Kapitel 40: Auf gleichen Seiten

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Am Dienstagmittag nach dem Spiel wurde Draco aus dem Krankenflügel entlassen.

Hermine saß einige Plätze von ihnen entfernt beim Frühstück, als Draco, umringt von einer Schar Slytherins, die Große Halle betrat. Sie erinnerte sich noch, wie er damals im dritten Schuljahr geradezu heldenhaft durch die Schule geschwebt und jedem von seinen Verletzungen durch Seidenschnabel erzählt hatte. Davon war jetzt nichts zu sehen. Er sah kaum nach rechts und links, während er zu seinem Platz eilte und offenbar eher genervt von der Aufmerksamkeit war. Pansy setzte sich direkt neben ihn und quatschte ihm das Ohr ab, während er sich langsam Toast und Marmelade nahm. Hermine konnte sehen, wie er genervt die Augen verdrehte, und musste grinsen.

Wäre die Geheimhaltung nicht für sein Überleben wichtig gewesen, ihr wäre es in diesem Moment egal gewesen, ob alle ihr dabei zusahen. Sie wollte zu ihm laufen, ihn umarmen und sich tausendmal entschuldigen, dass sie so abweisend gewesen war. Der Gedanke, dass ihm etwas hätte zustoßen können, hatte sich tief in ihren Bauch gefressen. Und sie schalt sich für die Abweisung, die sie ihm in den letzten Wochen entgegengebracht hatte.

Nun musste sie bis zum Ende des Schuljahres noch ein Geheimnis bewahren, dass sie die Monate zuvor bereits ohne Probleme behalten hatte. Wenn sie danach alles erklärte, würde selbst Harry nicht mehr bezweifeln können, dass Draco ihr nichts Böses wollte.

„Weißt du, Harry und Ron glauben, Malfoy hätte dich verhext." Ginny ließ sich ohne Vorwarnung neben ihr auf die Bank fallen. Erschrocken riss Hermine ihre Augen von Draco los. „Ron will sogar in die Bibliothek gehen und nach einem Spruch suchen."

Sie musste unfreiwillig lachen. „Ron will in die Bibliothek gehen?"

„Ja, daran siehst du mal, wie ernst die Lage ist."

„Das glaube ich erst, wenn ich ihn dort gesehen habe", sagte sie und schnaubte noch einmal.

Ginny schwieg und Hermine sah, dass ihr Blick ebenfalls zu Draco gewandert war. „Trotzdem ... du solltest nochmal mit den beiden reden. Ich habe ja nicht alles mitbekommen, aber das war schon ein sehr seltsames Verhalten, das nicht einfach so ohne Erklärung stehen kann."

„Ach, ich dachte, du bist auf Harrys Seite?", fragte Hermine spitz.

„Bin ich ja auch. Aber ich bin auch auf deiner Seite. Ganz ehrlich, wir sind doch alle auf derselben Seite!"

Hermine folgte ihrem Blick und verlor sich für einen Moment in dem Anblick, Draco wohlbehalten ganz in ihrer Nähe zu sehen. „Fühlt sich manchmal nicht so an."

„Du bist vielleicht auch manchmal etwas hart mit deinen moralischen Ansprüchen", gab Ginny zurück. „Und wenn du dann auch noch Malfoy vor Harry in Schutz nimmst ..."

„Harry hätte ihn töten können, Ginny! Das ist kein Scherz. Dieses Buch ist gefährlich", sagte sie, ohne den Blick von Draco abzuwenden.

„Vielleicht ..." Ginny seufzte.

Hermine wurde abgelenkt. Ihre Finger kribbelten, die Luft schien zu vibrieren, als Draco den Blick hob und ihren fand – natürlich. Und für einen Moment saßen sie nicht mehr vier Tische voneinander entfernt, sondern sahen sich an gegenüberliegenden Plätzen einfach nur an. Ein Lächeln schien auf seinem Mund zu tanzen, ehe er wieder den Kopf senkte.

„Aber es ist wirklich seltsam", riss Ginny sie aus ihren Gedanken. „Ich meine – warum hast du dich mit ihm unterhalten? Erpresst er dich irgendwie? Du kannst mit mir reden, weißt du."

Hermine zwang sich, ihren Kopf zu ihr zu drehen. „So ist das nicht. Mir geht es gut. Hört auf, euch irgendwas zusammen zu spinnen."

Sie konnte sehen, dass Ginny nicht überzeugt war, aber Hermine wandte sich ihrem Essen zu und beeilte sich, es hinunter zu kriegen.

MetamorphoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt