-6- Shattered

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Zale schien so sehr in Gedanken zu sein, dass er Zlata und mich einfach vor dem riesigen, weit geöffneten Tor stehen ließ, das in das Anwesen führte.
Das Gebäude, geschmückt mit sanft leuchtenden Lampen und ausgestattet mit weißem Kies und grünen, dicken Grassreifen, ragte vor uns in die pechschwarze Nacht und ich sah Zale gerade noch darin verschwinden.

Hinter dem Tor, durch das Zlata mich begleitete, befanden sich links und rechts zwei weitere Gebäudeflügel, die mit den Haupthaus in der Mitte verbunden waren.
"Wow..." flüsterte ich und betrat neben der braunhaarigen Frau den rieselnden Kiesel.
Eine echte Villa, ganz in dunklen Farben wie Schwarz, Grau, Blau und seichtem Rot. Der Baustil erinnerte leicht an ein japanisches Großhaus... aber nur ein bisschen.

"Wo ist er?" ertönte ganz plötzlich Nandez' Stimme neben mir und ich schreckte zusammen.
"Im Haus... er ist-..."
Zlatas Erklärungsversuch wurde von einem lauten Krach unterbrochen und wir zuckten alle drei erschrocken zusammen.
Das hatte sich angehört als wäre etwas wie Glas oder Keramik zerbrochen.
Oder... zerschlagen worden.

"Was war das?" hauchte ich unsicher und Nandez meinte, das käme von Zale.
Kurz darauf war ein weiteres Krachen zu hören und auch danach immer weiter aggressive Laute.
Zale... nahm ja das ganze Haus auseinander. So hörte es sich zumindest an.
"Was ist los? Warum macht er das?" murmelte ich, meine Arme mittlerweile vor Kälte um mich selbst geschlungen, und sah Zlata an.
Sie seufzte, nahm ihre Sonnenbrille ab, und begegnete meinem Blick mit ihren grün leuchtenden, traurig schimmernden Augen.

"Das... ist eine lange Geschichte. Wir sollten ihn in Ruhe lassen, bis er sich beruhigt hat." meinte sie und ich sah sie verständnislos an.
"Passiert das etwa öfter?"
Auf diese Frage wandten sich sowohl Nandez, als auch Zlata ab und ich zuckte erneut zusammen, als ich ganz klar hörte, wie ein Gegenstand aus Glas auf den Boden geschleudert wurde.
Und dabei in tausende Stücke zerbrach...

Noch einmal sah ich die beiden anderen an, die neben mir standen und schüttelte den Kopf.
Vorsichtig trat ich vor und auf die Veranda des traditionellen Hauses, bevor ich die breite Schiebetür öffnete.
"Hey, warte!"
Noch bevor Zlata mich zurückhalten konnte, stand ich also zur Hälfte im Haus und musterte das Chaos, das sich mir gab.

Scherben lagen auf den Boden, schöne Vasen und Gegenstände wurden zerstört und zerschmettert, als hätte man mit einem Baseballschläger darauf eingedeppert.
Auf einigen Regalen standen auch noch heile Vasen, schöne, handgeschlagene Figuren von Tieren oder Personen und Uhren, Bilder und einige Bücher.
Ein sehr großer Raum, voll von Sachen und Scherben.
Und mittendrin stand Zale.

Im Moment in dem ich hinein trat, traf seine Faust gegen eine alte, große Vase, weiße Keramik, bestrichen mit blauen Verzierungen.
Sie zerbrach sofort in hunderte Scherben und ich hörte Zale laut auffluchen.
Er hatte sich verletzt.

"Hey! Was soll das werden!?" rief ich unüberlegt und trat näher an ihn heran, worauf er sich an mich wandte.
Mir fiel sofort auf, dass Blut von seinem Arm, auf den Boden tropfte.

Ich sollte mich nicht einmischen.
Still sollte ich sein und warten.
Sobald ich das Geld hatte, sollte ich mich aus dem Staub machen und Zale vergessen.
Aber wie...
Wie sollte ich die Leere vergessen, mit der mich seine Augen musterten?

"Du tust dir nur weh... hör auf damit." meinte ich leise und trat einen Schritt in das Haus.
Vor den Scherben blieb ich stehen.

Zale gab nur ein tiefes Grummeln von sich und drehte sich von mir weg.
Er sah sich seinen Arm an und begann, mit seinen Fingern argwöhnisch gegen seinen Schenkel zu tippen.
Mir war es, als wäre er gerade nicht ganz da. Er schien unberechenbar.

Das wurde mir auch klar, als er ganz plötzlich herum fuhr und eine weitere Vase, rot gestrichen und mit goldenen Rändern, von einem Regal, auf den Boden schleuderte.
"Hey!"
Ich würde ihn mit Worten nicht erreichen, das war mir klar. Also stieg ich nach vorne und schob mit meinen Füßen die Scherben zur Seite.
Gottseidank trug ich noch meine festen Schuhe.

Ich suchte mir also an den scharfen Bruchstücken von Keramik und Glas einen Weg vorbei, und kam schließlich nahe genug an Zale ran.
Er hielt sich seinen Kopf und fasste andauernd an das Tattoo an seinem Hals, während er nervös hin und her ging.

"Zale! Hey, sieh mich an." meinte ich, möglichst ruhig und griff nach seiner Hand, als er im selben Moment zur Seite ausschlug.
Ich zuckte weg, stolperte und stützte mich versehentlich auf ein paar Scherben, die sich über ein Regal verteilt hatten.
"Ah! Scheiße!" fluchte ich und sah mir die kleinen Scherben in meiner Haut an, während das Blut bereits daraus hervor quoll.
Zale hatte nichts davon bemerkt und holte zu einem weiteren Schlag, auf eine große Glasfigur, aus.
Er würde sich ernsthaft verletzen, würde er sie wirklich zerstören.

Ohne also darüber nachzudenken, packte ich seine Hand, stieg vor ihn und reckte mich hinauf, worauf ich ihn küsste.
In seiner unbeholfenen Bewegung blieb er an meinem Kleid hängen und zerriss den Stoff an meiner linken Seite, noch bevor er den Kuss erwiederte.
Überraschenderweise konnte ich ihn damit ablenken.

Ich legte meine Arme um seinen Nacken und zog ihn zu mir, blendete meine Schmerzen aus und ging mit seinen leichten Bewegungen mit.
Ich hatte Mühe, nicht aufzuatmen und Luft zu holen, aber ich blieb in unserem intensiven Zungenkuss und kniff die Augen zusammen.
Sofort schlichen seine Hände über meinen Körper, unter den zerissenen Stoff des Kleides und ich lehnte mich ihm entgegen.
Auch, wenn er mir Angst machte, ich wollte nicht, dass er sich verletzte. Er schien, zu leiden.
Warum auch immer, das wusste ich nicht. Aber es musste mit seinem Vater zusammen hängen.

Kurz darauf lösten wir uns voneinander und ich keuchte nach Luft auf.
"Oh... haa...~"
Meine Arme hatte ich noch immer eng um Zales Nacken geschlungen und ich spürte die warme Flüssigkeit, die von seinem Unterarm, auf meine Taille tropfte.
Ganz vorsichtig trat ich zurück und nahm seine Hand in meine, um seine Verletzung ansehen zu können.

"Das sieht schmerzhaft aus." flüsterte ich und sah dann zu ihm auf.
Und dieser Blick, mit dem er mich ansah...

Seine Augen waren starr auf mich gerichtet und ich hielt bei der Gier in seinem Blick inne.
"Ähm..."
Nervös sah ich ihm entgegen und versuchte, nicht vor Angst weg zu sehen.

Im nächsten Moment beugte Zale sich plötzlich vor und hob mich hoch.

"Uh- was machst du da? Du bist verletzt!" rief ich überrascht, als ich merkte, dass ich in seinen Armen und direkt auf dem Schnitt in seinem Fleisch lag.
Zale erwiederte nichts und trug mich wortlos durch den mit Scherben befüllten Raum, durch eine Tür, in ein anderes Zimmer.

Ein edles, großes und dunkel gehaltenes Schlafzimmer.

𝑴𝒐𝒏𝒔𝒕𝒆𝒓 [𝐁𝐋]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt