-3- Finders keepers

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3 𝑻𝒂𝒈𝒆 𝒔𝒑𝒂̈𝒕𝒆𝒓:

Ein Kaffee vor meiner Schicht in Tamaras Club war immer wieder erfrischend.
Mal etwas anderes als Alkohol, Zigarettenrauch im Gesicht, fette Männer und laute Musik.

An meinem heißen Cappuccino mit extra Milchschaum und zum Mitnehmen bestellt sippend, stand ich also gerade vor dem durchsichtigen Glas des Kaffeeshops.
Das Glas war von Tropfen des fallenden Regens bedeckt und ich suchte mir in meiner Fantasie ein paar Muster zusammen, während der brühende Kaffe über meine Lippen floss.
Ich trug eine graue Jacke und hatte die Kaputze tief ins Gesicht gezogen, um mein Make-up nicht zu ruinieren und trocken zu bleiben.

Zur Zeit war es kurz vor 10 Uhr abends. Tamara öffnete den Club zu der Zeit, aber die Kunden die ich bediente, kamen meist erst später. Also hatte ich keinen Grund, mich zu beeilen.

Da ging jemand plötzlich an mir vorbei, aus dem Regen und durch die leicht offen stehende Tür des Kaffeeshops. Ich sah dem Mann im schwarzen Anzug und der Sonnenbrille hinterher.
Wer trug bei diesem Wetter bitte eine abgedunkelte Sonnenbrille?

"Hm... lustiger Kerl." murmelte ich zu mir selbst und sippte erneut an meinem Kaffee, da schoss mir eine Erinnerung ein und ich verschluckte mich vor Schreck.
Das war doch einer der drei Männer, die vor ein paar Tagen in Tamaras Club gekommen waren. Er war nach diesem »Wolf« herein gekommen und hatte sich auf die rechte Türseite gestellt.

Verdattert starrte ich durch die Glaswand, in den Shop, und beobachtete den Mann.
Er sah nicht jünger aus als 45, trotzdem gut trainiert, hatte braune, zur Seite gekämmte Haare und bestellte gerade etwas an der Kasse des Geschäfts. 
Die Erkenntnis ließ mich erst einmal so überrumpelt stehen, dass ich erst zusammen zuckte, als er mit drei Kaffeebechern in der Hand aus dem Shop kam und an mir vorbei ging.
Er schien, mich nicht zu erkennen. Immerhin versteckten mich die Kaputze und der Regen.

Ich sah dem Mann also nach, wie er über die Straße und auf die andere Seite huschte und sich leicht über die Kaffeebecher beugte, um sie vom Regen zu schützen.
Dort, auf der anderen Seite, warteten zwei Leute auf ihn.

Den ersten Kaffee gab er einer Frau mit braunen, lockigen Haaren und dem gleichen Gewand wie er selbst.
Den zweiten Kaffee überreichte der Mann einem anderen, der mir sehr wohl bekannt vorkam.
Das war der Gangster der Tamaras Club vor einigen Tagen betreten hatte.
Der große Mann mit dem blinden Auge!

Die drei schienen, es erneut auf ihren Club abgesehen zu haben. Zumindest wusste ich keinen anderen Grund, so direkt vor der Tür des Gebäudes zu stehen.

Tamara würde den Club wieder schließen müssen, wenn dieser »Wolf« dort hinein gehen würde. Sie war bereits knapp bei Kassa und das würde sie nur in eine angespannte Lage bringen, besonders mit der Polizei. Obwohl die in dieser Gegend nicht sehr aktiv war.
Aber es war besser, kein Risiko einzugehen.

"Hey!"
Als ich realisierte, dass ich das gerade laut gerufen hatte, war es schon zu spät.
"Ich bin so doof..." murmelte ich mir selbst leise zu und all die drei Leute auf der gegenüber liegenden Straßenseite sahen mich an.

Jetzt nur keinen Rückzieher machen. Ich brauchte das Geld, Silas brauchte das Geld und Tamara ihre Ruhe.
Also atmete ich tief durch und ging durch den Regen, auf die andere Seite der Straße.
Mit etwas Abstand zu den drei anderen stellte ich mich auf den Gehsteig und zog die Kaputze von meinem Kopf.
Rechts vom Herr Wolf stand der Mann, der den Kaffee geholt hatte, links von ihm und somit auf seiner blinden Seite, die Frau mit den lockigen, braunen Haaren.
Ich räusperte mich kurz, trat näher und setzte meine entspannte Miene auf. Darauf stand ich direkt vor dem Größten der drei und sah durch den Regen zu ihm hinauf.
Sein blindes Auge jagte mir immer noch Angst ein.

"Hey... du kennst mich doch sicher noch, oder?~" meinte ich, mit der ruhigsten und süßesten Stimme, die ich hervor bringen konnte, und stieß mit meinem Kaffeebecher sanft gegen seinen, bevor ich mich nahe zu ihm lehnte.
Im Augenwinkel bemerkte ich, dass der Mann links von uns versuchte, mich am Arm zu packen, aber er wurde aufgehalten. Von Mister Wolf persöhnlich, der mich still ansah.

Als hätte ich eine Bestätigung für etwas bekommen, lockerte sich meine verkrampfte Haltung etwas auf und ich hob meine freie Hand.
Mit der Fingerspitze fuhr ich über das nasse Shirt unter dem Mantel des Mannes vor mir und stoppte genau auf der Mitte seiner Brust.
Währenddessen starrte er mich die ganze Zeit an, seine vom Regen nassen Haare hingen leicht über sein blindes Auge, in sein Gesicht.

"Hm, gefall' ich dir?" fragte ich und merkte, dass sich die beiden anderen langsam von uns entfernten.
Nun stand ich alleine mit dem sogenannten Wolf im Regen, direkt vor Tamaras Club.
Mein Gegenüber gab nur ein belustigtes Grummeln von sich und beugte sich über mich. Plötzlich schmiss er seinen Kaffee aus der Hand und auf den Boden, und legte seine Hand an meinen Nacken.
Grob zog er mich zu sich und küsste mich.

Der Kuss war forsch und fordernd.
Ich spürte seine Hand, die über meine nasse Haut und unter mein Shirt glitt, als er mich mit seiner anderen Hand fester am Nacken packte.
Ich stöhnte ungewollt in unseren Kuss und biss versehentlich, vor Schreck über seine Direktheit, zu.

Norwalerweise würden die Leute zurück zucken, mir eine klatschen und mich wegschicken.
Aber nicht dieser hier.
Ich schmeckte sein Blut in meinem Mund und kniff die Augen zusammen, als er meinen Kopf näher an seinen drückte.

Momente später lösten wir uns voneinander, nur ein dünner Speichelfaden verband uns noch.
Der Mann vor mir streckte seine Zunge heraus und ich erkannte einen kleinen Riss im Fleisch, aus dem pausenlos Blut tropfte.
Warum war er nicht zurück gezuckt?

"... Ganz schön bissig." "D-das war keine Absicht!" entgegnete ich schnell und schluckte das wenige Blut in meinem Mund hinunter.
Seine Stimme war so tief... und rau.
"Gefällt mir."
"Äh- was?"

Ich hatte ihn gebissen und er sagte, es gefalle ihm?
Stand er etwa auf Schmerz?

Verwirrt sah ich ihm entgegen und blinzelte, gegen den Regen der mir dabei in die Quere kam.
"Sir, Ihr nächster Termin findet schon in 15 Minuten statt. Ihr Vater wartet nicht gerne." meinte plötzlich die Frau, die links neben ihm gestanden hatte, mit einem mir fremden Akzent, und trat vor.
Ihre langen, dunklen Haare waren bereits pitschnass und auch ihre Kleidung triefte vom Regen, aber sie schien, das zu ignorieren. Stattdessen trat sie vor und sah den Mann vor mir an.
Mein Gegenüber ließ von mir ab und wandte sich zur Seite.
Mit einem knappen Nicken schickte er sie wieder weg und drehte sich um. Als sein Blick jedoch auf mich fiel, hielt er inne.
Er legte den Kopf kaum merklich schief und ich sah ihm an, dass er überlegte.
Worüber nur?

Jetzt, da er sicher nicht mehr in Tamaras Club gehen würde und mir langsam klar wurde, dass Geschäfte mit einem Gangster als Kunde vielleicht nicht die beste Idee war, trat ich einen Schritt zurück.
"Ich höre, Sie sind beschäftigt... also-..." "Zwei Millionen Dollar." unterbrach mich mein Gegenüber plötzlich und ich stockte.
"Äh... was?" "Komm mit mir mit und tu' genau, was ich dir sage. Dann gehört das Geld dir." raunte er mir zu, seine Stimme so voller Ernst, dass ich wusste, er meinte das auch so.
"Zwei... i-ist das Ihr Ernst? I-ich meine..."
Ganz plötzlich waren meine Worte futsch und meine Stimme um einiges höher.
Wie sollte ich darauf reagieren? Das hörte sich unrealistisch an.

"Sir, ich glaube nicht, dass das eine gute Idee-..." "Ok... Ich komme mit." meinte ich schnell, bevor ich meine Meinung ändern konnte, worauf mich die Frau rechts von mir unter ihrer Sonnenbrille giftig anfunkelte.
Mein Gegenüber nickte nur, beugte sich zu mir und flüsterte "Du nennst mich Zale. Das hier ist Zlata, meine Assistentin. Wir fahren zu meinem Vater und du tust so, als würdest du mit mir schlafen. Immerhin bist du eine Schlampe, das solltest du schaffen."

Seine Worte wirkten harsch und Zeit, um die Informationen zu verarbeiten, hatte ich nicht. Zale zog mich am Handgelenk hinter sich her, zur Seite des Autos, auf dem er gelehnt hatte.

Der Name des Wolfes lautete also Zale.
Und er nahm mich gegen Geld als seine kleine Schlampe mit zu seinem Vater...

Immerhin hätten Silas und ich mit ganzen zwei Millionen $ ausgesorgt. Oder er zumindest eine sichere Zukunft.
Das durfte ich also nicht vermasseln. 

𝑴𝒐𝒏𝒔𝒕𝒆𝒓 [𝐁𝐋]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt