KAPITEL 74

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XYLA

Das eng anliegende weiße Kleid schnürt mir die Luft ab, während die Stylistin meine Frisur richtet. Das Kamerateam rückt die Polster zurecht, dreht die Blumenvase in einen anderen Winkel und wirft zusätzlich ein dunkelblaues glitzerndes Tuch über meinen Platz.

Das Kleid funkelt und wirft Reflexionen an Decke und Wände. Überall auf dem Stoff sind glitzernde Steine eingenäht. Ein umwerfend schönes Diamantencollier schmiegt sich um meinen Hals und tropfenförmige Ohrringe klimpern an meinen Ohrläppchen. Mein Gesicht spannt von dem ganzen Make-up auf meiner Haut und ich fühle mich unendlich erschöpft.

Seit drei Stunden werden Fotos von mir geknipst. Mia wuselt durch die Anwesenden, verteilt Aufträge und betrachtet die Fotos mit dem Fotografen.

Die Zufriedenheit der ersten Stunde ist vergangen und allmählich vergeht mir die Lust. Natürlich muss das Cover für mein Album umwerfend sein, trotzdem wünsche ich mir, es endlich hinter mir zu haben. Kein Foto scheint perfekt genug, um es auf ein Plakat oder CD-Cover zu drucken. Ein Pinsel gleitet durch mein Gesicht und bestäubt meine Stirn mit Puder.

Hunter sitzt schmunzelnd neben Hana, die ununterbrochen auf ihn einredet. Sie ist vollkommen aus dem Häuschen und da sie eine Schwäche für Mode hat, habe ich sie eingeladen. Ich habe Fotos in vierzehn verschiedenen Kleidern gemacht. Sie erinnern allesamt an umwerfende Hochzeitskleider. Ich fühle mich ein bisschen wie Carrie bei ihrem Vogue-Shooting. Jetzt trage ich das fünfzehnte Kleid und will es am liebsten zerreißen, damit ich nach Hause kann. Ich bin fertig. Alle Bewegungen lassen die Müdigkeit weiter in meine Sinne schwappen.

Die Stylistin legt letzte Hand an, als der Fotograf wieder zur Arbeit ruft. Ich setze mich auf den glitzernden Stoff und lehne mich in die Position, die für das Cover verwendet werden soll. Immerhin haben wir schon festgelegt, welche Pose am besten zu den Songs passt.

Ich sehe zu Hunter, der mich anlächelt und leicht das Kinn senkt. Der Ausdruck in seinen Augen lässt einen Hunger in mir emporsteigen, der mir, zusätzlich zu dem Kleid, das Atmen erschwert. Er leckt sich mit einem fuchsigen Grinsen über die Lippen und zwinkert mir zu. Schluckend reiße ich den Blick von ihm los und fokussiere mich auf den Punkt, den mir das Kamerateam markiert hat. Die Kamera klickt tausende Male, dann wirft Mia wieder einen enttäuschten Blick über die Schulter des Fotografen.

»Tut mir leid, Xyla«, flötet sie mitleidig. Hunter sieht sie forschend an, stemmt sich aus dem Stuhl und tritt neben sie. Meine Managerin spricht leise mit ihm, woraufhin er verstehend nickt. Im nächsten Moment dreht er mir den Rücken zu und ich lasse meinen Nacken kreisen, um mich zu entspannen. Es mag daran liegen, dass ich andauernd die gleiche Pose halte oder an den Stunden, die ich mich in die Kleider zwängen muss, jedenfalls tut jeder Muskel in meinem Körper höllisch weh.

Hunter kommt in meine Richtung. Das Lächeln auf seinen Lippen unwiderstehlich und einen düsteren Schimmer in den graugrünen Iriden. Mein Herz hüpft, als er nach meinen Händen greift und mich hochzieht. »Trophy, was ist los? So kenne ich dich überhaupt nicht«, murmelt er. Seine Finger streicheln federleicht über meine nackten Arme. Ich seufze resigniert. Abgekämpft will ich mir durch die Haare fahren, halte mich allerdings rechtzeitig davon ab. Wir müssten von vorne beginnen, wenn ich meine Frisur ruiniere.

»Mir fällt es schwer, den Vibe für das Album zu treffen«, gestehe ich und zucke die Schultern. Heute liegt das Versagen an mir, denn das Team leistet ganze Arbeit.

»Okay. Was ist der Vibe?« Er kennt die Antwort auf diese Frage, weil er die Songs größtenteils geschrieben hat. Hunter ist bei jeder Vertonung immer anwesend gewesen, damit die Songs perfekt werden. Mehr als einmal hat er sich in den letzten Monaten mit Sam angelegt, worüber ich nur schmunzeln kann. Sein Beschützerinstinkt ist ausgeprägter denn je. Ich liebe diese Seite an ihm.

ERASE YOU | 18 +Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt