ERASE YOU | 18 +

KAPITEL 47

HUNTER

An einem Tisch mitten im Meer habe ich es mir bequem gemacht und starre auf die Welt hinaus. Meine Füße im kalten Wasser, mein Kopf in die wärmende Sonne gedreht. Meine Hand liegt auf der Holzplatte und sie spielt mit meinen Fingern. Ihre Haare flattern um ihr Gesicht herum, während sie lächelnd an den Strand blickt. Ich höre das kindliche Lachen und sehe das Leuchten in ihren wunderschönen Augen. Haltlos kullern salzige Tropfen ins Meer hinab und sie lässt meine Hand nicht los.

Alex lächelt mich an und wendet sich dann unserer Tochter zu. Gott, sie ist groß geworden. Zuletzt habe ich sie auf einem Ultraschallfoto gesehen. Jetzt läuft sie quietschend über den Strand und lässt sich von meinem Großvater fangen. Er freut sich unsagbar, ebenso wie Alex. Als ich sie gesehen habe, waren alle Schmerzen weg.

Jegliche Angst, verschwunden und ins kristallklare Blau des Meeres gesunken. Sie hat mir die Hand gereicht und mich mitgenommen. Mit zu meiner Tochter. Harlow. Den Namen haben wir uns ausgesucht und sie hat ihn ihr gegeben. Sie ist ein Sonnenschein mit Pausbacken, braunen lockigen Haaren und wunderschönen grünen Augen.

Harlow hat mich angesehen und sofort freudig geschrien. »Daddy! Daddy! Daddy! Endlich bist du da«, rief sie und sprang mir in die Arme. Sie ist so groß, so wunderschön und so rein. Alex hat nur gelächelt und den Kopf geschüttelt, als sie meine Wange gestreichelt hat.

»Bitte nicht, Honey«, sagte sie und ich wischte eine Träne von ihrer Wange.

Immer wieder werde ich von einer Brise erfasst, aber halte mich an Alex fest. Sie lächelt mich dann an und streichelt meine Wange. »Es ist okay, Honey. Ich verstehe das«, sagt sie immer wieder. Ich verstehe es nicht, deshalb umschlinge ich sie mit den Armen und warte, bis der Wind verschwindet. Es passiert oft und jedes Mal bilde ich mir ein sanftes Flüstern von einer Stimme ein, die ich nicht einordnen kann.

Jemand ruft nach mir, aber die Schwäche in der Stimme hält mich zurück. Ich sitze fast immer an dem Tisch und starre aufs Meer hinaus. Manchmal ist Harlow auf meinem Schoß, aber meistens bin ich allein. Alex setzt sich zwar ab und an zu mir, aber auch sie scheint auf irgendetwas zu warten. Sie lässt mich hier und nimmt Harlow mit, bis sie zurückkommen. Ich weiß nicht, wohin sie gehen, aber für mich fühlt sich ihre Abwesenheit wie Sekunden an, bis ich sie wieder am Strand spielen und lachen höre.

Grandpa hat auch mit mir gesprochen, ebenso wie Grandma. Allerdings betreten sie das Meer nicht, sondern bleiben am Strand. Sie bleiben in der Entfernung, aber ihre Stimmen klingen nah, wenn sie mit mir sprechen. Ich wollte Grandpa umarmen, aber er ist mir ausgewichen und hat den Kopf geschüttelt. »Noch ist nicht die Zeit, Junge«, hat er gesagt. Grandma hat geweint und mir die Wange getätschelt.

»Noch ist nicht der Moment, Liebling«, hat sie geseufzt und ist über den Strand davongelaufen. Erneut brauen sich dunkle Wolken zusammen und der Wind pfeift um meinen Körper.

Alex nickt, als ich sie ansehe. »Schon gut, Honey«, flüstert sie. Ich sehe die Tränen in ihren Augen und stehe auf. Fest schließe ich sie in meine Arme und schüttle den Kopf. »Du bist stark. Ich verstehe das, Honey.« Sie wimmert und ich küsse sie. Es fühlt sich fantastisch, an ihre Lippen zu spüren, aber Alex ist nie glücklich, wenn wir uns küssen. Ich verstehe nicht warum. Jedes Mal weint sie, wenn ich mich von ihren Lippen löse. So auch jetzt, nachdem der Wind aufgehört hat. »Oh, Hunter«, schnieft sie und krault meine Wange. »Bitte.« Ich weiß nicht, worum sie mich bittet, aber ich kann es nicht tun. Ich kann nicht. In meinem Körper liegt eine steinerne Barriere, die ich nicht überwinden kann. Deshalb schüttle ich den Kopf und ziehe sie an mich heran. Ihre Tränen durchnässen das weiße Leinenhemd und sie umschließt meinen Körper mit ihren Armen. »Tue ihr das nicht an, Honey«, wimmert sie und haucht einen Kuss auf meine nackte Brust.