Mit Genugtuung stellte Hermine fest, dass sie Recht behalten hatte, was die Nutzung der Freistunden anging. Schon am vierten Schultag jammerte Ron vor sich hin, sie hätten noch nie so viele Hausaufgaben bekommen. Hermine sah von ihrer Übersetzung für Alte Runen auf, die sie noch am Nachmittag abgeben musste, und warf ihm einen spöttischen Blick zu.
„Du hast ganze fünf Fächer, Ron. Wenn du dich weniger beschweren und stattdessen einfach mal anfangen würdest, wärst du sicherlich schneller fertig." Zufrieden beugte sie sich über den letzten Abschnitt ihres Pergaments und besserte ein Wort aus, das sie falsch geschrieben hatte.
Als sie wieder aufsah, machte Ron gerade ein merkwürdiges Gesicht und näselte mit spitzem Mund „sicher schneller fertig" vor sich hin. Wütend funkelte sie ihn an und zog demonstrativ den Aufsatz für Zaubertränke aus der Tischmitte weg, den sie bereits am Abend zuvor fertiggestellt hatte.
„Ach komm, so war das nicht gemeint", bettelte Ron daraufhin, aber sie beschloss, ihn zu ignorieren.
„Es ist eigentlich offensichtlich, oder?", beteiligte Harry sich plötzlich zusammenhangslos an der Unterhaltung. Er hatte davor mehrere Minuten geistesabwesend vor sich hin gestarrt; auf seinem Pergament befand sich ein großer Tintenfleck, wo er in der Zwischenzeit seine Feder in der Luft gehalten hatte.
„Alles okay?", fragte sie ihn.
„Ihr habt mir nicht geglaubt, als ich meinte, Malfoy hätte Borgin sein Dunkles Mal gezeigt, aber jetzt ist es eigentlich klar, oder?" Aufgeregt legte Harry seine Feder ab und schien dabei nicht einmal zu merken, dass er seinen Aufsatz mit einer dunklen Tintenspur bekleckste.
„Also ..." Hermine war unsicher, wie sie auf diese Argumentation reagieren sollte. Bisher hatte sie noch nichts über Malfoy herausgefunden, aber sie wollte auch nicht von ihrem unausgefeilten Plan erzählen. Da würde Ron sich erst recht über sie lustig machen.
„Es macht doch Sinn, er soll für Voldemort einen Auftrag ausführen und da muss er sich ja irgendwie mit ihm verständigen. Ich meine, alle Todesser haben doch das Mal."
„Das stimmt nicht", warf Hermine ein. „Ich habe gelesen, dass es nur dem Inneren Kreis vorbehalten war. Viele Todesser, die nach dem Krieg wieder die Seite wechselten, hatten kein Mal auf ihrem Arm."
„Aber sein Vater hat es. Warum sollte er es also nicht auch bekommen, wenn er seinen Platz einnehmen soll?"
„Harry, er ist doch noch nicht einmal volljährig. Wie sollte ein Junge so wichtig sein, um in den engsten Kreis aufgenommen zu werden?", fragte Hermine in dem Versuch, ihm die Absurdität seiner Aussage vorzuführen. Zwar hatte sie sich vorgenommen, Malfoy hinterher zu spionieren, aber das bedeutete nicht, dass sie davon ausging, Harry hätte mit seinen Theorien recht.
„Deswegen ist es ja so eine gute Tarnung", sagte Harry schlicht.
Sie betrachtete ihn skeptisch. „Eine so gute Tarnung, dass du sie sofort aufgedeckt hast. Hör jetzt endlich auf damit und denk selber nach!", zischte sie an Ron gewandt, der sich schon wieder an ihrem Aufsatz zu schaffen machte. Vielleicht war es an der Zeit, dass die beiden sich etwas mehr anstrengten und sich nicht immer darauf verließen, dass Hermine sie überall durchboxte. Dann würde Harry sich auch mehr auf das Wesentliche konzentrieren können.
––
Während Harry Hermines Weigerung, ihnen ihre Hausaufgaben zum Abschreiben zu geben, still akzeptierte, wurde Ron geradezu unausstehlich. Seine Frotzeleien ihr gegenüber nahmen zu und so setzte sie sich am Donnerstagabend der folgenden Woche in die Bibliothek, um ungestört arbeiten zu können. Sie hatten eine schwierige Hausaufgabe für Verwandlung bekommen und da sie mit den Ausführungen in ihrem Schulbuch nicht zufrieden gewesen war, hoffte sie, hier bessere Antworten zu finden.
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Metamorphose
FanficWas wäre, wenn Hermine Harrys Spekulationen über Malfoys Geheimnis im sechsten Schuljahr ernster genommen hätte? Was wäre, wenn sie Ron beweisen wollte, dass sie mehr ist als eine langweilige Streberin? Und was wäre, wenn Draco Malfoys einzige Überl...