(A/N: Ich war im Krankenhaus, dafür kommen alle fehlenden Kapitel auf einmal :))
Draco hatte sich schon unzählige Male vorgestellt, wie es wäre Hermine Granger zu küssen. Die meiste Zeit hatte er versucht, diesen Gedanken schnell wieder beiseite zu schieben, denn für einen reinblütigen Slytherin gehörte es sich nicht, an eine muggelgeborene Gryffindor zu denken. Doch die Vorstellung war immer wieder aufgetaucht, wenn er sie irgendwo in der Bibliothek sah, über ihre Bücher gebeugt, völlig in ihrer Welt versunken. Er hatte sich gefragt, was sie dazu bringen würde, aufzusehen. Ob sie jemals ein befreites Lachen ausstieß, wie er es sich als Junge oft getraut hatte. Zumindest wenn Vater nicht da war.
Wie sich ihre Lippen anfühlen würde, wenn er sie mit seinen berührte. Ob sie ihm entgegenkommen würde oder sich eher zurückhielt. Später fragte er sich, ob sie ebenso offen und chaotisch küsste wie Pansy. Oder sanfter, stürmischer, weicher ...
Er hatte es sich so oft vorgestellt, dass die Erinnerung an ihre Küsse ihm unwirklich wie ein Traum erschien. Und daher war er schnell mit der Annahme gewesen, dass sie diesen ersten Kuss nicht gewollt hatte. Dass er irgendetwas falsch interpretiert hatte.
Draco hatte vor vielen Jahren einmal in der Bibliothek seiner Eltern einen großen Bildband gefunden, dessen Rücken etwa so breit gewesen war, wie eins seiner Beine zu der Zeit. Eigentlich durfte er nicht alleine in den Büchern stöbern, wenn Vater auf Arbeit und Mutter irgendwo im Garten beschäftigt war, aber er schlich trotzdem immer wieder durch die hohen Türen. Strich an den Regalen entlang und legte staunend den Kopf in den Nacken, die Frage auf den Lippen, wie irgendwer an die obersten Bücher herankam. Vielleicht war sein Vater groß genug, sie zu erreichen, er war der größte Mensch, den Draco kannte.
Der Bildband hatte in einem Fach auf seiner Augenhöhe gestanden, doppelt so hoch wie sein Unterarm und geschlagen in einen braunen Ledereinband mit grüner Glanzprägung, die Blüten und Blätter bildete. Als er sich vorgebeugt hatte, hatte er dazwischen kleine Tiere erkannt, die von einem Blatt zum nächsten sprangen. Er hatte das Buch mit beiden Händen gepackt, es aber nicht bis zum Tisch tragen können. Also legte er es vor sich auf den Boden, setzte sich mit überkreuzten Beinen davor.
Was ihn am meisten an dem Buch fasziniert hatte, waren die Bilder gewesen, die die rechten Seiten des Buches bedeckten. Er hatte den Text auf der linken Seite nur überflogen und stattdessen von einem Bild zum nächsten geblättert. Sie zeigten alle möglich Tiere, bekannte und unbekannte, eine kurze Bewegung festgehalten für die Ewigkeit. Irgendwer hatte die Färbung der Tiere nachträglich hinzugefügt, während der Hintergrund schwarz-weiß blieb, sodass sie wie eine Farbexplosion in all den Grautönen wirkten.
Er blätterte an Tigern, Fröschen, Schwänen, winzigen Affen mit riesigen Augen und buckligen Graphorns vorbei. Und dann fand er eine Seite, die einen Schmetterling zeigte. Aber es war nicht von Anfang an ein Schmetterling. Die Bildsequenz begann von vorne und da war nur ein längliches weiß-graues Bällchen an einem Blatt. Man konnte die Umrisse eines Tieres darunter erkennen, das immer wieder zitterte. Irgendwann streckte es den Kopf heraus und Flügel lösten sich von seinem zuvor glatten Rücken. Wenige Augenblicke später und der Falter kletterte aus der Hülle heraus, breitete die Flügel aus und flog davon.
Draco war in den folgenden Jahren noch manchmal zu diesem Bild zurückgekehrt und er hatte nicht selten beim Fliegen auf seinem Besen darüber nachgedacht, ob das Flügelausbreiten des Schmetterlings wohl ähnlich war, wie sich vom Boden abzustoßen und in den Himmel zu steigen. Aber er glaubte es nicht. Er glaubte, dass es ganz anders wäre, sich selbst Flügel wachsen zu lassen und sie schließlich aus ihrer Hülle zu befreien.
Als Draco für einige Minuten geglaubt hatte, dass Hermine ihn wollte, hatte er das Gefühl, dass sich Flügel von seinem Rücken gelöst hatten. Nicht viel, noch lange nicht so, dass er sie ausbreiten und davonfliegen konnte, aber er war auch keine Raupe mehr.
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Metamorphose
Fiksi PenggemarWas wäre, wenn Hermine Harrys Spekulationen über Malfoys Geheimnis im sechsten Schuljahr ernster genommen hätte? Was wäre, wenn sie Ron beweisen wollte, dass sie mehr ist als eine langweilige Streberin? Und was wäre, wenn Draco Malfoys einzige Überl...