KAPITEL 12

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XYLA

Auf der Rückbank der Limousine knete ich meine Hände. Ein Termin mit dem Label zwingt mich aus dem Haus. In den letzten Tagen habe ich jeden Artikel über Alex' Mord gelesen, den ich finden konnte. Hunter hat nicht übertrieben. Sie wurde niedergemetzelt. Sie muss unglaublich gelitten haben. Noch immer brennen meine Augen aufgrund der ungeweinten Tränen.

»Könnten Sie kurz einen Umweg machen, bevor Sie mich zum Label fahren?«, erkundige ich mich bei dem Fahrer. Er wirft mir durch den Rückspiegel ein Lächeln zu.

»Selbstverständlich. Wohin soll es gehen?« Ich gebe ihm die Adresse von Hunters Haus und er macht sich auf den Weg. Über zwei Jahre bin ich nicht mehr in dieser Straße gewesen. Habe sie gemieden wie die Pest. »Hier ist nichts, Miss Palladino«, informiert mich der Fahrer und parkt den Wagen am Straßenrand.

»Doch«, antworte ich nur und steige aus. Ein leergefegtes Grundstück zwischen hübschen Einfamilienhäusern. Flatterndes Absperrband umwickelt, die Überreste vom Flieder und Holzplatten weisen einen Weg zu einem großen Loch im kahlen Boden. Einzelne Grashalme sprießen aus der Erde und der Flieder blüht, als hätte Alexandra ihn gerade gegossen. Mein Blick gleitet über die leere Fläche, wo früher Hunters Studio stand. Ich erkenne den Ursprung der Explosion.

Die Medien haben von einer kleinen Bombe gesprochen, aber das gesamte Haus ist weg. Es soll ein Feuer gegeben haben und Hunter wurde mit einer schweren Rauchvergiftung ins Krankenhaus gebracht. Einige Gossipmagazine haben von einer Klage berichtet, die er gegen einen Feuerwehrmann eingereicht hat.

Mein Herz brennt, weil ich verstehe, warum er ihn verklagt. Er wollte sterben und der Mann hat ihn gerettet. Tränen steigen in meine Augen und ich scanne die Überbleibsel der Steinfliesen. Früher stand dort ein langer Holztisch, an dem Alexandra im Sommer herrliches Essen angerichtet hat. Die Bäume rascheln im Wind und ich werfe einen Blick hinauf. Ihre Initialen sind in den Magnolienbaum geritzt.

Das Haus ist verschwunden und nur noch das Fundament weist darauf hin, dass hier tatsächlich mal ein Gebäude gestanden hat. Ich werfe einen letzten Blick über das Grundstück, dann gehe ich zurück zum Wagen.

»Geht es Ihnen gut, Miss Palladino?«

»Es geht schon, danke«, schniefe ich. Er reicht mir lächelnd ein Taschentuch.

»War die Frau, die hier gestorben ist, eine Freundin?« Natürlich weiß er es. Die Menschen hier haben sich schließlich nicht vor Hunter versteckt. Ich nicke lediglich langsam.

Für mich sind an diesem Ort zwei Menschen gestorben.

Die unfassbar warmherzige Alexandra, auf die ich für so lange Zeit eifersüchtig gewesen bin, und mein Hunter. Mein sanfter Hunter, der jetzt mit Alexandra im Grab liegt und sich an sie kuschelt.

Im Label herrscht Trubel. Mia winkt mir über die Köpfe hinweg zu und deutet auf ihre Bürotür. Sie reckt eine Hand in die Höhe, um mir zu signalisieren, dass sie noch fünf Minuten braucht, und ich verschwinde nickend hinter der Tür. Meine Finger fliegen über die Buchstaben auf meinem Handydisplay, während ich mich auf den gemütlichen Ledersessel sinken lasse.

Die Nachricht wird an Hunter übermittelt. Sekunden später wird mir die Lesebestätigung angezeigt. Aufregung nistet sich in meinem Magen an, während ich auf seine Antwort warte. Aber ich bekomme keine. Ich bin ihm nicht einmal böse, weil ich es verdient habe. Schließlich habe ich ihn in den letzten beiden Jahren im Stich gelassen.

Mia kommt abgehetzt in ihr Büro. Das breite Lächeln auf ihren Lippen dreht mir den Magen um. »Hey. Entschuldige bitte. Heute ist die Hölle los«, plappert sie und sinkt auf ihren Bürostuhl. »Lass uns anfangen. Die Produzenten haben den neuen Songs für dein nächstes Album zuge-«

ERASE YOU | 18 +Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt