KAPITEL 17

187 22 18
                                    

XYLA

Hunter betritt am späten Nachmittag hinter mir mein Haus. Seine Präsenz ist so übermächtig, dass ich zittere, als er die Tür schließt. Meine Schritte sind etwas wackelig, obgleich ich mich innerlich gestärkt fühle. Hugh hat mir einen Stapel Tabletten mitgegeben, die Hunter in einer raschelnden Plastiktüte auf den Esstisch stellt. Er wühlt darin herum und zieht eine Verpackung hervor. Mit gefurchter Stirn studiert er die Aufschrift und öffnet sie. Gelassen schlendert er in die Küche, holt eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank und reicht mir die Tablette, die er aus dem Blister gedrückt hat.

»Hugh hat gesagt, du sollst eine hiervon nehmen, wenn du zu Hause bist«, erklärt er und hält mir auch die Flasche unter die Nase. »Runter damit, Xyla.« Ich gehorche ihm und nippe noch einige Male an dem Wasser, ehe ich ihm die Flasche zurückgebe.

»Du kannst gehen, Hunt. Ich komme allein klar«, murmle ich und schnappe mir eine Wolldecke von der Sofalehne.

»Ja, ich denke nicht, dass ich das machen werde«, erwidert er und dreht mich um. Sanft schiebt er mich vorwärts in Richtung Couch und drückt mich auf die Polster. Mein Blick fällt auf den Couchtisch, auf dem ich die Abdrücke meiner Hände ausmachen kann.

»Hunter, könntest du etwas für mich tun?«

»Hm?« Er reicht mir ein Kissen und ich kuschle mich dagegen.

»Könntest du den Tisch wegschaffen?« Hunter wirft einen verdutzten Blick auf die Tischplatte. Ich sehe, wie die Rädchen in seinem Kopf sich drehen. Seine Augen verdunkeln sich und er ballt die Hände zu Fäusten.

»Natürlich«, presst er heraus. Ich sehe die Spannung in seinem Kiefer, während er den Tisch sorgfältig abräumt. Kataloge, Magazine und Kerzen, landen auf dem Boden.

»Den Teppich auch«, bitte ich ihn. Hunter leckt sich über die Zähne und nickt. Er rollt den Teppich ein, nachdem er den Tisch in den Flur geschafft hat. Stirnrunzelnd mustert er mich, dann zieht er sich mit einem schwachen Lächeln zurück. Ich höre Rufus, der ihm zur Hand geht, und das Schloss der Eingangstür.

Für zehn Minuten bin ich allein, starre auf die Stelle, an der mein Tisch gestanden hat. Der Ort meiner Schande. Meiner Erniedrigung. Meines Schmerzes. Jetzt ist er weg, aber die Erinnerung nicht. Ich kann noch immer jeden Stoß von Slater spüren, der ihn fester und schmerzhafter in meinen Körper getrieben hat. Angestrengt drücke ich mir gegen die Augen und halte die Tränen zurück.

Abends bestellt Hunter Essen. Ich sitze wortlos auf der Couch und starre aufs Meer hinaus. Der Klang der Wellen beruhigt mich. Stumm rinnen Tränen über meine Wangen, unterdessen sitzt Hunter direkt neben mir, seine Hand spielt mit den Haarsträhnen auf meinem Rücken. Kein Ton erklingt im Haus. Es ist ungewöhnlich still, aber genau das brauche ich jetzt. Der Fernseher würde nur Berichterstattungen über mich ausspucken, ebenso wie das Radio. Auf Musik habe ich keine Lust, weil sie meine Seele erfordert. Ich lausche lediglich den Wellen und Hunters Atem.

Wir essen schweigend. Im Anschluss schiebt Hunter die Tabletten in meine Richtung, die ich laut Hugh zu bestimmten Zeiten neben muss. Bereitwillig schlucke ich die Medizin, wofür ich ein sanftes Lächeln von Hunter bekomme. »Du solltest dich ausruhen, Xyla«, fordert er mich auf und räumt die Teller in die Spülmaschine. Fordernd hebt er den Blick und nickt Richtung Treppenhaus. Ich seufze und stemme mich hoch.

Ich verschwinde in dem Badezimmer, das an mein Schlafzimmer grenzt, und schäle mich aus den Klamotten. Der flauschige Bademantel auf meiner nackten Haut spendet mir Trost und ich schlurfe zurück ins Schlafzimmer. Mein Bett ist gemacht und die Fenster sind einen Spalt offen. Der Wind weht eine Meeresbrise herein und ich starre für einige Sekunden mein Spiegelbild an. Nichts erinnert an die schillernde Popsängerin.

ERASE YOU | 18 +Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt