Hermine hatte nicht übertrieben, als sie sagte, sie würden sich erst wieder am Abend des nächsten Quidditch-Trainings treffen. Insgeheim hatte Draco gehofft, dass er sie davor irgendwo abfangen konnte, um die Zwischenergebnisse zu besprechen, doch sie blockte jeden seiner Versuche ab.
Wenn er sie in der Bibliothek ansprach, sah sie mit einem Blick auf, der deutlich machte, dass er sie gerade bei einer wichtigen Hausaufgabe störte und sie darüber in etwa so begeistert war, wie über Doxys in ihrem Schlafzimmer.
Versuchte er, sie auf einem Gang einzuholen, sagte sie „Malfoy" zu ihm und verhielt sich, als würden sie sich nicht kennen. Entweder Potter war wirklich auf einer heißen Spur oder sie nahm die Situation als Entschuldigung, um sich von ihm fernzuhalten.
Als sie am Donnerstag in die Nokturngasse gereist waren, hatte es sich ein bisschen angefühlt wie in den Ferien, als die Welt um sie herum geschrumpft war. Auch wenn es seltsam gewesen war, mit Hermine, die aussah wie Pansy, herumzulaufen, hatte ihre Zusammenarbeit sich doch vertraut angefühlt. Mit Pansy hätte er sich niemals so reibungslos aus der Schule schleichen können. Und mit Pansy hätte er auch nicht Arm in Arm die Nokturngasse entlang schlendern wollen.
Doch Draco hatte sich schon gedacht, dass diese Vertrautheit nicht lange halten würde. Seit Weasley im Krankenflügel gelandet war, hatte Hermine sich von ihm zurückgezogen. Sie drehte den Kopf, wenn sie nah beieinander standen; fand Ausreden, weswegen sie sich nicht sehen konnten und hing ständig mit Potter und Weasley rum, wenn er sie in der Schule sah. Mittlerweile hatte er sogar das Gefühl, dass sie sich Weasley gegenüber anders verhielt, irgendwie fürsorglicher und interessierter.
Und er hatte gesehen wie das Wiesel sie ansah. Es hatte sich wie ein Stich in seine Eingeweide angefühlt, als ihm bewusst geworden war, warum Weasley sich Hermine gegenüber so unausstehlich verhalten hatte. Und er fragte sich, ob ihre Verärgerung über Weasley einen ähnlichen Grund hatte.
Als es Zeit wurde, zum Raum der Wünsche aufzubrechen, packte Draco seinen angefangenen Aufsatz ein und verließ die Bibliothek. Hermine kam kurz nach ihm in das Kaminzimmer und er war überrascht, wie sehr es ihn erleichterte, sie zu sehen. An dem Abend kurz nach dem Unfall mit dem Met, als sie sich verabredet hatten und Hermine nicht aufgetaucht war, hatte er lange auf dem Sofa gesessen und sich gefragt, was er machen sollte. Da sie sich nicht gemeldet hatte, wusste er nicht, ob sie es einfach nur vergessen hatte, ob sie woanders war oder ob irgendetwas passiert war.
Er wusste selbst nicht genau, wieso er angefangen hatte, sich so sehr auf sie zu verlassen. Wann hatte er sich je auf irgendwen außerhalb seiner Familie verlassen können? Wie kam er dazu, ausgerechnet von Hermine anzunehmen, dass sie ihn nicht im Stich lassen würde?
Sie holte das Buch aus der Nokturngasse aus ihrer Tasche und setzte sich neben ihn, ohne richtig aufzusehen.
„Ich bin bis hier hin gekommen", sagte sie und schlug das Buch an einer markierten Stelle auf. „Bisher noch nichts. Es sind erstmal eine Menge Ausführungen und Querverweise über die Theorie von Versiegelungen. Ich muss schauen, ob ich es die nächsten Tage schon schaffe, das nächste Kapitel durchzuarbeiten."
Portale und magische Türen las Draco die Überschrift.
„Es ist ziemlich theoretisch, deswegen muss ich immer wieder irgendwas nachlesen, aber ich glaube, ich könnte etwas finden."
Sie klang so distanziert. So als wäre sie beinahe schon wieder auf dem Weg zurück.
„Kann ich dir helfen?", fragte er.
Sie sah noch immer auf das Buch. Ihre Haare waren hinter ihr Ohr geschoben und er betrachtete die Linie ihrer Nase und Lippen im Feuerschein.
Draco unterdrückte ein Seufzen. Wann hatte er angefangen, sich so viele Hoffnungen zu machen?
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Metamorphose
FanfictionWas wäre, wenn Hermine Harrys Spekulationen über Malfoys Geheimnis im sechsten Schuljahr ernster genommen hätte? Was wäre, wenn sie Ron beweisen wollte, dass sie mehr ist als eine langweilige Streberin? Und was wäre, wenn Draco Malfoys einzige Überl...