Kapitel 55: Slytherin bleibt Slytherin

9 3 0
                                    

Als Hermine zehn Minuten später mit hochrotem Kopf, aber ordentlich sortierten Haaren und Klamotten nach unten kam, musste Draco unwillkürlich grinsen. Er saß auf einer Bank auf der Veranda, weit genug von den Weasleys entfernt, dass er nicht Gefahr lief, in ein Gespräch verwickelt zu werden. Hermines sah sich um, fand seinen Blick und er konnte sich ein anzügliches Wackeln mit den Augenbrauen nicht verkneifen.

Sie riss erschrocken die Augen auf und sah weg. Obwohl er gehofft hatte, dass sie zu ihm hinüber kommen würde, setzte sie sich neben Ginny und steckte mit ihr die Köpfe zusammen. Sie würde Ginny vermutlich nichts von dem erzählen, was soeben auf deren Teppich stattgefunden hatte, aber als die beiden zu ihm hinüber sahen, grinste er trotzdem, als wüsste er, worum sich das Gespräch drehte.

Draco wandte sich seinem Buch zu. Es war die einzige Beschäftigung, die ihm hier möglich war. Spaziergänge hinter der Grundstücksgrenze waren riskant und seine Mutter verließ das Zimmer nur zum Abend- und Mittagessen. Während Hermine weggewesen war, hatte er sich meistens ein Plätzchen im Garten gesucht, einen schwachen Desillusionierungszauber über sich gelegt und den Rest des Tages in der Sonne gedöst und gelesen. Meistens hatte der Zauber ausgereicht, um die Aufmerksamkeit der anderen von ihm abzulenken.

Die Essenszeiten waren schwieriger gewesen. Er hatte das Frühstück ausfallen lassen und irgendwann am Vormittag, wenn gerade niemand in der Küche war, einen Apfel oder eine Pastete mitgehen lassen. Mrs Weasley beorderte ihre Kinder zu verschiedenen Diensten, für die bei ihm zu Hause die Hauselfen zuständig gewesen wären, und besonders Ron schien sich daran zu stoßen, dass Draco nie zu solchen Aufgaben gerufen wurde. Draco fand die Vorstellung absurd, dass Ron dachte, Gäste sollten in einem Haushalt Dienstbotenaufgaben übernehmen. Allerdings sah er sich selbst nicht wirklich als Gast im Fuchsbau, dafür war die Situation viel zu unangenehm.

Keiner der Weasleys oder eines der Ordensmitglieder, die täglich zu Besprechungen anreisten, war ihm vertraut. Obwohl Ginny scheinbar kein Problem mit seiner Beziehung zu Hermine hatte, ignorierte sie ihn die meiste Zeit. Einmal hatte sie ihn nach der Schale mit Gemüse gefragt, als sie beim Essen nebeneinander gesessen hatten. Das war zwar mehr, als irgendeiner der anderen (mit Ausnahme von Mrs Weasley) zu ihm gesagt hatte, aber viel war es nicht.

Mrs Weasley war freundlich, aber distanziert zu ihm. Sie hatte ihn nach seiner Ankunft gefragt, ob er irgendwelche Unverträglichkeiten in Bezug auf das Essen hatte, und er bedankte sich nach jeder Mahlzeit für ihre Mühe. Ihre Küche sah zwar aus, als hätte sich noch niemals jemand Gedanken um Ordnung gemacht, aber ihr Essen schmeckte fantastisch, sodass es ihm nicht schwerfiel, gute Manieren zu zeigen.

––

Mutter war unruhig am nächsten Morgen.

Sie stand immer früh auf, doch diesmal lief sie durch das Zimmer, statt wie sonst vor dem Fenster zu sitzen und etwas zu lesen. Ihre Hände strichen abwesend über den schwarzen Stoff ihres Kleides und verursachten ein schabendes Geräusch, bei dem Draco nicht länger schlafen konnte.

Er setzte sich im Bett auf und zog sich eilig um. Es war unangenehm, mit seiner Mutter in einem Zimmer zu schlafen, doch noch unangenehmer wäre es ihm, im Pyjama auf dem Weg zum Bad einem der Weasleys zu begegnen. Natürlich hatte das Zimmer, in dem sie untergebracht waren, kein eigenes Bad.

„Würdest du bitte noch einmal nach unserer Bleibe fragen?", sagte Narcissa, sobald er neben sie getreten war. „Ich fühle mich hier nicht wohl."

Draco nickte. Er fragte jeden Tag danach und jeden Tag war die Antwort die gleiche. Wäre er sich der Gefahr, die von Voldemort ausging, nicht so bewusst, hätte er den Bitten seiner Mutter vielleicht sogar nachgegeben und wäre abgereist. Abgeschnitten von der Außenwelt und der Gunst des Ordens ausgeliefert, war dies kein Arrangement, dem er länger als nötig zustimmte.

MetamorphoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt