Kapitel 36: Das Siegel

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Aufgeregt rutschte Hermine auf ihrem Sessel hin und her, während sie darauf wartete, dass Harry und Ron sich zu ihrem Quidditch-Training verabschiedeten. Die Runentabelle auf ihrem Schoß hatte sie seit einer halben Stunde nicht weitergeblättert, sie konnte sich nicht einmal merken, welche davon sie bereits gelesen hatte.

Harry saß vor ihr und überlegte schon wieder, ob er Felix Felicis einsetzen sollte, um in den Raum der Wünsche zu gelangen. Hermine versuchte ihn davon abzuhalten, seitdem es ihm damit gelungen war, Slughorns Erinnerung zu bekommen. Sie musste all ihre Überredungskunst anwenden, um immer wieder einen überzeugenden Grund zu liefern, dass der Glückstrank ihm dabei nicht helfen würde.

Endlich kam Ginny zu ihrem Tisch. Bei ihrem Anblick sah Harry sofort auf und strahlte sie an. Er schien seit ihrer Trennung von Dean noch anhänglicher geworden zu sein. Hätte Hermine nicht noch immer ein schlechtes Gewissen, wann immer sie mit ihm allein war, hätte sie ihn längst darauf angesprochen.

„Wollen wir zusammen runter gehen?", fragte Ginny und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Klar." Harry sprang auf und stieß Ron an, der noch immer auf sein Pergament starrte.

Hermine wartete, bis die drei durch das Porträtloch verschwunden waren, dann stand sie auf, packte ihre Sachen und machte sich auf den Weg zum Raum der Wünsche.

Seit sie das Buch aus der Nokturngasse geholt hatten, trafen sie und Draco sich jede Woche, während die Gryffindors Quidditch-Training hatten, im Raum der Wünsche, um nach einem Zauberspruch für die Versiegelung des Verschwindekabinetts zu suchen. Die Stunden waren überschattet von Hermines Schuldgefühlen und dem Druck, schnell eine Lösung zu finden. Draco versuchte oft, sie in ein lockeres Gespräch zu verwickeln, aber sie wich jedes Mal aus und hielt die Treffen kurz. Sie konnte nicht fröhlich mit ihm plaudern und sich gleichzeitig davon abhalten, ihm nahe zu sein.

Daher war sie froh, einen Vorwand zu haben, das Buch alleine durchzusehen, wann immer sie sich nicht treffen konnten. Und heute Mittag hatte sie in einer Freistunde endlich etwas Hilfreiches entdeckt.

„Ich hab was", begrüßte sie Draco, der schon in einem Sessel gewartet hatte.

Aufgeregt ging sie zu ihm und legte ihm die Aufschriebe auf den Schoß. Dann setzte sie sich abwartend auf die Lehne des Sessels, um ihm dabei zusehen zu können, wie er ihre Notizen las.

„Ich habe überlegt, dass wir eine konzentrische Kombination benutzen können." Sie deutete auf den inneren Siegelkreis. „Doppelte Siegel ermöglichen eine beidseitige Versiegelung des Verschwindekabinetts, sodass nicht nur von dort niemand hierher kommt, sondern auch von hier niemand hinüber."

Draco runzelte die Stirn. „Aber du hast das zweimal gezeichnet. Müssen wir dann nicht immer noch von beiden Seiten eine Versiegelung sprechen?"

Das war das Hauptproblem gewesen, an dem sie in den letzten Wochen gearbeitet hatten. Da die Kabinette an zwei Orten standen, musste das Siegel auch an beiden Orten aktiviert werden. Wegen der besonderen Funktion der Verschwindekabinette musste der Siegelspruch außerdem gleichzeitig an zwei Stellen gesprochen werden.

„Mir ist die Idee gekommen, als ich nochmal die Portalformel nachgesehen habe, die ich für die Reparatur benutzt habe." Sie zog ein Pergament aus ihren Notizen. „Diesen Zauber habe ich auch nur von einer Seite gesprochen. Das war möglich, weil die Kabinette eine Verankerung im Raum darstellen, der die beiden Orte miteinander verbindet. Das können wir nutzen, um den Zauber zu sprechen."

Draco sah zu ihr hoch. „Okay."

Sie erwiderte seinen Blick einen Augenblick zu lang. Als sie sich wieder den Notizen zuwandte, war ihr Gesicht warm und kleine Schmetterlinge flatterten in ihrem Bauch.

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