Draco Malfoy hatte keine Angst.
Er war wütend. Genervt. Gleichgültig.
Nachdem Granger gegangen war, schüttelte er seine Hände aus und griff wieder nach seiner Feder. Das beklemmte Gefühl, das ihn für einen seligen Moment verlassen hatte, war zurück. Aber es war keine Angst. Es war der Stress, die Verantwortung.
Dennoch hatte er das Gespräch mit Granger diesem Gefühl vorgezogen. Sie war eine unerträgliche Heimsuchung, doch das, was sich wie eine Schlinge um seinen Hals legte und sein Herz, das ihm jeden Moment aus dem Mund zu hüpfen schien, waren allemal schlimmer.
Wann immer er die Augen schloss, überkam ihn die Erinnerung, wie er die Wirtin des Drei Besen mit dem Imperius-Fluch belegt hatte. Er hatte Euphorie erwartet, ein unbändiges Machtgefühl, das berauschend durch seine Ader rollte, ein erhebendes Maß an Stärke und Ruhm. Stattdessen hatte es sich angefühlt, als würde er sie an ihrer intimsten Stelle packen und gewaltsam durch den Raum schleifen. Noch immer fühlte er sich dreckig. Wie Sand hatten sich die Reste des Fluches in jede Fuge seines Innersten gelegt und obwohl er bei jeder Gelegenheit seine Hände wusch, ließ das Gefühl ihn einfach nicht los.
Mit fahrigen Bewegung packte er seine Sachen zusammen und sprang auf. Sein Magen rumorte und er hatte das Gefühl, sich jeden Moment übergeben zu müssen. Halbherzig schickte er die ausgeliehenen Bücher zurück auf ihren Platz und stürmte aus der Bibliothek.
Er hatte keine Angst.
Während er versuchte, sich zu beruhigen, stieg er die Treppe hinauf in den siebten Stock. Im Raum der Wünsche würde er ungestört sein, auch wenn er dort immer noch nichts zustande gebracht hatte.
Die Stufen zogen sich dahin und sein Hals wurde immer enger. Unaufhaltsam trat die leise pochende Präsenz, die ihn noch immer mit Madam Rosmerta verband, aus seinem Hinterkopf nach vorn. Er spürte, wie er mit einem einfachen Gedanken nach ihr greifen, ihren Willen in einzelne Stränge teilen und jeden Wunsch aus ihrem Kopf fegen konnte.
Draco erinnerte sich noch an das Schuljahr, in dem in Verteidigung gegen die dunklen Künste die Abwehr des Imperius-Fluches gelehrt worden war. Von dieser Erfahrung hatte er sich den Zauber so gänzlich anders vorgestellt, dass er nicht gezögert hatte, auf Drängen seiner Tante hin die nichts ahnende Wirtin zu überrumpeln. Es war ihm zu diesem Zeitpunkt wie eine grandiose Idee vorgekommen, die Drecksarbeit jemand anderen erledigen zu lassen, doch nun wusste er, dass er sich getäuscht hatte. Dass sie sich in ihm getäuscht hatten.
Mit einem Mal hielt er es nicht mehr aus. In dem letzten Versuch, sich nicht einfach mitten auf dem Flur zu übergeben, stürzte er in die nächste Toilette und krümmte sich über einer Kloschüssel zusammen.
Obwohl sein Körper ihm irgendwann signalisierte, dass da nichts mehr kommen würde, wollte das schmutzige Kleben in ihm nicht weggehen, und er hing beschämt und elend in seiner Kabine. Als ihm ein heftiges Schluchzen entfuhr, hoffte er, dass das Klo verlassen war. Offenbar hatte das Versiegen seines Mageninhalts weitere Flüssigkeitsausschüttung auf den Plan gerufen.
Eine Weile lehnte er kraftlos an der Kabinenwand, während ihm die Tränen die Wangen hinunterliefen, ohne dass er etwas dagegen tun konnte. Er musste daran denken, dass jemand beinahe seinetwegen gestorben war und gleichzeitig brüllte er sich selbst an, dass das genau seine Aufgabe war und er sich gefälligst zusammenreißen sollte. Er hatte keine Angst. Irgendwann mischte sich das ekelhafte, knackende Geräusch von Potters brechender Nase im Zug zu den Erinnerungen, sodass Draco wiederholt seinen Fuß am Boden abstreifen musste, um das Gefühl davon zu vertreiben.
Er war eine Schande.
Wenn irgendjemand ihn hier entdeckte, war es endgültig aus mit seinem Ruf. Und doch konnte er immer noch nicht aufstehen. Ein gequältes Lachen brach aus seinem Mund, er hatte beinahe das Gefühl, ein wenig verrückt zu werden.
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Metamorphose
Fiksi PenggemarWas wäre, wenn Hermine Harrys Spekulationen über Malfoys Geheimnis im sechsten Schuljahr ernster genommen hätte? Was wäre, wenn sie Ron beweisen wollte, dass sie mehr ist als eine langweilige Streberin? Und was wäre, wenn Draco Malfoys einzige Überl...