-63- Jesus Christ

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Oh Jesus Christus.
Oh Gott.
Oh Fuck.
Tat er da, was ich dachte, dass er tat?
Ja, oder...?

"Kay Reyes..." fing er an, sein Blick fest auf mich gerichtet, und hielt die Schartulle vor sich.

Deshalb war er vorhin so nervös...
Da öffnete er die Schartulle vorsichtig und ich erkannte einen matt schwarzen Ring, geschliffen aus einer mir unbekannten Steinart darin.
Ein recht kleiner, glatter Diamant war darin eingearbeitet worden, in der Form zweier Buchstaben. K und V.
Kay... Vukasin.

Man konnte die Buchstaben klar lesen und trotzdem war der Ring nicht zu luxuriös, nicht zu aufwendig und auch nicht zu fade.
Er war... genau richtig.

"Ich bin kein Mann vieler Worte und auch kein Meister darin, zu sagen, was ich fühle..." begann Zale plötzlich, zu reden, und ich starrte ihn überfordert an.
Träumte ich?
Halluzinierte ich?
Trotz der Schwierigkeiten, die er offensichtlich durch die alte Narbe über dem Tattoo an seinem Hals beim Reden hatte, so nervös wie er wirkte, redete er weiter.
"Du bist jetzt schon sechs Jahre bei mir und falls ich es nicht geschafft habe, dir das zu vermitteln... Ich möchte, dass das auch so bleibt."

Er hielt inne und ich den Atem an.
Ich erkannte... Sorge auf seinem Gesicht.
Ein Schleier von Angst lag über seinen Augen und ich sah zu, als er die Ringschartulle mit seiner zweiten Hand nahm und mich nach einem tiefen Atemzug direkt ansah.
"Kay... Willst du mich heiraten?"

Mein Herzschlag dröhnte in meinen Ohren und meine Augen füllten sich mit heißen Tränen.
Ich... war überwältigt.
Zale Vukasin, so nervös und in Sorge, dass ich ihn verlassen könnte... dass ich nein sagen könnte.
Er zitterte sogar, so sehr kümmerte es ihn.
Und dabei fühlte ich überhaupt keinen Druck, ja zu sagen.
Niemand war hier, der uns sehen könnte.
Ich trug einen verdammten Pulli und kein Kleid, meine Hose war wahrscheinlich noch dreckig von gestern und trotzdem... kniete er vor mir, mit der Frage aller Fragen auf den Lippen.

Ich war so in Gedanken, dass ich schon fast vergaß, dass Zale auf meine Antwort wartete.
"Äh-!... Ja, natürlich!" rief ich, mit vor Aufregung brüchiger Stimme und stieß mich von der Bank nach vorne ab, unabsichtlich mit voller Wucht auf Zale.
Ich riss ihn aus dem Gleichgewicht und nach hinten, worauf er auf dem Boden und ich auf ihm drauf landete.

"Oh- tut m-mir leid!" murmelte ich, mein ganzer Körper vor Aufregung und Adrenalin ganz warm.
Zale musterte mich nur, mit einem sanften Lächeln auf den Lippen, und ich setzte mich auf seinem Becken auf.
Schluchzend wischte ich mir eine Träne aus dem Augenwinkel und lachte nervös.
Bei meinem unüberlegten Sprung nach vorne hatte ich die M&M-Packung versehentlich mitgerissen und die bunten Schokokugeln lagen nun überall verstreut.
Auf dem Boden, auf Zale, auf seinem Mantel.
Wahrscheinlich auch unter ihm.

"T-tut mir leid... das wollte ich nicht." mammelte ich nochmal und versuchte, meine Tränen zu unterdrücken.
Zale nahm meine Hand, entfernte den Ring aus der Schartulle, die er bei unserem Sturz schützend in seinen Händen versteckt hatte, und steckte ihn mir an.
Leise keuchend hob ich die Hand ins schwache Mondlicht und musterte den Ring.
Da schloss Zale seine Hand um meine und setzte sich etwas auf, sodass er nun mit mir auf Augenhöhe war.

Er wischte mir eine Träne von der Wange und ich schmiegte mich nervös lachend an seine vernarbte Handfläche.
"So emotional?" fragte er leise und ich seufzte über sein belustiges Lächeln.
Ich verdrehte nur die Augen, zog ihn zu mir und küsste ihn.

Seine Finger fuhren durch meine Haare und über meine Wange, während ich meine linke Hand mit seiner anderen verschränkte.
Der Ring an meinem Ringfinger fühlte sich kühl an und Zales warme Haut, die gegen meine drückte, jagte eine kribbelnde Gänsehaut über meine Arme.
Ich grinste in unseren Kuss und nachdem wir uns voneinander lösten, stützte ich meine Stirn gegen seine.

"Hah~... hehe..." "Wie fühlt es sich an, mit dem Boss der lokalen Mafia verlobt zu sein?" raunte Zale mir zu und ich gab ein überlegendes, provozierendes Grummeln von mir.
"Es ist... fantastisch."

.
Nur eine kurze Zeit später wurden wir von Zlata und Nandez abgeholt.
Und wie ich erwartet hatte, jubelte Zlata leise auf, als sie den Ring an meinem Finger sah.
Sie hatte es gewusst.
Und Nandez auch.
Die ganze Zeit.
Aber ich konnte auch den flüchtigen Blick, erfüllt von Stolz, nicht übersehen, den die braunhaarige Frau Zale zuwarf.

Belustigt versteckte ich ein kleines Lächeln und stieg mit Zale zusammen in den Bauch des Autos vor uns.
Ich kuchelte mich an ihn und ließ meine Hand in seiner ruhen.
Nach der ganzen Aufregung war ich hellwach.
Obwohl es schon fast zwei Uhr Nachts sein musste.

Immer wieder driftete ich mit den Gedanken ab, zu dem Moment, als Zale vor mir kniete.
Er hätte mir den Antrag auch in einem Luxusrestaurant machen können.
Oder auf einer Party.
Irgendwo, wo viele Leute waren und zusahen.
So wäre der Druck enorm gewesen, ja zu sagen... und es wäre ästhetisch schöner gewesen.
Aber ich hatte verstanden, dass Zale das nicht wollte.

Er hatte mir keinen Antrag gemacht, weil mir Gold so gut stand.
Er hat mich gefragt, weil ich... ich war.
Er hat sich diesen verzweifelten Bruder ausgesucht, der sich um sein eigenes Blut sorgte und die dreckige Straßenschlampe, die ich einmal war und zum Teil immer noch bin.
Zumindest in seinem Schlafzimmer.

Die ganze Fahrt nachhause verging wie im Flug und Zlata, die uns gegenüber auf der Rückbank saß, musterte uns beide seicht grinsend.
Trotz ihrer Professionalität konnte man ihr die Freude definitiv ansehen.
"Gratuliere, Kay." meinte sie fröhlich, als wir aus dem Auto stiegen und ging uns mit Nandez vorraus, zum Eingang des Hochhauses vor uns.
Auch Skandi, in unserer Mitte, kam mit und stiefelte Zlata gemächlich nach.

"Du bist hoffentlich noch nicht müde." raunte Zale mir ins Ohr und ich schüttelte den Kopf, bevor ich ihn schief legte und verwirrt zu Zale hinauf spähte.
Sag mir nicht, da gab es noch eine Überraschung...

Als wir dann zu viert den 32. Stock erreichten und die Tür des Geschosses öffneten, sprang mir diese Überraschung schon fast ins Gesicht.
Es war Silas.
Er öffnete die Tür und als er realisierte, dass ich den Ring trug, fiel er mir um den Hals.
"Na endlich!" rief er aufgeregt und sah mich dann direkt an.
"Ich dachte, du wärst nachhause gefahren." lachte ich und folgte ihm in den offenen Vorraum des Stockwerks hinein.
Hier hatte ich an Silvester vor sechs Jahren auch Zale abgefangen.

"Ich lass' mir sowas doch nicht entgehen." grinste Silas mich über seine Schulter an und im selben Moment fiel mir etwas auf.
Auch Valró war hier.
Und... es schien, als hätte er zusammen mit Silas den ganzen, enormen Raum dekoriert.
Kerzen erhellten die Nacht und einige Flaschen von gutem Alkohol standen neben ein paar Gläsern auf dem Couchtisch in der Mitte der Sitzmöbel.
Gold und rot schimmernde Girlanden waren hier uns dort aufgehängt worden, und Skandi machte sich sofort auf die Mission, eine der niedriger hängenden zu ihrer Beute zu machen.

Zlata, Nandez, Valró und Silas stellten sich vor mich und lächelten mich an.
Sie nahmen sich alle ein Glas vom Tisch und stießen an.
"Auf das zukünftige Ehepaar!"

Mit seichten Tränen in den Augen sah ich zu Zale hinauf und er lächelte sanft zurück.
"Wollen wir?" fragte er und deutete mit einer Handgeste auf den schön dekorierten, niedrigen Glastisch, der in der Raummitte stand.
Sogar ein paar Rosenblätter waren darauf verteilt.
Ich nickte und atmete tief durch.

Tränen hatte hier keinen Platz.
Das war eine Nacht zum Feiern.

𝑴𝒐𝒏𝒔𝒕𝒆𝒓 [𝐁𝐋]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt