ERASE YOU | 18 +

KAPITEL 67

HUNTER

»Bevor wir mit dem Hirnfick weitermachen, würde ich gerne zusammenfassen, was ich bisher verstanden habe«, meldet Hugh sich zu Wort. Er hebt die Hand und kneift sich gleichzeitig in die Nasenwurzel. Vielleicht um sich zu sammeln, oder er hat genau die gleichen dröhnenden Kopfschmerzen, wie ich. In meinem Magen gluckert es ununterbrochen, denn mein Körper kommt nicht damit zurecht, dass ich mit meinen Schwestern geschlafen habe. Dass ich nicht der leibliche Sohn von Everett Remington bin. Ein Mann, der in den letzten zweiunddreißig Jahren mein Vorbild und Ansprechpartner gewesen ist. Er ist mein Vater, ganz gleich, was Alex erzählt. Selbst, wenn wir nicht blutsverwandt sind, wird sich an der innigen Beziehung nichts verändern. Hoffentlich.

»Eine wunderbare Idee, damit wir alle auf dem gleichen Stand sind«, säuselt Alex. Mein Blick schweift ab und ich bin überrascht, dass allmählich die Sonne untergeht. Das Bedürfnis, Xyla anzurufen wird mit jeder verstreichenden Minute stärker. Ich vermisse sie. Noch mehr, da ich jetzt weiß, dass sie all die Jahre lediglich ihre Gefühle für mich verheimlicht hat. Alex hat mir deutlich mehr verschwiegen. Xyla hat mir Fröhlichkeit vorgespielt. Alex mein Leben.

»Hunter ist der Sohn von unserer Mom und Malcom Kindred. Du bist seine leibliche Schwester, ebenso wie Larissa, die ermordet worden ist. Von euren Leuten. Wir anderen sind eure Halbgeschwister. Larissa ist schwanger gewesen, weil sie ihren eigenen Bruder gefickt hat. Du hast Hunter ebenfalls gefickt. Also habt ihr ihn euch quasi geteilt ohne, dass er davon etwas wusste. Krass ekelhaft. Zu allem Überfluss hast du ihn geheiratet, obwohl die Ehe absolut nicht rechtskräftig ist, wenn ich mir den ganzen Scheiß anhöre. Extrem abartig. Mom hat Zwillinge bekommen, bevor sie mit Dad in die Kiste gesprungen ist, und war währenddessen schon schwanger mit Hunter. Der, und ich weiß, dass ich mich wiederhole, dein verfickter Bruder ist, den du gefickt hast. Larissa hat sich in Hunter verliebt, während du professionell geblieben bist. Du hast zugelassen, dass sie umgebracht wird, damit ... damit was, eigentlich?« Alex mustert meine Mimik genau, während Hugh spricht. Ich bin mir sicher, sie kann jede Emotion in meinen Augen erkennen. Die Zusammenfassung von meinem Bruder sorgt für eine erneute Welle der Übelkeit. Meine Hände sind eiskalt und ich kann nicht verhindern, dass ich auf meinem Daumennagel herumkaue. Ich bin vollkommen überfordert. Mit der gesamten Situation, mit der Wahrheit.

»Du hast einen entscheidenden Teil ausgelassen, Hugh«, weicht sie seiner Frage aus und legt schmunzelnd den Kopf schief. »Slater und Octavio sind unsere Cousins. Bedeutet, dass Hunter seinen eigenen Onkel in den Knast gebracht hat, wofür sich Octavio verständlicherweise rächen möchte. Hätte Slater nicht eine dermaßen weiche Seele, hätte ich ihn nicht für Hunters Rettung einspannen können. Schließlich musste ich mich zu diesem Zeitpunkt bedeckt halten. Jedoch muss ich gestehen, dass ich ihn dazu gedrängt habe, sich an Xyla zu hängen, damit du endlich wach wirst, Honey. Sie liebt dich, seitdem ich sie kenne, und ich war der Ansicht, es wäre besser, wenn wir dir einen kleinen Schubs in die richtige Richtung verpassen, als darauf zu warten, dass sie endlich den Mut hat es dir zu sagen. Slater hat seinen Job etwas zu ernst genommen, weshalb es hin und wieder eskaliert ist. Bis zu dem Zeitpunkt, als deine Anzeige bei der Polizei einging, waren wir jedenfalls in dem Glauben, er hätte alles im Griff. Wir haben uns ziemlich getäuscht. Slater hat einiges wieder gutzumachen. Auf meine Forderung hin ist er damals in euer Haus gekommen und hat euch mitgeteilt, wo Octavio zu finden ist. Schließlich hatte ich Larissa versprochen, dass ich auf dich aufpassen würde. Und dazu gehörte nicht, aufzupassen, wie Octavio dich umbringt.«

Ihre Erzählung katapultiert mich zurück in den Raum und ich reibe mir über die Augen. Ich habe mir eingebildet, Alex zu sehen, kurz bevor ich Hudson in der Tür habe stehen sehen. Immer wieder habe ich mir eingeredet, dass ich halluziniert habe, weil mein Körper kurz vor dem Tod stand.