerzen beim Spielen in meinen Ohren. Mein Leben ist geleert. Alles ist hohl, einsam und schmerzhaft.

Ich drehe mich auf die Seite und öffne die Augen. Dunkelheit empfängt mich und ich richte mich auf. Ein fremder Geruch, der trotzdem über die Maßen Vertrautheit erweckt, breitet sich in meinen Sinnen aus.

Ich höre leises Keuchen und runzle die Stirn. Meine Finger tasten über das Bett. Ein riesiges Bett, weiche Laken und eine flauschige Wolldecke über meinen Beinen. Irgendwie finde ich einen Nachttisch und eine Lampe. Flackernd erwacht das warme Licht zum Leben. Ich bin in Xylas Gästezimmer. Ich kenne das Zimmer, weil ich schon hier gewesen bin.

Für ihr zweites Album wurden Fotos auf dem Bett gemacht, in dem ich gerade liege. Ich habe ihr einen Song vorgespielt, während der eklige Fotograf anzügliche Posen von ihr verlangt hat. Meine Augen erfassen die geschlossenen Jalousien. Sanftes Licht dringt durch die Lamellen und ich steige aus dem Bett. Wieder ein Keuchen, dann ein Wimmern.

Meine Augen brennen, als ich darüber reibe. Ein fahler Geschmack hat sich in meinem Mund eingenistet. Trotzdem gehe ich aus dem Zimmer und steige die Treppe runter. Xylas Strandhaus ist von Tageslicht durchflutet. Ich weiß nicht, wie spät es ist oder wie ich in ihrem Gästezimmer gelandet bin, aber ich verdurste. Zielstrebig gehe ich in ihre Küche und bleibe angewurzelt in der Tür stehen.

Ein nackter Männerarsch begrüßt mich. Wundervoll. Slater ist wieder da.

Xyla ist vor ihm über die Lehne des Barhockers gebeugt. Seine Hand drückt ihren Kopf gegen das Leder und krallt sich in ihre blonden Haare. Ich hebe die Brauen und wende den Blick ab.

»Morgen«, brumme ich. Slater zuckt zusammen und Xyla reißt den Kopf hoch. Panisch quietscht sie und schubst Slater von sich. Der Leadsänger verstaut seinen Schwanz in seiner Hose und fixiert mich wütend. »Ich wollte mir nur Wasser holen, dann bin ich weg. Weitermachen«, murre ich und bin auf dem Weg aus der Küche.

»Hunter«, ruft Xyla mir nach. Ihr Kopf erscheint in der Küchentür. Auf ihren Wangen liegt eine sanfte Rötung. Ich weiß nicht, ob es die Peinlichkeit ist oder die Tatsache, dass sie gerade Sex hatten, aber es interessiert mich auch nicht. »Möchtest du Frühstück?« Kopfschüttelnd schlüpfe ich in meine Schuhe.

»Kein Bedarf, danke.«

»Hunter«, sagt sie wieder und lehnt sich gegen den Türrahmen.

»Fuck, kannst du aufhören meinen Namen ständig auf diese Art zu sagen?« Die Baseballkappe findet Platz auf meinem Kopf.

»Auf welche Art?«

»Mitleidig, Xyla. Hör auf damit.« Sie verzieht die Stirn und verschränkt die Arme vor der Brust. »Lass mal von dir hören«, sage ich noch, dann trete ich aus der Haustür. Ich höre noch, wie sie meinen Namen ruft, aber drehe mich nicht mehr um.

Der Totalzusammenbruch der letzten Nacht hat mich erschöpft. Gleichermaßen hat er gutgetan. Ich konnte endlich alles herauslassen. Bei einem Menschen, dem ich vertraue und der mir meine Schwäche nicht vorwerfen wird. Doch jetzt ist ein Mensch bei ihr, dem ich keinesfalls meine Schwachstellen offenbaren werde. Slater ist ein Feind, obwohl ich das Gefühl, ihn betreffend, in meiner Brust nicht erklären kann.

Ich betrete mein Elternhaus und werde von dem Lachen meiner Schwester empfangen. Hana telefoniert im Wohnzimmer und winkt mir zu. Kurz fliegen ihre Augen über meinen Körper, woraufhin sie die Stirn runzelt und mit Zeigefinger einen Kreis um meine Erscheinung beschreibt. Ich reagiere nicht, sondern drehe ab und gehe durch den Flur in mein Schlafzimmer. Dad hat es mir herrichten lassen, nachdem ich endlich das Krankenhaus verlassen habe. Weil ich die wirre Hoffnung hatte, die Ärzte würden das Herz meiner Frau wieder zum Schlagen bringen, obwohl es neben ihr verkohlt auf dem Autopsietisch gelegen hat. Und irgendwann habe ich die Hoffnung aufgegeben. Mein Zuhause wurde zerstört. In jeglicher Hinsicht.

ERASE YOU | 18 +Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt