-62- Beautiful things

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Das Essen war himmlisch.
Der Wein war göttlich.
Die Aussicht wunderbar...
Und die Gesellschaft angenehm.

So entspannt war ich schon eine Weile nicht mehr.
"Haaah... das war so gut!" stammelte ich zufrieden und legte das Besteck beiseite, nachdem ich meine Fischstäbchen mit Kartoffelsalat und wunderschön dekorierter Kräutersoße verspeist hatte.
Auch Zale war mit seiner Speise bereits fertig und wir bestellten uns eine kleine Nachspeise.
Ich nahm einen Becher mit zwei dekorierten Kugeln Eis und Zale ließ für beide unserer Tische den Wein nachbestellen.
Er war noch nie ein Fan von Süßem.
Außer M&Ms.
Die... mochte er.
Warum auch immer.

Also bekam nur ich einige Minuten später ein Desert serviert.
Ich dankte dem Kellner, nippte nochmal an meinem Weinglas und nahm den Eislöffel.
"mmmh..." gab ich von mir und schmolz dahin, wie das Eis auf meiner Zunge, als ich es schmeckte.
"Gefällt es dir?" ertönte Zales tiefe, raue Stimme plötzlich vor mir und er rieb sich etwas zögernd über die Narbe quer über seiner Kehle.
Manchmal hatte er auch jetzt noch Schwierigkeiten mit den Narben und Langzeitfolgen der Verletzungen von damals.
Aber er war ein tapferer Junge.

Würde ich ihm das sagen, würde er mich umbringen...

Ich räusperte mich und nickte lächelnd.
"Ich liebe es." mammelte ich und löffelte weiter.
Zale sagte mir derweil etwas.
"Ich möchte dich heute noch wohin bringen."
Darauf hielt ich inne und sah ihn neugierig an.
Auch Skandi, die es sich auf meinem Schoß bequem gemacht hatte, reckte ihren Kopf über die Tischkante.

"Wohin denn?"
"An einen Ort." gab er trocken zurück und ich verstand, dass er es mir nicht sagen wollte.
Aber ich war neugierig.
"Was gibt es da?" fragte ich herausfordernd und er antwortete.
"Luft zum Atmen."
"Und?"
"Einen Boden zum Gehen."
Verzweifelt fragte ich noch einmal und Zale meinte verschmitzt "Das wirst du schon sehen. Iss in Ruhe auf, dann gehen wir."
Ich gab auf und löffelte weiter an meinem Eis.
Ich hatte noch nie eine Diskussion gegen ihn gewonnen und noch nie bekam ich etwas aus ihm heraus, bevor er ausdrücklich wollte, dass ich es wusste.
Frustrierend.

Seufzend gab ich es auf und warf einen Blick zur Seite, auf die wunderschöne Aussicht, die sich neben uns erstreckte.
Die Sterne funkelten so matt hell.
So glänzend.
Der abnehmende Mond, der den Himmel schmückte, stach heraus und strahlte ein schwaches Licht auf die Stadt unter uns.

Einige Minuten später war ich damit fertig, meine Nachspeise zu löffeln und Zale holte einen Kellner, um zu bezahlen.
"Sie bezahlen für beide Tische, ist das richtig, Sir?" fragte die nette Kellnerin, die zu uns kam, und Zale nickte.
"Gut... das wären dann 724 $."
Darauf verschluckte ich mich fast an meinem nachbestellten Glas Wasser und auch Zale schien überrascht.
Bis... wir unserem Nachbartisch ein paar Blicke zuwarfen.

Nandez, Zlata und Silas schienen, sich recht satt und glücklich gegessen zu haben.
Auch getrunken hatten sie reichlich.
Da seufzte Zale laut auf und holte eine schwarze Kreditkarte aus seiner Manteltasche.
Darauf las ich »American Express«.

.
Eine Zeit später hatten wir den Jadetower-Skyhigh verlassen und ich saß neben Zlata im Buch der Limosine.
Zale hatte sich neben Nandez auf den Beifahrersitz gesetzt.
Silas war nach dem guten Essen nachhause gefahren und schlafen gegangen.

"Gut, da wir das jetzt hätten... willst du dich nicht umziehen?" fragte sie freundlich lächelnd und deutete auf einen ordentlich zusammengelegten Haufen Gewand neben mir, auf der Rückbank.
Ich nickte nur gähnend und klippte die Haarklammer aus meinen Haaren, bevor Zlata mir half, den Reißverschluss meines Kleides zu öffnen.
Währenddessen vergnügte Skandi sich mit einem der kleinen Katzenspielzeuge, die wir im Innenraum des Autos angebracht hatten.

Mit Zlatas Hilfe zog ich das schulterfreie, schwarz-rote Kleid aus und saß nun nur in meiner Boxer vor ihr.
Mich im Auto umzuziehen war schon fast zur Gewohnheit geworden, also störte es weder mich, noch sie.
Darüber waren wir schon lange hinweg.

Zlata reichte mir also eine bequeme, komplett schwarze Joggingshose und schließlich meinen Lieblingspulli, mit roten Bändern an den Schultern, bis zu den Seiten, und einem weißen Unterstoff.
Ich kuschelte mich dort also hinein und lehnte mich dann an die Wand des Autos, um aus dem Fenster zu sehen.
Die Häuser der Stadt zogen an mir vorbei, manche so schwarz wie der Nachthimmel im Hintergrund.
Manche leuchteten, hell wie die Sterne selbst.

Ich gähnte nochmal und sah weiter hinaus.
Aber da fiel mir etwas auf... 
Wir fuhren gar nicht nachhause.
Und da ich mich umziehen konnte, würde Zale mich auch nicht auf eine fancy Party oder dergleichen bringen.
Wo wollte er mich also hin bringen...?

"Wo fahren wir hin?" wandte ich mich an Zlata, aber sie schüttelte den Kopf.
Dabei konnte sie sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Zale spähte von vorne zu uns nach hinten und musterte mich kurz, bevor er sich wieder umdrehte.
Er wusste, Zlata würde es mir nicht sagen.

Beleidigt verschränkte ich die Arme vor der Brust und musterte Skandi.
Ich war es einfach nicht gewohnt, nicht zu wissen, wo es hin ging.
Und jetzt hatten die beiden auch noch ein Geheimniss vor mir.
Gemein.

"Wir sind da." riss mich Nandez' Stimme plötzlich aus den Gedanken und ich schreckte hoch.
Ich hatte gar nicht bemerkt, wo wir waren.
Am...
Am See?

"Du wolltest mich zum See bringen?" fragte ich Zale neugierig, als ich aus dem Auto stieg und er schloss hinter mir die Tür.
Er nickte nur still und ich nahm seine Hand.
Ich hatte Skandi im Auto gelassen.
Sie hatte sich schon auf der Rückbank schlafen gelegt und war sicher müde.
Also war ich mit Zale... komplett allein.

Als wir ein bisschen gegangen waren, und auch das Auto hinter uns nicht mehr in meiner Sichtweite war, hatten wir den See erreicht.
Zale hatte mich jedes Jahr an unserem Geburtstag hier her gebracht und eine ruhige Zeit mit mir verbracht.
Ohne all den Luxus.
Nicht im Abendkleid, sondern im Sweater.
Nicht mit Gold um den Hals, sondern einem Schal.
Aber heute...?
Heute war nicht der 18. Dezember.
Der war noch eine Weile nicht.

Ich folgte ihm also zu einer der Bänke und wir setzten uns darauf.
Fest an ihn gekuschelt zog ich mich zusammen und Zale legte ein Stück seines langen Mantels über mich, um mich zu wärmen.

Still saßen wir nebeneinander und ich musterte die spiegelnde Wasseroberfläche vor uns.
Zales Blick jedoch, ruhte auf mir.
Bis er etwas aus seiner Tasche zog und es mir gab.

Eine gelbe... M&Ms-Packung?
"Huh...? Oh, danke." meinte ich verwirrt und nahm die Packung entgegen.
Das hatte er sonst nie gemacht.
Außer dieses eine Mal, vor sechs Jahren.

Ich riss die Packung auf und nahm mir eines der kleinen Schokokügelchen.
Da bemerkte ich aber etwas...
Mit meiner rechten hielt ich Zales Hand. Aber er zitterte kaum merklich.
Was war los?
Er hatte erst gestern einige Stunden... »geschlafen«.
So schnell wurde er nicht müde.
Und kalt konnte ihm auch nicht sein.
Immerhin war ihm mit diesem Mantel wärmer als mir und ich fror nicht.
Was war es dann?
Verwirrt sah ich zu ihm auf und traf seinen Blick, der die ganze Zeit auf mich gerichtet war.
Sein Atem war so zittrig...
Er war so unruhig.

Sekunde...
War er etwa... nervös?
Zale Vukasin?
Nervös?

Gott, nein.
Ich musste halluzinieren.

Seufzend wandte ich den Kopf ab und mammelte noch eines der M&Ms.
Da ließ Zale aber meine Hand los und stand auf.
Ich wollte ihm automatisch folgen, aber er drehte sich auf einmal zu mir um und deutete mir, sitzen zu bleiben.

Verwirrt sah ich ihn an und beobachtete.
Er ging direkt vor mir nach unten, stützte sich auf ein Knie, und holte etwas aus seiner Manteltasche.

Ein Schartulle.
Eine verdammte... Ringschartulle.

𝑴𝒐𝒏𝒔𝒕𝒆𝒓 [𝐁𝐋]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt