Kapitel 51: Ehrlichkeit Teil 1

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Im Slytherin-Gemeinschaftsraum waren für die späte Uhrzeit noch viele Plätze besetzt, doch einige Schüler schienen schon wieder schlafen gegangen zu sein, nachdem die Kämpfe sie aus dem Bett geholt hatten. Als Draco eintrat, wurde es schlagartig still und alle Köpfe drehten sich in seine Richtung. Er blieb nicht stehen, um die Emotionen in den Gesichtern zu lesen. Schon jetzt konnte er sich ausmalen, dass eine Hälfte von ihnen sauer sein würde, dass er mit den Todessern zu tun gehabt hatte, und die andere enttäuscht war, dass er nicht mit ihnen aus der Schule geflohen war.

Ohne ein Wort eilte er zu seinem Schlafsaal und zog sich die dreckigen Klamotten aus. Am liebsten hätte er sich den Schmutz vom Körper gewaschen, doch die Wahrscheinlichkeit, von jemandem angesprochen zu werden, war zu hoch. Er zog die Vorhänge um sein Bett zu und starrte stundenlang an die Decke, bis er schließlich einschlief.

Er träumte von Blitzen und Rauch, der die Form eines Totenschädels annahm. Er stand hoch oben in einem Turm, dessen Dach in zwei Hälften gespalten worden war und versuchte mit aller Kraft, den Riss in der Mitte zusammenzuhalten. Auf beiden Seiten standen Menschen und das Gewicht zerrte an seinen Armen und irgendwann verlor er den Halt. Die Turmhälften schwankten und er klammerte sich an die Zinnen fest und dann schrie jemand und er sah einen Schatten von der anderen Seite fallen. Er erkannte Hermine und wollte nach ihr greifen, aber sie war zu weit weg und der Turm bebte und fiel immer weiter auseinander.

Er wurde von lautem Stoffrascheln geweckt und hatte das Gefühl, kaum eine Stunde geschlafen zu haben. Das Schwanken aus seinem Traum schwappte für eine Moment in die Realität über und er hielt sich an seinem Bettlaken fest, während er blinzelnd die Augen öffnete.

Blaise stand neben seinem Bett und sah auf hinunter. Eilig rutschte Draco nach hinten weg und setzte sich ans Kopfende, damit Blaise nicht mehr über ihm aufragte. Das Schwanken ließ nach.

„Was ist?", fragte er.

Blaise musterte ihn schweigend. „Du hast gestern entweder Todesser in die Schule eingeschleust und Dumbledore umgebracht oder gemeinsame Sache mit den Gryffindors gemacht. Je nachdem welcher Geschichte man glaubt", sagte er dann. „Da du noch hier bist, finde ich die erste Variante unwahrscheinlich, andererseits ist die zweite einfach lächerlich."

Draco fuhr sich über die Augen. „Kann ich erstmal duschen?"

Blaise ließ ihn gewähren, aber als Draco aus dem Bad kam, heftete er sich wieder an seine Fersen. „Also?"

Seufzend zog Draco frische Klamotten aus seinem Schrank. „Was willst du hören?"

„Die Wahrheit?" An den Schrank gelehnt sah Blaise ihm dabei zu, wie er sich anzog.

„Ist das nicht egal?" Irgendwie störte ihn dieses Nachbohren, denn obwohl es wahrscheinlich keinen Unterschied mehr machte, wusste er nicht, ob er Blaise vertrauen konnte. Es konnte immer noch sein, dass irgendeiner der Slytherins an den Dunklen Lord weitergab, was Draco sagte. Und er wollte seine Mutter nicht noch mehr in Gefahr bringen.

Blaise machte einige Schritte nach vorne, sah sich um und beugte sich dann zu Draco. „Hör zu, ich weiß, dass du hier die ganze Zeit auf unnahbaren Todesser-Nachwuchs gemacht hast, aber wenn du wirklich einer wärst, wärst du letzte Nacht gemeinsam mit ihnen abgehauen – nach eurem großen Triumph." Er spuckte das letzte Wort geradezu angewidert aus.

Sie waren alleine im Schlafsaal, die anderen waren schon zum Frühstück gegangen. Draco musterte Blaise abschätzend. „Ich wusste nicht, dass du sie so sehr hasst."

Blaise lachte freudlos auf. „Jede andere Haltung ist menschenverachtend." Draco entging nicht, dass sein Blick dabei von ihm zur Wand und wieder zurück zuckte.

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