KAPITEL 55

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XYLA

Der Moderator der Talkshow kündigt mich an und das Publikum flippt aus. Applaus und Jubelrufe begleiten mich auf dem Weg zur Couch. Ich lächle, winke und begrüße den Moderator mit zwei Küsschen auf die Wange.

»Xyla Palladino«, sagt er euphorisch und lässt sich wieder auf seinen Platz sinken. Er schenkt mir ein strahlendes Lächeln, das ich erwidere.

»Hallo Greg«, begrüße ich ihn. Das breite Lächeln zerrt an meinen Gesichtsmuskeln, aber ich lege es nicht ab. »Ich freue mich riesig, dass ich heute hier sein darf.« Meine Anfügung wird mit einem lauten Klatschen der Gäste belohnt.

»Es ist mir eine Ehre, Xyla«, stimmt er mit einem sanften Nicken zu. Ich überschlage die Beine, schließe meine verschränkten Finger um mein Knie und sehe ihn abwartend an. »Lass uns direkt mit der wichtigsten Frage beginnen, die alle Fans nachts quält.« Schmunzelnd senke ich den Blick, ehe ich ihn mit schief gelegtem Kopf ansehe.

»Die Frage kenne ich bereits«, verkünde ich und zwinkere ihm zu. Es wird das erste Mal sein, dass ich die Wahrheit offenkundig ausspreche. In meinem Herz flattert es und ich unterdrücke den Impuls zu schlucken. Der Kloß in meinem Hals ist fehl am Platz. Es ist richtig, weil es zwischen Hunter und mir richtig ist.

»Ich stelle sie dir trotzdem, obwohl dir die Antwort ins Gesicht geschrieben ist. Hunter Remington. Ihr seid ein Paar, nicht wahr?« Er wackelt süffisant grinsend mit den Augenbrauen. Das Publikum jubelt lauthals, als ein helles Kichern meinen Mund verlässt. Ich spüre die Rötung meiner Wangen und bin dankbar, dass sie durch das Make-Up versteckt wird.

»Hunter und ich sind ein Paar, ja«, bestätige ich und streiche mir eine Strähne aus dem Gesicht. Mein Herz pocht wild, weil das Glück mich überwältigt.

»Wow. Jetzt ist es also offiziell. Wie wundervoll. Ich freue mich sehr für euch, Xyla«, sagt er und tätschelt meinen Arm.

»Danke, Greg«, lächle ich. Jetzt schmerzt das Lächeln nicht mehr auf meinen Wangen.

»Wie geht es ihm? Immerhin hat er einiges hinter sich. Seine Karriere ist zum Stillstand gekommen, nachdem er seine Frau verloren hat, und dann dieser schreckliche Unfall. Es ist eine harte Zeit für ihn, oder?« Nun muss ich tatsächlich schlucken. Zwar habe ich mit dieser Art von Fragen gerechnet, trotzdem erschweren sie mein Herz.

»Hunter ist ein unfassbar starker Mann. Er bewältigt all diese Dinge mit einer solchen Kraft, dass ich mich manchmal frage, woher er sie nimmt.« Meine Antwort ist vage.

»Und wie geht es dir damit? Einige Menschen behaupten, dass du für Hunter ein Lückenfüller bist. Was sagst du dazu?« Eine Gänsehaut rauscht über meinen Rücken. Ich kämpfe, um die aufrechte Haltung nicht zu verlieren. Mir ist bewusst, wie einige Arschlöcher über unsere Beziehung denken.

»Dazu kann ich nur sagen, dass ich die Gerüchte verstehen kann, aber Hunter mir immer wieder zeigt, dass sie eben nicht mehr als Gerüchte sind. Natürlich hat er seine Frau verloren und er wird sie niemals vergessen, ebenso wenig wie ich, immerhin war Alexandra meine Freundin. Allerdings darf auch ein Mann, der seine Frau verloren hat, wieder glücklich sein und sich verlieben.« Greg stößt einen Pfiff aus und wirft einen vielsagenden Blick ins Publikum. Angestrengt unterdrücke ich das Stirnrunzeln.

»Da flattert eine unterschwellige Botschaft in mein Gehör«, scherzt er und hebt musternd eine Augenbraue in meine Richtung. »Hast du ein schlechtes Gewissen gegenüber Alexandra?«

Ein unkontrolliertes Lachen bricht aus meiner Kehle hervor. Ich kann selbst die Unsicherheit in meiner Stimme hören. »Hin und wieder habe ich tatsächlich ein schlechtes Gewissen. Aber gegen Gefühle kann man nichts tun, richtig? Ich habe nicht geplant, dass ich mich in Hunter verliebe oder er sich in mich. Es ist passiert und wir verarbeiten gemeinsam die Rückschläge der letzten Jahre. Wir unterstützen uns, begleiten uns durch schwere Tage und heilen gemeinsam. Auch ich habe eine Freundin verloren. Hunter und ich reden häufig über Alexandra, weil wir sie für immer vermissen werden. Sie wird niemals vergessen werden, denn dafür war sie zu wundervoll. Nichtsdestotrotz erlauben wir es uns, glücklich zu sein. Und das sind wir. Gemeinsam. Ich bin sicher, dass Alexandra nicht gewollt hätte, dass ein Mann wie Hunter für immer allein bleibt und um sie trauert. Sie hätte ihm ein glückliches, erfülltes und liebevolles Leben gewünscht. Im Augenblick arbeiten wir daran, dass sich unser Leben in diese Richtung entwickelt.« Die Worte kratzen auf meinen Stimmbändern, obwohl sie wahr sind. Sie werden für immer wahr sein.

ERASE YOU | 18 +Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt