KAPITEL 38

203 20 11
                                    

XYLA

Im Haus wird es mit jeder Stunde lauter. Ich höre Hugh, der gähnend die Treppe hoch tapst und mit Hana schimpft, bis sie die Musik leiser stellt. Hudson tippt mittlerweile auf seinem Handy herum und Harrison spaziert hin und wieder in die Küche. Ich bemerke die mitleidigen Blicke, genauso wie den Schmerz in meiner Brust.

Hunter ist völlig fremd für mich gewesen. Seine Worte, seine Stimme, die Brutalität seiner Hände. Ich klammere mich an die Worte von Hudson, dass ich es nicht persönlich nehmen soll, weil er im Killermodus ist. Trotzdem tut es weh. Trotzdem brennen die Tränen in meinen Lidern und ich senke meinen Blick auf die Teetasse, damit Hudson mich nicht weinen sieht.

Irgendwann betritt Hana mit einem Mann die Küche, der eine Bikerjacke trägt. In der Hand hält er einen schwarzen Helm und auf seinen Lippen liegt ein seliges Lächeln. Hana drückt ihm einen Kaffeebecher und einen Apfel in die Hand und schiebt ihn wieder aus der Tür. Hudson brummelt missmutig.

Immer wieder durchzucken mich die Erinnerungen an seinen Griff und ich kann mir endlich vorstellen, dass mein Hunter wirklich einen Menschen umbringen kann.

Als hungrige Übelkeit sich in meinem Magen meldet, stellt Hudson einen Teller mit gebratenem Gemüse, Nudeln und Shrimps vor meine Nase. Überrascht hebe ich den Kopf, woraufhin er lediglich lächelnd die Schultern zuckt.

Er lässt sich wieder auf seinen Platz fallen und schaufelt das Essen in sich hinein. Schluckend beobachte ich ihn für einige Sekunden. »Ist nicht vergiftet, Slippy. So fies bin ich nicht«, witzelt er und deutet auf die Gabel. Nickend greife ich nach dem Besteck und wir essen schweigend. Hudson ist ein unfassbar schneller Esser und holt sich bereits die dritte Portion von der Kochinsel, als ich meinen Teller leergegessen habe. »Schieß los, Xyla.«

»Wie bitte?«, frage ich zittrig und schiebe den Teller von mir. Hudson stellt ihn in das Spülbecken und plumpst wieder auf seinen Platz.

»Ich kann die Fragen in deinem Kopf schwirren sehen. Stell sie mir«, fordert er mich auf und nippt an einer Bierflasche. Mein Blick fällt auf die Uhr. Es ist kurz nach eins, aber in diesem Haus laufen die Uhren anders, schätze ich. »Jede Frage. Ich werde Hunter auch nichts petzen, versprochen.« Das schalkhafte Funkeln sorgt für ein Lächeln auf meinen Lippen. Tief atme ich durch und streiche mir durch die Haare. Wenn ich die Chance habe, einem der Remingtons Fragen zu stellen, werde ich sie ergreifen, auch wenn es sich dabei um Hudson handelt. Nervös knete ich meine Finger und verziehe die Stirn. »Deinem Gesicht nach zu urteilen, stellst du mir keine versauten Fragen. Schade. Aber vielleicht erzähle ich dir trotzdem was«, scherzt er weiter. Ich weiß nicht, ob es zu seinem Charakter gehört oder ob er mich aufmuntern will, aber es funktioniert. Ein ehrliches Lachen blubbert aus meinem Rachen und Hudson sieht stolz aus, wie ein Labrador, der ein Spielzeug gefunden hat.

»Was genau ist euer Familiengeschäft? Hunter hat mir zwar ein wenig darüber erzählt, aber ich kann mir einfach nichts darunter vorstellen, das nicht mit Actionfilmen konkurrieren könnte.« Hudson leckt sich über die Lippen und legt den Kopf schief. In der Sekunde sieht er dermaßen nach seinem großen Bruder aus, dass mein Herz krampft.

»Wir sind Kopfgeldjäger. Seit mittlerweile sechs Generationen. Wir treiben Leute auf und liefern sie an die entsprechenden Personen oder Institutionen aus«, erklärt er kurz und zuckt die Schultern. »Im Großen und Ganzen ist es ziemlich öde und wenig blutig. Ich für meinen Teil wäre deutlich lieber Auftragsmörder. Dann hätte ich neben meinem langweiligen Alltagsjob auch ein bisschen Spaß.«

»Spaß? Leute umzubringen macht dir Spaß?« Hudson lacht bei meinem fassungslosen Ton.

»Genugtuung ist vielleicht das passendere Wort«, zwinkert er. »Aber ja. Ich genieße es, wenn jemand stirbt, der es verdient hat. Natürlich würde ich keine Person abmurksen, die einen Lolli oder so geklaut oder an der Unterwäsche von der Mitbewohnerin geschnüffelt hat, aber wenn sie es verdienen.« Lässig zuckt Hudson die Schultern.

ERASE YOU | 18 +Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt