KAPITEL 32

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XYLA

Die Woche fliegt an mir vorbei. Hunter bekomme ich selten zu Gesicht, aber er lässt von sich hören. Hin und wieder ruft er an oder schreibt eine Nachricht, die mein Herz flattern lässt. Er ist beschäftigt, hat er vor zwei Tagen geschrieben. Es ist in Ordnung, weil ich weiß, was in ihm vorgeht. Nichtsdestotrotz mache ich mir Sorgen. Sorgen, dass er Mist baut und sich in Gefahr bringt, obgleich sein Job genau das ist. Er bringt sich ständig in Gefahr.

Vor einer Woche war Hunter für mich ein Songwriter, in den ich verliebt gewesen bin. Jetzt ist er so viel mehr. Mehr Hunter. Mehr Wahrheit. Mehr Schmerz. Mehr ... Liebe.

»Hast du die Zahlen gesehen, Xyla?« Mia tuschelt in meine Richtung, während wir im Label auf die großen Bosse warten.

»Überflogen. Sie sehen gut aus, nicht wahr?«

»Fantastisch«, stimmt sie zu. »Wir können dankbar sein, dass einer der Gäste ein Video von deinem Auftritt online gestellt hat. Die Single ist durch die Decke gegangen. Einige verlangen sogar eine Neuvertonung, damit der Vibe besser rüberkommt.« Ihr Enthusiasmus lässt mich grinsen. »Ich bin übrigens vollkommen ihrer Meinung. Warten wir, was die Bosse zu verkünden haben«, flötet sie.

Die Tür geht auf und Mia knipst ihre Professionalität an, ebenso wie ich. Mein Rücken begradigt sich und ich überschlage die Beine, um größer zu wirken. Meine Hände falte ich auf der Tischplatte, während Nikolai Brown mir gegenüber Platz nimmt. Er trägt einen hübschen Anzug, ein selbstbewusstes Lächeln und legt einige Unterlagen in die Tischmitte.

»Wie schön, dass es geklappt hat«, meldet er sich zu Wort. Nikolai wirft Mia einen Blick zu, den ich von Hugh kenne, und schenkt dann mir seine Aufmerksamkeit. »Xyla, wir haben ein paar umwerfende Neuigkeiten für Sie.«

Die anderen Männer stimmen ihm zu und das Lächeln auf meinen Lippen weitet sich aus. Natürlich bleibe ich professionell, obwohl ich gerne quietschen würde. Zwar hatte ich schon Gespräche mit den Labelbossen, aber ich hatte nie das Gefühl, dass sie mich als Individuum betrachten. Sie haben bislang eine Gelddruckmaschine in mir gesehen. Jetzt klärt sich der getrübte Blick langsam.

»Die Zahlen sprechen ihre eigene Sprache, Xyla, und diese ist unmissverständlich grandios. Sie erreichen Spitzenplatzierungen in allen möglichen Teilen der Welt, worüber wir nicht glücklicher sein könnten. Deshalb möchten wir Ihnen ein Angebot unterbreiten. Ende des Jahres steht die Veröffentlichung ihres Albums an, korrekt?«

»Sobald alle Songs bereit für die Aufnahmen sind, steht dem nichts mehr im Wege, Nikolai«, antworte ich und recke das Kinn. Dass ich mich mit jedem Song quäle, weil Hunters Einfluss fehlt, verschweige ich. »Erase You ist bereits für das Album vertont worden, wie Sie wissen.« Nikolai wirft Mia wieder diesen Blick zu, der mir allmählich unangenehm ist.

Ich bin nicht genau darüber im Bilde, wie die Beziehung zu Hugh bezeichnet wird, aber für mich sehen sie aus wie ein Paar. Womöglich würde es dem attraktiven Arzt absolut nicht gefallen, wenn er Nikolai jetzt beobachten könnte. Mia rückt auf ihrem Stuhl herum und schluckt. Auf ihren Wangen schimmert eine leichte Rötung. Nikolai lächelt locker.

»Und der Song ist ein wahrer Hit. Deshalb wünschen wir uns mehr von derartiger Musik, Xyla«, erläutert er und ich nicke verstehend. »Um wieder auf unser Angebot zurückzukommen. Die vergangene Tour war überaus erfolgreich und lukrativ. Aufgrund dessen würden wir Sie gerne auf eine weitere Tour schicken. Nächstes Jahr im Frühling.«

»Wie bitte?«, frage ich perplex. Ich habe mich noch nicht einmal von der letzten Tour erholt, geschweige denn alles an Gepäck ausgepackt. Ich werfe Mia einen forschenden Blick zu, aber sie schaut auf ihr Handy. Meine Managerin schluckt, während ihre Finger über die Tasten fliegen. Dann zuckt ihr Körper zurück und sie reißt den Kopf hoch. Ihre Augen sind geweitet und sie sieht mich panisch an.

ERASE YOU | 18 +Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt