KAPITEL 33

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XYLA

Am frühen Abend verlasse ich stimmlich ausgelaugt das Tonstudio unweit des Labels und trete auf die Straße hinaus. Tief atme ich die kühler werdende Luft ein und wickle den Cardigan um meinen Körper. Der Wind frischt wieder auf und weht die Meeresbrise direkt in die Innenstadt. Seufzend krame ich mein Handy heraus, während ich auf den Wagen am Straßenrand zugehe. Eine Nachricht von Hunter flimmert auf dem Display. ›Ruf mich an, wenn du im Studio fertig bist.‹

Umgehend wähle ich seine Nummer und steige mit hüpfendem Herzen in den Fond des Wagens. »Hey Trophy«, begrüßt er mich mit rauer Stimme. Hunter klingt abgekämpft.

»Hey. Du hörst dich erschöpft an.«

»Nicht verwunderlich. Ich habe einen Höllentag hinter mir. Meine Geschwister sind ausgeflogen und Dad ist nach Ibiza gereist. Hast du Lust, vorbeizukommen?«, fragt er und ich kann bei dem brummenden Unterton überhaupt nicht anders, als zustimmen. Ich gebe meinem Fahrer die Adresse und stehe zwanzig Minuten später vor seiner Tür.

Hunter öffnet, bevor ich klopfen kann. Mit einem sanften Lächeln legt er seinen Arm um meinen Nacken und drückt mich an seine Brust. Seine Lippen hauchen einen Kuss auf meinen Scheitel. »Du hast Nikolai Brown auf mich angesetzt, hm?«, raunt er flüsternd.

»Ein wenig vielleicht«, murmle ich gegen sein warmes Shirt und vergrabe meine Nase in seinem Duft. Selbstständig schlingen meine Arme sich um seinen Rumpf und drücken ihn enger an mich.

»Cleverer Schachzug, falls du damit meine Kreativität fördern wolltest«, sagt er und lässt mich los. Ich betrete die Eingangshalle und schlüpfe aus meinen Heels. Hunter schiebt mir Hausschuhe zu und ich vergrabe meine Füße in dem flauschigen Stoff. Es riecht nach Kaminfeuer, Tee und Vanille. Und Hunter. Sein Geruch ist überaus präsent in diesem Haus.

»Möchtest du einen Wein oder lieber Tee?«

»Für meine Stimmbänder wäre Tee vorerst vorteilhafter«, seufze ich. Hunter schenkt mir ein bedauerndes Lächeln. Er weiß, wie ein Tag im Tonstudio schlaucht.

»Hat er dich gequält?« Ich folge Hunter in die schwarz-weiß geflieste Küche und sinke auf einen Hocker an der Kochinsel.

»Nicht mehr als gewöhnlich. Du kennst Sam. Er will aus jeder Stimme das Beste herausholen«, erzähle ich schulterzuckend. Hunter setzt den Teekessel auf und dreht sich zu mir um. Als ich das letzte Mal in dieser Küche stand, hat er den Sex mit mir bereut. Jetzt ist alles anders.

»Oftmals verlangt er zu viel von dir, Xyla«, erinnert er mich mit warnendem Blick.

»Das ist schon okay. Er will mich fördern, verstehst du?« Hunters Augen verdunkeln sich und er schüttelt ganz leicht den Kopf. Wenn ich nicht auf jede seiner Bewegungen achten würde, wäre es mir sicherlich entgangen.

»Es ist nicht okay, wenn danach dein Hals kratzt und scheuert wie Sandpapier, Xyla«, brummt er angesäuert. Überrascht hebe ich die Brauen und lege die Hände um die dampfende Tasse, die Hunter mir reicht.

»Sagst du nicht immer zu mir, dass ich ein Püppchen bin und das Verhalten ablegen muss? Und warst nicht du es, der mir in den letzten Monaten häufig gesagt hat, dass ich nicht eine solch verfickte Prinzessin sein soll? Du widersprichst dir selbst, Hunter. Denkst du wirklich, dass ich dermaßen weit gekommen bin, weil ich immer wehleidig mein Stimmchen geschont habe, wenn ich einmal nicht alles schmerzfrei singen konnte?« Hunter blinzelt überrumpelt. Ich kann in seinen hinreißenden Augen sehen, dass ich ihn mit seinen eigenen Worten besiegt habe.

»Hierbei geht es nicht um dein Talent, Xyla, oder um deine Anstrengungen, sondern darum, dass er deutlich mehr verlangt, als deine Stimme geben kann«, erklärt er. Das Stirnrunzeln wird tiefer und er senkt kurz den Blick auf meine Kehle. Ich habe einen lockeren Schal zu Wärmezwecken um meinen Hals gewickelt. »Er zwingt dich, Töne zu singen, die für deine Stimme einfach nicht gemacht sind, Xyla. Das ist mir schon aufgefallen, als ich den Song im Radio gehört habe.« Plötzlich blubbert Wut in meinem Bauch und ich verenge die Augen. Falls Hunter die Veränderung in meinem Gesicht auffällt, bleibt er ziemlich cool. Er atmet lediglich durch, strafft die Schultern und kommt um die Kochinsel herum. Neben mir stützt er sich auf der Platte ab und schenkt mir ein sanftes Lächeln. »Du solltest dich nicht überanstrengen, Xyla. Deine Stimme ist platinausgezeichnet, falls du es vergessen haben solltest. Es gibt einen Grund dafür und dieser Grund ist sicherlich nicht Sam mit seiner sadistischen Art von Stimmbandqualen.«

ERASE YOU | 18 +Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt