XYLA
Als ich aufwache, ist es im Haus beängstigend ruhig. Ich bin zu den Gesprächen im Wohnzimmer eingeschlafen, während ich mich an Hunters Kissen gekuschelt habe. Mit seinem Geruch in der Nase schlafe ich besser. Nicht so gut, als würde er neben mir liegen, aber immerhin ein wenig. Mit matten Gliedern kämpfe ich mich aus dem Bett und tapse in sein Badezimmer.
Jeder Schritt durchs Zimmer schmerzt in meinen Gliedern. Als hätte ich ein Fieber, gegen das keine Medizin hilft. Ich bin kraftlos, mein Herz ist wund und meine Nerven scheuern.
Die Kopfschmerzen verschwinden überhaupt nicht mehr, seitdem Octavio ihn entführt hat. Jetzt ist er wieder da, aber schwebt in Lebensgefahr. Ich habe Hughs Worte gehört. Er hat im Gespräch mit seinen Geschwistern nichts beschönigt. Hugh hat klare Worte gefunden, die er mir zuliebe nicht ausgesprochen hat. Weil sie nicht zerbrechlich sind. Ich bin es. Ein kleiner Schubs und ich zerfalle zu Staub.
Meinem Spiegelbild weiche ich aus und drehe das Wasser in der Dusche auf. Ich brauche kein eigenes Duschgel oder Shampoo, weil ich Hunters benutze. Damit ich ihn riechen kann, auch wenn er nicht da ist.
So ist es seit Tagen und daran verändert sich auch nichts, nur, weil er jetzt behandelt wird. Ihm wird geholfen. Ich rede es mir immer wieder ein, obgleich Hughs Worte von letzter Nacht schwer auf meiner Seele lasten. Das Ausmaß der Folter, die er durchlebt hat, ist monströs. Hugh hat Howard - dem fünften Remingtonsohn - jede Einzelheit berichtet. Mir ist schlecht geworden, trotzdem habe ich gelauscht und stumm geweint.
Ich wollte hören, was vorgefallen ist. Nach der Dusche schlüpfe ich in einen von Hunters Pullis, ziehe die schwarze Leggings über meine Beine und ziehe seine Socken an, bevor ich mich auf den Weg in die Küche mache.
Die Sonne krabbelt über den Horizont und aus dem oberen Stockwerk erklingt ein Schnarchen. Hudson, vermutlich. Er schnarcht wie ein Bär und es ist ein Wunder, dass nicht das ganze Haus wackelt.
In der Küche bleibe ich einen Moment unschlüssig stehen. Hunger habe ich seit Tagen nicht mehr. Nachdem ich gestern Howard gegenüberstand, konnte ich auch nichts essen. Offenbar war er eine Zeit untergetaucht, um seine Familie zu beschützen. Jetzt ist er zurück, weil seine Quellen – meiner Vermutung nach handelt es sich dabei um Everett, weil er bei dem Wort belustigt geschmunzelt hat – ihn über seinen großen Bruder informiert haben. Er hat seine Frau und seinen Sohn gepackt und ist in den nächsten Flieger nach Hause gestiegen.
Langsam tapse ich an die Küchenzeile, fülle Wasser in den Teekessel und stelle ihn auf den Herd. Ich drehe die Gasflamme auf, fische eine Tasse aus dem Schrank und suche die Teebeutel. Während ich warte, knabbere ich an meiner Lippe herum und starre aus dem Fenster in den Garten hinaus. Leise zwitschern die ersten Vögel und einige Wolken breiten sich über den Himmel aus. Der Geruch nach Regen weht durch ein offenes Fenster in die Küche. Ich starre vor mich hin und schreie auf, als eine Hand meine Schulter berührt. Hastig stolpert Howard zurück und hebt die Hände kapitulierend in die Höhe.
»Entschuldige«, murmelt er eilig. »Ich wollte dich nicht erschrecken.« Blinzelnd sehe ich ihn an und schlucke schwer. Lediglich seine Stimme verrät, dass er nicht Hugh ist. Ich habe gestern mit dem Gedanken gespielt, ihn zu fragen, ob sie Zwillinge sind, aber ich bekomme kaum einen Ton heraus, ohne dass meine Stimmbänder schmerzen. »Entschuldige«, wiederholt er und lässt die Hände sinken. Er schenkt mir ein unsicheres Lächeln. Das Teewasser pfeift und ich nehme den Kessel vom Herd, fülle das Wasser in die Tasse und starre den Teebeutel an. Er dreht sich im Kreis, verteilt seinen Geschmack und die Färbung im Wasser. »Danke, Xyla«, flüstert Howard und ich hebe den Kopf.
Ein fragender Ausdruck ziert mein Gesicht, während ich den Kopf schief lege. Kurz mustert er mich mit gerunzelter Stirn, dann scheint er zu verstehen, dass ich nichts sagen werde. »Hudson hat mir erzählt, dass Hunter keinen Todeswunsch mehr geäußert hat, seitdem ihr zwei ...« Howard runzelt die Stirn, kräuselt die Lippen und zuckt dann die Schultern.
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ERASE YOU | 18 +
Romance| DARK ROMANCE | Hunter Remington ist Xylas Traummann. Das weiß die millionenschwere Popsängerin, seitdem der talentierte und kreative Songwriter für sie arbeitet. Blöd nur, dass Hunter die Hochzeit mit seiner Jugendliebe plant und nicht das Gleiche...