KAPITEL 15

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XYLA

Warme streichelnde Finger, zärtlicher Druck um mein Handgelenk und ein vertrauter Geruch. Mein Inneres schmerzt, während ich allmählich aus dem tiefen Schlaf erwache. Alles brennt. Innerlich, äußerlich. Oberflächlich, tief. Meine Sehnen, Nerven, Blutbahnen. Jede Zelle meines Körpers schreit vor brennendem Schmerz. Die Hand verschwindet von meinem Arm und Schritte entfernen sich. Ich habe schlecht geträumt. Sicherlich.

Slater hat aufgehört, als ich ihn darum angefleht habe. Er hat sich entschuldigt.

Die geschundenen Teile meiner Seele offenbaren mir jedoch eine andere Wahrheit. Eine schmerzende Tatsache, die mein Leid verstärkt. Wie Gift wabert die Wirklichkeit in meine Sinne, dann fliegt der körperliche Schmerz plötzlich davon und mein Körper verliert die Kraft. Trotzdem schaffe ich es, meine Augen zu öffnen. Meine Lider flattern und ich erkenne zunächst nichts. Ich kneife die Augen zu und öffne sie wieder. Weiße Deckenplatten, grelle Neonröhren und ein konstantes Piepsen.

»Hey«, schleicht sich eine sanfte Stimme in mein Ohr. Gänsehaut flutet meinen Körper. Das Piepsen wird wilder. »Ssch. Alles ist gut«, sagt die Stimme. Eine Hand gleitet auf meinen Arm. Ein Daumen zieht Kreis auf meiner Haut. »Gleich sind die Schmerzen weg«, flüstert die Stimme. Kälte erfasst mich und ich kneife die Augen zu. Wer ist das? Wer redet da mit mir?

Die Stimme ist fremd, gleichermaßen vertraut. Ich öffne die Augen und drehe kraftlos den Kopf. Mein Blick ist verschwommen, aber eine wohlige Wärme pulsiert in meinem Inneren. Ein weiteres Mal lasse ich kraftlos meine Lider sinken, allerdings verschwindet die Hand auch jetzt nicht. Also zwinge ich meine Augen auf und sehe die Person an, die neben meinem Bett steht. Umgehend nimmt das Piepsen der Maschine wieder Fahrt auf. Ein Schmunzeln liegt auf seinen aufgerissenen Lippen. Eine Platzwunde ziert seine Unterlippe und einige blaue Flecken kringeln sich um seine Augen. Hunter.

Mein Blick sucht den Raum weiter ab. Mia ist hier. Sie liegt schlafend auf einer Couch gegenüber der Tür und hat den Kopf auf eine Jacke gebettet. Hugh sitzt neben ihr und krault ihren Rücken. Er lächelt ebenso sacht, wie Hunter. Wieder erfassen meine Augen ihn und erneut überschlägt sich das Piepsen beinahe.

»Alles ist gut, Xyla.« Er spricht Worte aus, die in meinem Kopf keinen sinnvollen Satz bilden. Gar nichts ist gut. Slater hat mich missbraucht. Dunkel erinnere ich mich an eine Untersuchung. Eine Frau im Alter meiner Mom hat sie durchgeführt. Behutsam und langsam. Vorsichtig, um mich nicht zu verschrecken. Danach ist mein Kopf ziemlich leer. Ich fühle mich wie Wackelpudding. »Wie lange braucht es, bis die Schmerzmittel wirken?« Die Frage richtet Hunter an Hugh. Woher soll er sowas denn wissen?

»Eigentlich sollte sie längst keine Schmerzen mehr haben, Hunt«, erwidert er brummend. Langsam steht er auf und tritt ans Fußende des Bettes. »Hast du Schmerzen, Xyla?«

Ich versuche zu sprechen, muss allerdings husten. Hunter drückt mir einen Becher an die Lippen, nachdem ich mich beruhigt habe, und lässt mich trinken. Mia reibt sich, verschlafen die Augen und setzt sich auf. »Oh Gott sei Dank«, keucht sie. Tränen glitzern in ihren Augen und ich spüre sie auch in meinen aufsteigen.

»Xyla? Hast du noch Schmerzen?«, fragt Hugh wieder. Ganz vorsichtig schüttle ich den Kopf. Hugh klopft seinem Bruder auf die Schulter und geht in Richtung der Tür, dann ist er verschwunden. Durch eine edle Holztür, die absolut nicht nach einem Krankenhaus aussieht. Mia schnieft, ehe sie ihm hastig folgt. Mich irritiert es, dass sie mich nicht einmal berührt hat. Das ist nicht Mias Art. Mit gerunzelter Stirn sehe ich hinauf in Hunters Gesicht. Sofort breitet sich ein Lächeln auf seinen Lippen aus und er legt den Kopf schief.

»Flippt das Ding jedes Mal so aus, wenn du mich anguckst?« Ich höre das wilde Piepsen des Gerätes, das offenbar mit meinem Herzen verbunden ist. Mein Herz flippt jedes Mal aus, Hunter, ja. Jedes verfluchte Mal, wenn ich dich anschaue. Jetzt hast du den Beweis. Was soll ich dazu noch sagen? »Kleiner Scherz«, winkt er ab und lässt sich vorsichtig auf die Bettkante sinken. »Wie geht es dir?«

ERASE YOU | 18 +Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt