Kapitel 19: Ursprünge der Magie

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Die Decke der Großen Halle war voller dicker, weißer Schneewolken, von denen emsige Flockenschauer fielen, die sich auf dem Weg zu den Haustischen langsam auflösten. Die großen Tannenbäume strahlten im Licht der Kerzen und Hermine verspürte zum ersten Mal so etwas wie weihnachtliche Stimmung. Die Tischmitten waren mit Ilex-Zweigen und magischem Schnee dekoriert und sie vertrieb sich die Zeit beim Frühstück damit, einem Schneemann bei seinem Weg über den Tisch zuzusehen.

Die Bibliothek war nicht weihnachtlich geschmückt, doch das gedimmte Licht und die Stille versetzten Hermine immer in eine feierliche Stimmung. Dazu kam der wunderbare Ausblick von den Tischen an den Fenstern. Das einzige, was sie sich wünschte, war eine Tasse Tee, doch Madam Pince erlaubte weder Essen noch Trinken. Vielleicht würde sie sich später in den Gemeinschaftsraum setzen.

Als sie gerade ihre Sachen zurechtgelegt hatte, kam Malfoy um ein Regal herum, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben sie. Überrascht beobachtete sie, wie er zwei Bücher auf den Tisch legte.

„Ich hab mal in dein Buch reingelesen – in dem sich übrigens die Bilder nicht bewegen – und ich hab dir das hier mitgebracht", sagte er ohne eine weitere Begrüßung und schob ihr das obere Buch zu.

Sie drehte es, sodass sie den Titel lesen konnte. Ursprünge der Magie, Stammbaumtheorie und Vererbung stand in schmalen, silbernen Lettern darauf. Der Name der Autorin sagte ihr nichts und sie nahm sich vor, sie im Bibliotheksverzeichnis nachzuschlagen, um herauszufinden, ob sie zuverlässig war. Unwillkürlich fragte sie sich, ob Malfoy sich in Bezug auf ihr Buch ähnlich fühlte. Vielleicht dachte er ebenfalls, dass sie ihm etwas gab, was nur ihre eigene Weltsicht bestätigen würde.

„Okay", sagte sie langsam.

„Ich dachte übrigens, du wolltest, dass ich mir was zur Erbtheorie durchlese." Malfoy lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme. „Aber nach dem ersten Kapitel steht da ein Haufen Kram zu Krankheiten und danach irgendeine Alchemie für Muggel."

„Oh ... ich glaube, ich habe vergessen, wie theoretisch das Buch am Anfang ist." Hermine schlug das Inhaltsverzeichnis aus. „Hier, schau, dieses Kapitel über DNA meinte ich. Die DNA – das ist das, woraus die Gene bestehen – ist in den Zellen drin und wir bestehen aus Zellen –"

„Ich bin nicht blöd, Granger." Das Seufzen, das er ausstieß, machte deutlich, wie anstrengend das alles für ihn war.

„Das habe ich auch nicht angenommen", erwiderte sie spitz. „Aber ich weiß ja nicht, was dein Stand ist. Das ist schließlich ein Universitäts-Lehrbuch. Für jemanden, der nicht eine Stunde Biologie in seinem Leben hatte, könnte das etwas viel für den Anfang sein."

„Da hast du mich wohl unterschätzt."

Sie verdrehte die Augen.

Er stand auf und nahm das Biologiebuch wieder an sich. „Wenn du dir das Buch hier anschaust, fang am besten ganz vorne an. Die Kapitel bauen aufeinander aus, weißt du", erklärte er mit einem Grinsen.

„Du bist unfassbar komisch."

––

Entgegen ihrer Erwartung stellte sich die Autorin des Buches, das Malfoy ihr gegeben hatte, als eine der angesehensten Forscherinnen auf dem Gebiet der magischen Vererbung heraus. Sie hatte nicht nur an verschiedenen Universitäten auf der ganzen Welt gelehrt, sondern Durchbrüche in der Behandlung von Erbflüchen erzielt und den Zauberspruch zur Analyse von Abstammungsverhältnissen entwickelt – basierend auf Erkenntnissen aus Muggel-Forschungen.

Mit dieser Überprüfung ihrer Quellen zufrieden, setzte Hermine sich den Rest des Tages mit dem neuen Buch auseinander. Schon das Vorwort und die Einführung zogen sie in ihren Bann. Im Gegensatz zu Muggel-Fachliteratur war der Ton des Buches lebendig, ohne auf Kosten fachlicher Tiefe zu gehen.

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