-43- Shining diamond

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"Ich hab' dir ja bereits einmal erzählt, wie Ruana gestorben ist und wie die Beziehung zwischen Zale und seinem Vater seit dem aussieht." fing sie an, zu reden, aber ich stoppte sie kurz.
"Ja, hast du... aber du hast mir nie erzählt, wie du überhaupt in die Organisation gekommen bist. Du sagtest, du wärst neu und verängstigt zu der Zeit." meinte ich und sie nickte.
"Das stimmt wohl... Meine Eltern und ich sind damals aus der Ukraine geflohen, da sie massive Geld- und Spielschulden hatten. Aber auch hier hat sich mein Vater schnell Schulden bei der Huntback Mafia angehäuft und um ihr Leben zu behalten, haben meine Eltern mich mit 13 Jahren an Zales Vater verkauft. Seit dem ist die Huntback Mafia mein Zuhause."
Sie lächelte so sanft und erzählte es so entspannt, als wäre das das Normalste der Welt.
Wirklich... herzlose Eltern.

"Wow... das tut mir leid..." "Entschuldige dich nicht für etwas, das du nicht kontrollieren kannst. Ich bin von damals an so aufgewachsen und mit der Zeit habe ich Nandez und Valró kennengelernt. Ich hab' mein neues Zuhause lieben gelernt." wandte sie mein Mitleid ab und sich wieder Zales Geschichte zu.
Ich verdrängte meine verworrenen Gedanken und hörte ihr weiter zu.
Sobald ich alles wusste, würde ich darüber nachdenken.
Keine Missverständnisse mehr.

"Mit Ruana ist auch Alessrás Liebe zum Leben gestorben und er hat auch die Organisation langsam aufgegeben. Er wurde paranoid und glaubte, sie wäre Schuld am Tod seiner Liebe, weil sie Zale als Nachfolger gebähren musste, und so weiter... jedenfalls hat er sich in diese Gedanken hineingesteigert und fing an, Zale zu verletzen und von Grund auf zu vernachlässigen."
Zlata redete und redete und mir wurde immer mehr klar, was für eine Art von Leben Zale eigentlich hatte.
"Als Zale älter wurde und mit seinen anwachsenen Pflichten in der Organisation mehr zu tun hatte, wurde der Kontakt zwischen den beiden immer weniger und Alessrá kam auf eine Idee..."
Hier machte sie eine kleine Pause und sah Zale still an.
Ich ließ ihr die Zeit und wartete.

"Jedes Jahr, am Todestag seiner Mutter, würde Alessrá ihn zu sich holen und für mehrere Stunden gnadenlos foltern und verausgaben, um ihn daran zu erinnern, was er anscheinend getan hat... Ich warte jedes Jahr darauf, zu erfahren, wo es dieses Mal passiert ist, und hole ihn danach ab. So hat Zale auch sein Auge verloren... Als er noch ein Kind war, hat Alessrá es ihm mit einem angeheizten Ovenstahl ausbrennen lassen. Ich... stand daneben... und konnte nichts tun." erklärte sie und ich riss die Augen auf.
Wie konnte jemand so grausam sein?
Seinem eigenen Kind so etwas antun...

"Das hätte Zale fast nicht überlebt. Er lag eine Woche im Koma und musste aufgrund seiner anderen Verletzungen beatmet werden. Aber er hat sich zurück gekämpft."
Leise seufzend sah Zlata mich direkt an und fuhr fort.
"Als wir uns mit den Beverleihs getroffen haben, war Alessrá auch da." "A-aber ich dachte, er ist krank?" warf ich ein und Zlata nickte.
"Das ist er auch. Aber sein Zustand muss sich schlagartig verbessert haben... Jedenfalls war er nach dem schiefgegengenen Deal natürlich sehr wütend und als Zale heute früh verschwand, wusste ich, dass sein Vater ihn zu sich bringen hat lassen. Alessrá wollte seinen Sohn und die Organisation zusammen mit sich selbst in den Abgrund reißen. Er hatte dermaßen an Ruana gehangen, dass er glaubt, ihm bliebe nichts anderes mehr..."

Und das hatte Alessrá einfach alles auf seinen Sohn geschoben.
Ruanas Tod... war der Auslöser einer einzigen Hölle für jeden, der ihr nahe stand.
Oder... es hätte tun sollen.

"Wow..." war alles, was mir mein Vokabular gerade erlaubte und ich sah Zlata an, die bereits an mir vorbei und über Zale hinweg, in eine tiefe Leere starrte.
"Ja... ich hätte nie erwartet, dass all das derartig ausarten könnte." murmelte Zlata und ich bemerkte die Müdigkeit in ihrem Blick.
Leise wandte ich mich ab und ließ sie etwas in Ruhe.
Wir mussten nicht reden.
Und mir war auch nicht wirklich danach.
Zumindest bis ich wusste, wie es im Moment um Zale stand.

"Wie... geht es ihm jetzt? Schafft er das?" fragte ich leise in die dunkle Nacht und musterte Zale.
"Seine schlimmsten Verletzungen sind zwei Schussverletzungen im Oberkörper, eine Wunde durch dumpfe Gewalteinwirkung am Kopf und... Alessrá hat versucht, seine Kehle durchzuschneiden." antwortete sie und als ich das hörte, fuhr ich herum.
"Seine Kehle...? S-sollte Zale nicht tot sein?" "Der Schnitt geht nicht ganz durch. Aber reden wird er eine Weile nicht können, sollte er aufwachen." gab Zlata zurück und ich starrte sie erschrocken an.
"Sollte? Heißt das, er-..." "Mach dir nicht so viele Gedanken, Kay. Weder du, noch ich oder die Ärzte können ihm jetzt noch helfen. Das ist jetzt sein Kampf. Und du... solltest ins Bett." unterbrach sie mich müde und stand auf.
Ich schloss meinen Mund und stutzte.
Sie hatte recht...

Betrübt musterte ich Zale, als mir etwas Schimmerndes auf einem Regal neben seinem Bett auffiel.
"Was ist das...?" murmelte ich und legte den Kopf schief.
"Oh..." hörte ich Zlata hinter mir, stand auf und ging um Zales Bett herum, zu dem kleinen Regal.
Eine blutverschmierte Halskette...

"Das hab' ich ganz vergessen... Zale hat mich gebeten, die zu waschen. Als ich ihn abgeholt habe, hatte er sie dabei." meinte Zlata hinter mir und kam neben mich gehumpelt.
Ich bestaunte die schimmernde, silberne Kette, mit dem leicht bläulich leuchtenden Anhänger...
Eine, vielleicht, aus Kristall geformte Wolfskralle?
"Ist das Kristall?" "Nein... das war mal ein Diamant." lächelte Zlata und ich sah sie erschrocken an.
"Bitte?! So groß?" stammelte ich und musterte den Anhänger.
Die Kralle war ungefähr genauso lang wie die Hälfte meines Zeigefingers.
Und dieses helle, blaue Glänzen mit dem Schimmer von Rot, den das Blut an der Kette widergab...
Wunderschön.

"Warum hatte er die Kette überhaupt dabei?" fragte ich und beobachtete, wie Zlata sie aufhob und hinüber, zu einem kleinen Waschbecken an der Zimmerwand trug.
Ich folgte ihr und sie fing an, die Kette zu waschen.
"Er hatte sie in der Hand, als ich ihn von Alessrás Standort aufgelesen habe." erklärte sie und rieb vorsichtig die dunkelrote Flüssigkeit von dem Schmuckstück.
"Als ich ihn gefragt habe, was er damit vor hat... konnte er nicht mehr sprechen. Aber er hat versucht, etwas zu sagen... und zwar deinen Namen, Kay."
Was wollte sie damit sagen?
"Ich glaube, er wollte dir die Kette zum Geburtstag schenken." seufzte sie und mir blieb die Luft weg.

Mir...?
Schenken?
Dieses Ding war sicher mehrere Millionen Dollar wert...
"Ich glaube, der Diamant, der das vorher einmal war, hat ungefähr... ich weiß nicht... vielleicht so 10 Millionen Dollar gekostet?" murmelte Zlata abgelenkt und hob die Kette ins schwache Mondlicht, das durch ein Fenster herein schien.
Sie glitzerte.
"Woah... und sowas Wertvolles will er mir schenken?" säuselte ich ungläubig und musterte den nass schimmernden Diamanten.
Dann drehte ich mich um und beobachtete Zale.

Im spärlichen Mondschein wirkte seine Haut so blass.
Er sah so ruhig aus.
So entspannt.
Als würde er einfach schlafen.
Als wäre es klar, dass er am nächsten Morgen aufwachen würde.
Er sah so... friedlich aus.

"Zlata... kann ich die Kette mitnehmen?" fragte ich die Braunhaarige neben mir und sie sah mich überrascht an.
"Natürlich. Hier." war alles, was sie entgegnete, und sie drückte mir das Schmuckstück in die Hand.
Sie vertraute mir anscheinend sehr.
"Du wirst doch kaum etwas stehlen können, was sowieso für dich bestimmt ist." lachte sie, als sie meinen Blick bemerkte, und ich zuckte die Schultern.
Da hatte sie wohl recht.

Ich hing die silberne Kette um meinen Hals und klippte den kleinen Verschluss zu.
Meine Hand ruhte auf dem Anhänger und ich warf Zale einen letzten Blick zu, bevor ich mich an Zlata wandte.

"Na gut... wir sollten zurück gehen. Ich bin doch ziemlich müde." schmunzelte ich und sie sah mich belustigt an.
"Du hast recht, gehen wir. Zale kommt schon zurecht. Das tut es immer."

𝑴𝒐𝒏𝒔𝒕𝒆𝒓 [𝐁𝐋]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt