ERASE YOU | 18 +

KAPITEL 75

HUNTER

Ich sitze auf dem Sessel und starre auf meine Hand herunter. Der Ring, den Xyla mir damals im Club auf den Finger geschoben hat, ohne dass ich es bemerkt habe, schimmert in der Beleuchtung. Der schwarze Stahl ist durchzogen von Linien und wirkt wie eine Schieferplatte. Mittig ist eine dünne silberne Linie eingelassen, die je nach Lichteinfall glitzert. Ein Ring, der dermaßen maskulin ist, dass ich Angst habe, ihm nicht gerecht zu werden. Er macht mich jedes Mal fertig, sobald meine Augen den Stahl erfassen.

Die Tatsache, wie Xyla mich sieht und die Befürchtung, irgendwann nicht mehr der Mann zu sein, der ich in ihren Augen bin, bereiten mir schlaflose Nächte. Meine Brüder reden von Lampenfieber. Ich hätte Angst. Angst vor meiner Hochzeit. Dass ich nicht lache. Herrgott, ich heirate Xyla Palladino. Meine Traumfrau. Die Liebe meines Lebens.

Hugh richtet seine Krawatte und befestigt die Ansteckblume, bevor er das Kavalierstuch in die Tasche steckt. Er zupft es zurecht, fährt sich durch die Haare und dreht sich zu mir um.

»Du solltest dich allmählich anziehen, Hunter, obwohl es Xyla vermutlich nichts ausmachen würde, wenn du nackt zum Altar kommst, glaube ich dennoch, es wäre für die Gäste unangenehm«, sagt er.

Hugh ist so ruhig. Wieso ist er so verfickt ruhig? Wieso bin ich nicht ruhig? Fuck.

Meine Hände zittern und ich balle sie zu Fäusten, nachdem ich die Wasserflasche abgestellt habe. Sie ist längst leer. Das Plastik hat durch den unkontrollierbaren Druck meiner Finger gelitten. Ein Klopfen an der Tür lässt mich den Kopf herumreißen. Harrison steckt den Kopf durch die Tür und runzelt bei meinem zerstreuten Anblick die Stirn. Mit schief gelegtem Kopf kommt er ins Zimmer und schließt die Tür. Jetzt wird er mir gleich sagen, dass Xyla abgehauen ist, weil sie endlich begriffen hat, dass ich nicht gut genug für sie bin.

»Warum siehst du aus, wie ein nervöser Elch auf See? Warum sieht er aus wie ein nervöser Elch?« Harrison sieht Hugh an, der nur grinsend die Schultern zuckt. Wie zur Hölle sieht denn ein nervöser Elch aus?

Mein Rachen ist vollkommen verklebt, weshalb kein Ton aus meinem Mund kommt. Fuck, jetzt reiß dich mal zusammen, Hunter.

»Glaube, er kriegt kalte Füße«, mutmaßt die Stimme von Hana. Meine Schwester trägt ein hinreißendes dunkelgrünes Kleid und eine Kette, die in ihrem Ausschnitt verschwindet. Dad hat sich an seinem Sekt verschluckt, als er sie vorhin gesehen hat, was ich durchaus nachvollziehen kann. Allerdings hat sie ein Date mitgebracht, weshalb ich nicht davon ausgehe, dass sie sich an irgendjemanden von Xylas berühmten Freunden heranschmeißen wird.

»Nop. Sind warm wie ein Kaminfeuer«, schmunzelt Harrison. Er ist tatsächlich vor mir in die Hocke gegangen und hat die Hände auf meine nackten Füße gelegt. »Was ist los, großer Bruder?«

Durch meine Unterlippe schießt ein Schmerz und ich löse den Biss meiner Zähne. Angespannt lecke ich mir über die Lippe und schmecke Blut. Na wunderbar. Hana legt ihre Hand auf meine Schulter und Hugh mustert mich abwartend. Irgendwo schallt Hudsons Lachen und ich bin sehr froh, ihn im Augenblick nicht hier drin zu haben. »Hast du Schiss?«, fragt Hana glucksend. Mit gefurchter Stirn sehe ich zu meiner Schwester hinauf.

»Hast du es dir anders überlegt? Soll ich Hudson bitten, doch schnell die Dokumente zu ändern, damit er Xyla heiratet?« Mein Hirn begreift überhaupt nicht, was ich tue, aber Hugh weicht dem Teller aus, den ich nach ihm werfe.

»Mach's Maul auf, Hunt. Was ist los?«, drängt Harrison. Ich fahre mir schnaufend übers Gesicht.

»Da sind verflucht viele Leute draußen«, gebe ich mit kratzender Stimme zurück. Die Gesichter meiner Geschwister spiegeln alle die gleiche Emotion. Verständnislosigkeit. Es liegt nicht an den Gästen, sondern dass ich Angst davor habe, der Mann von Xyla Palladino zu sein. Hin und wieder fühle ich mich schwach und nicht auf die gleiche Weise männlich wie früher. Trotzdem will sie mich als ihren Ehemann. Fuck. Ich liebe sie abgöttisch, dennoch ist der Druck unfassbar schwer auf meinem Brustkorb.