KAPITEL 69

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XYLA

Auf einem unbefestigten Weg parkt Hudson den Audi am Rand und wirft einen Blick über die Fläche. Vor uns befindet sich ein Waldstück. Versteckt zwischen Laubbäumen steht eine Art Verschlag. Eine massive Eisentür ist in die verwitterte Fassade eingelassen. Aus einem Schornstein steigt Rauch in den sich verdunkelnden Himmel. Eine große Blumenwiese ziert die Vorderseite des Hauses und trotz der unzähligen bunten Tupfer im Gras breitet sich eine Gänsehaut auf meinen Armen aus.

»Mieser Pisser. Wusste ich doch, dass er sich hierher verkriecht«, murrt Hudson. Sein Handy meldet, dass er kein Netz hat, trotzdem zieht er es aus der Hosentasche und tippt darauf herum. Mein Magen rumort, als Hudson nach dem Türgriff greift und aussteigt. Seine Hand landet auf dem Autodach und er lehnt sich in den Innenraum. »Du wartest hier, bis ich dich hole. Dieses Mal diskutiere ich nicht mit dir, verstanden?« Benommen nicke ich. Hudson schließt die Tür und verriegelt den Wagen. Mit einem forschenden Rundumblick tritt er vor die Motorhaube und lehnt sich dagegen. Sein Blick schweift hinter den Wagen und über die Wiese.

In einem der Fenster, die sich auf dem Dach des Hauses befinden, flackert ein schwaches Licht. Ich sehe kein Auto, weshalb ich mir nicht sicher bin, ob Hudson mit seiner Vermutung richtig liegt. Wenige Minuten vergehen, dann dreht sich Hudson mit verkniffenem Gesichtsausdruck um.

Das Röhren von Motoren lässt mich erzittern. Er flucht und kommt auf meine Seite. Die Scheibe fährt herunter und er greift über mich hinweg ins Handschuhfach. Ein Messer kommt zum Vorschein, gefolgt von einer Pistole. Keuchend sehe ich Hudson dabei zu, wie er die Waffen an seinem Körper befestigt. »So viel zum Thema diskret.« Er spricht in sein Handy, aber ich höre das Lachen von Goldie deutlich.

Wütend pfeffert er das Gerät auf meinen Schoß. Am oberen Bildschirmrand entdecke ich das WLAN-Symbol. Sekunden später fahren sechs Motorräder an dem Audi vorbei und parken vor der Motorhaube. Einer der Männer steigt ab, zieht den Helm ab und streckt Hudson die Hand entgegen. Die Motoren verstummen und ich werfe einen Blick zum Haus. Nichts rührt sich.

»Xyla?« Goldies Stimme lässt mich zusammenzucken. Panisch drehe ich den Kopf über die Schulter, bis ich begreife, dass ihre Stimme aus dem Handy von Hudson kommt. Zitternd hebe ich das Gerät an mein Ohr.

»Hey Goldie«, murmle ich hauchend.

»Wie sauer ist er, auf einer Skala von eins bis zehn?«, fragt sie amüsiert.

»Zwanzig würde ich sagen«, erwidere ich und kann das Schmunzeln nicht mehr zurückhalten.

»Ha. Jackpot!«, freut sie sich. Das unverkennbare Quietschen ihrer Begeisterung trifft auf mein Trommelfell und ich lache leise. Sie nimmt der Situation die Spannung, obgleich ich nicht einschätzen kann, wie gravierend ein fehlendes Maß an Ernsthaftigkeit im Augenblick ist. »Vielleicht sagen wir Hudson nicht, dass der Kerl mit dem grauen Helm mich letzte Nacht beglückt hat.«

»Dass Hudson zuhört, ist dir aber bewusst, oder?«, meldet er sich zu Wort. Verdattert starre ich auf sein Handy und werfe ihm durch die Frontscheibe einen überraschten Blick zu. Da entdecke ich in seinem Ohr einen Kopfhörer. »Grauhelm sagst du, hm?« Goldie gibt nur ein Pfeifen von sich und ich schlucke. Auf dem Gesicht von Hunters Bruder breitet sich eine feurige Rötung aus. »Der hat dich nicht zum Orgasmus gebracht. Wie bedürftig bist du, Goldstück? Reichen dir heute Abend vier Orgasmen oder muss ich mich richtig ins Zeug legen?« Die Kühle seiner Worte lässt mich den Blick senken. Darauf bekommt er keine Antwort von Goldie, denn sie legt auf und er grinst triumphierend. »Also werden es fünf«, flötet er zwinkernd in meine Richtung.

Seufzend lege ich das Handy auf die Mittelkonsole und knete meine Finger. Eisige Kälte hat sich auf meine Haut gelegt, weil ich nicht weiß, was hier vor sich geht.

ERASE YOU | 18 +Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt