ERASE YOU | 18 +

KAPITEL 61

HUNTER

Ich verlasse den pulsierenden Club und trete schwer atmend auf die Straße. Mein Herz hämmert wie verrückt. Eine Sekunde schließe ich die Augen, um durchzuatmen, dann scanne ich die linke Straßenseite.

Die Schlange aus Feierwütigen, die in den Club wollen, wird immer länger. Unzählige zurechtgemachte Frauen und gestylte Männer reihen sich dicht an dicht vor dem Türsteher auf. Der Typ wirft mir einen verwirrten Blick zu, bevor er sich wieder seinem Klemmbrett widmet.

Hinter mir verlassen weitere Gäste den Club und schieben sich an mir vorbei. Johlende Kerle haben die Arme um lachende Frauen geschlungen oder zerren sie an der Hand hinter sich her. Absätze klackern, Feuerzeuge klicken. All das verschwimmt in meinem Kopf zu einem gemeinsamen Geräusch. Panik.

Mein Puls hämmert derart heftig, dass Sterne vor meinen Augen tanzen. Angespannt fahre ich mir über das Gesicht und gehe weiter auf den Gehweg. In der Schlange entdecke ich einige Frauen mit dunklen Haaren, die mich neugierig mustern.

Hudson ist völlig übergeschnappt. Alex ist nicht hier, weil sie tot ist. Und ich bin ein Idiot, dass ich überhaupt nachgesehen habe.

Kopfschüttelnd fahre ich mir durch die Haare und lasse meinen Blick die andere Gehwegseite entlang gleiten. Ein Pärchen steht knutschend an der Fassade zum Hinterausgang vom Club, ein paar Betrunkene lehnen rauchend an Laternen und eine Frau hockt auf einer Mauer und sieht wimmernd in meine Richtung. Erneut schüttle ich den Kopf und setze mich in Bewegung. Ich muss wieder rein, weil ich bei Xyla sein möchte. Nur deshalb bin ich heute überhaupt noch hier aufgetaucht.

Schnaubend kneife ich mir in die Nasenwurzel und sehe noch einmal zu der Frau. Neben ihr steht ein dunkel gekleideter Mann, der aussieht wie ein Sicherheitsbeamter. Noch einmal fasse ich sie ins Auge, dann erstarre ich. Mein Herz setzt aus. Ein schmerzhafter Stich fährt durch meinen Körper und ich strecke die Hand nach dem nächstbesten Gegenstand aus.

Nein. Nein, nein, nein, nein, nein. Fuck. Nein! Sie ist tot. Alex wurde ermordet. Ich halluziniere.

Fassungslos reibe ich mir über die Augen, schärfe meinen Blick und kneife sie zusammen. Da sitzt sie. Atmend. Weinend. Lebendig. Meine Frau. Alex. Alexandra Remington. Fuck. Fuck. Fuck.

Keuchend lehne ich mich mit dem Rücken gegen die kühle Fassade und starre ungläubig in den Himmel. Das kann nicht sein. Das ist ein schlechter Witz. Gerade, wenn es anfängt, besser zu werden, holt mich mein schlechtes Gewissen ein. Das muss es sein. Immerhin habe ich gesehen, wie Alex auf dem Autopsietisch gelegen hat. Ihr Herz aus der Brust geschnitten. Fuck!

Die Wichser haben es zugegeben. Julian, Silas, Bram und sogar Octavio. Sie haben gestanden, dass sie meine Frau umgebracht haben. Sie kann nicht hier sein. Das ist nicht Alex. Niemals.

Die Logik hat gegen mein Herz allerdings keine Chance. Langsam löse ich den Blick vom Himmel und sehe in ihre Richtung. Schniefend wischt sie sich über die Wangen. Ihre Haare sind zu einer edlen Flechtfrisur zusammengefasst. Eine Frisur, die ich geliebt habe. Immer noch liebe. Gott, sie ist so schön.

Zittrig löse ich mich von der Wand, strecke den Rücken durch und belaste mein Bein. Wie in Zeitlupe setze ich mich in Bewegung. Ich muss mit dieser Frau sprechen, denn wenn sie nicht Alex ist, dann brauche ich verfickt nochmal einige Antworten. Je näher ich ihr komme, desto mehr wird mir klar, dass es sich wirklich um meine Frau handelt. Der kecke Schwung der Brauen, die kleinen Haare oberhalb ihrer Stirn, die sie immer gestört haben, weil sie leicht abstehen. Die herzförmige Sommersprosse an ihrem Augeninnenwinkel. Die zu lange Wimper am unteren Wimpernkranz, die jedes Mal einen Punkt auf ihrer Haut hinterlässt, wenn sie frische Wimperntusche aufträgt.