Kapitel 11: Freunde

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McGonagall ließ sie das Kapitel zur menschlichen Transfiguration zusammenfassen und bedachte Draco dabei mit einem besonders kritischen Blick. Seit er ausgerechnet an dem Wochenende des Hogsmeade-Ausflugs bei ihr hatte nachsitzen müssen, hatte er sich Mühe gegeben, seine Hausaufgaben mehr oder weniger regelmäßig abzugeben. Trotzdem hatte sie ihn letzte Woche einmal zur Seite genommen und ihn gefragt, ob bei ihm alles in Ordnung sei, da seine Aufsätze so schlecht geworden waren.

McGonagall, die Hauslehrerin von Gryffindor, hatte ihn, Draco, nach seinem Befinden gefragt. Er war wirklich tief gesunken.

Er richtete seinen Blick auf das Pergament, da er nun schon dreimal zu Granger hinübergesehen hatte. Er wurde das Gefühl nicht los, dass sie ihn beobachtete. Doch wann immer er sich ihr zuwandte, hatte sie den Kopf über ihren Aufsatz gebeugt und sah aus, als würde sie sich nicht im Mindesten um ihn kümmern.

In der Reihe vor ihm saß Pansy und unterhielt sich flüsternd mit Millicent, was ihn zusätzlich ablenkte. Nach dem Quidditch-Spiel hatte er versucht, ihr klarzumachen, dass er nichts mehr von ihr wollte, aber es schien nicht richtig bei ihr angekommen zu sein. Seit er am Anfang des Schuljahres fallengelassen hatte, dass er bald in den Kreis der Todesser aufgenommen werden würde, war sie noch mehr um seine Gunst bemüht. Ständig fragte sie ihn, ob sie ihm bei irgendetwas behilflich sein konnte. Immer wieder wollte sie wissen, wie genau er sich die Aufnahme verdienen würde oder wo er im nächsten Schuljahr sein würde. Und dann tuschelte sie beim Essen mit ihren Freundinnen und spähte zu ihm hinüber. Wie jetzt.

Genervt setzte er seine Feder wieder auf.

Früher hatte er sich einen Spaß daraus gemacht, ihre Bewunderung für ihn auszunutzen, doch nun hatte er das Gefühl, dass ihr Verhältnis zu ihm eine andere Note bekommen hatte. Es fühlte sich nicht mehr so an, als würde er sie ausnutzen, sondern andersherum.

Mit einem Zischen stieß Vincent Draco an und sagte: „Wie heißt das nochmal, wenn man das einfach so bei sich selber kann?"

„Metamorphmagus", zischte Draco zurück. Er hatte fünf Minuten zuvor die gleiche Frage Gregory auf seiner anderen Seite beantwortet.

Sein Blick zuckte wieder nach vorne. Normalerweise hing Weasley genauso über Grangers Schulter und schrieb jedes einzelne Wort von ihr ab, doch seit einigen Wochen saß sie meistens abseits, manchmal in Gesellschaft von Potter oder Longbottom, aber nie bei dem rothaarigen Wiesel. Draco fragte sich, ob sie endlich erkannt hatte, was für ein Vollidiot Weasley war.

„Werden Sie bitte fertig", mahnte McGonagall sie und trat vor ihren Schreibtisch. „Sie haben noch zwei Minuten."

Eiliges Federkratzen von allen Seiten machte deutlich, dass die meisten noch nicht so weit waren.

Draco beendete seinen letzten Satz und legte die Feder zur Seite. McGonagall konnte denken, was sie wollte, doch er hatte sich das entsprechende Kapitel in Verwandlung für Fortgeschrittene durchgelesen.

Granger beugte sich noch immer über ihr Pergament und er überlegte, ob sie langsam war oder viel zu viel in den Text schrieb. Die Kunst bei einer Zusammenfassung war doch, die Kernpunkte herauszuarbeiten und nicht jedes Detail Wort für Wort aufzusagen.

Eigentlich hatte Draco nach der Stunde eine verlängerte Mittagspause, in der er den Raum der Wünsche aufsuchen wollte, um sich an dem Verschwindekabinett abzumühen. Aber seit Granger wusste, welchen Raum er aufsuchte, hatte er sich nicht mehr getraut, dorthin zu gehen. Auch die Anweisungen, die Borgin ihm gesendet hatte, waren absolut nutzlos, er konnte nicht einmal die Hälfte davon überprüfen oder ausführen.

Er überlegte, ob er den kostbaren Vorrat an Vielsafttrank, den er Professor Slughorn entwendet hatte, anbrechen sollte, um Crabbe und Goyle als Wachen aufzustellen. Eigentlich hatte er den Trank für den Zeitpunkt aufheben wollen, wenn es ihm endlich gelang das Kabinett zu reparieren, um die Todesser unauffällig in die Schule einzuschleusen. Doch wenn er nicht mehr dazu kam, an dem Schrank zu arbeiten, konnte er diesen Teil auch vergessen. Wenn er die beiden unauffällig vor dem Raum der Wünsche platzierte und sie Granger ein paar Minuten aufhielten, konnte er sich weit genug von dem Verschwindekabinett entfernen, dass sie keinen Verdacht schöpfen würde.

MetamorphoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt