Kapitel 10: Der Raum der versteckten Dinge

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Der Dezember kam mit eisigem Wetter und der Schnee warf ein verträumtes, blaues Licht durch die Gewächshausfenster, unter denen die Schüler sich dick eingewickelt um ihre Gläser mit einlegten Samen der Giftigen Tentakula drängten.

„Das Gemisch sollte eine fein violette Farbe angenommen haben, sodass Sie heute das wertvolle Gift der Venemosa Tentacula entnehmen können. Öffnen Sie dafür vorsichtig – noch nicht jetzt!" Professor Sprout funkelte mehrere Schüler an, die sich bereits daran gemacht hatten, ihre Gläser zu öffnen. Ron, der besonders eifrig gewesen war, drückte nun mit Mühe den Deckel hinunter, der offenbar unter einem enormen Druck stand.

Die Lehrerin für Kräuterkunde kam zu seinem Tisch, zückte den Zauberstab und erklärte: „Öffnen Sie vorsichtig den Deckel, während Ihr Partner seinen Zauberstab bereithält, um die giftigen Gärgase einzusaugen, die sich während des Reifungsprozesses gebildet haben." Sie bedeutete Ron, das Glas nun zu öffnen und schwenkte ihren Zauberstab über die wabernde Wolke, die augenblicklich unter dem Deckel hervorquoll.

Hermine, die heute mit Harry zusammenarbeitete, zog ihren eigenen Zauberstab und ließ ihn das Glas öffnen. Sie war schlecht gelaunt und hatte keine Lust, sich mit irgendjemanden darüber zu unterhalten, doch dummerweise hatten die beiden die Tentakula-Samen zusammen angesetzt und mussten sie daher nun gemeinsam weiterverarbeiten.

Seit dem Streit mit Malfoy im Raum der Wünsche, war sie das Gefühl nicht mehr losgeworden, dass sie sich auf sein Niveau herabgelassen hatte. Und es jetzt bereute. Die Wut über seine Worte, seine Ignoranz und sein Spott. Das war nicht das Ziel der Spionage gewesen; es ging nicht um Malfoy und seine Meinung. Es ging um das, was er im Schilde führte. Seine Ansichten würde sie nicht ändern, aber sie konnte seine Pläne durchkreuzen.

„Ist es wegen Ron?", fragte Harry leise, während sie sich über das Sieb beugten, in das die Samenhülsen gegossen werden sollten. Hermines Blick wanderte zum Nachbartisch, an dem Ron gemeinsam mit Neville arbeitete. Wobei hauptsächlich Neville die Arbeit erledigte, während Ron über seine Stuhllehne hinweg mit Lavender tuschelte.

„Nein", gab Hermine ebenso leise zurück und hoffte, er würde es dabei belassen.

„Ich kann versuchen, nochmal mit ihm zu reden. Ich finde es auch wirklich nervig, dass er ständig mit ... der rumhängt." Harry, der seit dem ersten Schuljahr Voldemorts Namen aussprach, traute sich nicht, Hermine gegenüber Rons Freundin zu erwähnen.

Sie schnaubte. „Es ist mir wirklich egal." Energisch drückte sie die Samenhülsen fester in das Sieb, sodass sie beinahe an der anderen Seite wieder heraus geflutscht wären. Sie überließ Harry den Löffel.

Hermine konnte ihm nicht erzählen, was sie wirklich bedrückte. Dafür hätte sie zugeben müssen, dass sie sich für Malfoys Machenschaften interessierte, dass sie ihm hinterher spioniert hatte und dass sie sich dabei offenbar noch schlechter angestellt hatte als bei Borgin und Burkes. Dass sie mit ihm aneinandergeraten war und sich von ihm hatte ablenken lassen, dass es ihr doch etwas ausmachte, wenn –

Wütend notierte sie die geforderten Parameter des Tentakula-Gemischs auf ihrem Protokoll und stierte dabei Löcher in die glatte, braune Oberfläche.

Die Stunde zog sich dahin, doch Harry akzeptierte für den Moment, dass Hermine nicht darüber reden wollte und schwieg. Als sie endlich entlassen wurden, schnappte Hermine sich ohne ein Wort ihre Sachen, packte sich fester in ihren Schal ein und stapfte durch das Wirbeln der kleinen Schneeflocken hinauf zum Schloss.

Sie vermied es mittlerweile, mit Harry durch die Schule zu laufen, da sich immerzu Gruppen von Mädchen unter den überall sprießenden Mistelzweigen drängten und auf ihn warteten. Je mehr er ihnen auswich, desto schlimmer wurde es und er merkte nicht einmal, dass er selbst dafür die Ursache war. Glücklicherweise hatte niemand Interesse, Hermine unter einem Mistelzweig aufzulauern, weswegen sie ungestört die Treppe hinauf in die Bibliothek steigen konnte.

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