Im Südosten des reichsten Viertel unserer Stadt befand sich ein enorm großer See, der von angepflanzten Bäumen und natürlichen Waldstücken umgeben war.
Um den See herum war das Bodengebiet gesperrt und zu einem Park erklärt worden, sodass niemand etwas daneben bauen konnte.
Es war eine sehr schöne Umgebung.
Meine Mutter hatte Silas und mich manchmal zu einem Spaziergang dorthin mitgenommen, um eine Pause von unserem Vater zu haben.
Das letzte Mal war ich dort noch vor ihrem Tod vor ein paar Jahren gewesen.
Danach... nie wieder."Hättest du was dagegen, wenn wir dort kurz vorbeischauen?" fragte ich Zale und deutete an ihm vorbei, auf den kleinen, offenen Straßensupermarkt.
Wir mussten zuerst durch die Geschäftsstraßen der Stadt gehen, bevor wir zum See gelangen konnten.
Die Geschäfte hier waren oft teilweise auf die Straße ausgeweitet und hatten bis spät in die Nacht geöffnet.
Also perfekt für einen kleinen Zwischenstop.Zale folgte mir, als ich in den überdachten Laden ging und bückte sich hinter mir durch die Tür.
Dieses Mal passte er extra etwas auf, da Skandi auf seinen Schultern lag.
Sie wollte Zale wohl nicht verlassen und war einfach auf ihn gesprungen, wie sie es bei mir oft tat.
Also hatte er sie mitgenommen.
Er trug einen schwarzen, langen Mantel und sah im Großen und Ganzen, auch mit Skandi, ziemlich düster und beängstigend aus.
Die Leute in der Umgebung schienen auch, ihn zu kennen, und gingen ihm aus dem Weg.
Etwas belustigte mich das alles schon.Zale folgte mir dicht auf und ich konnte ihn nahe hinter mir spüren, während ich mich vor einigen Regalen mit Snacks einfand und mich umsah.
Vor meiner Nase trohnten Snickers, M&Ms, Skittles und sogar Duplos... Schokokekse, Knopers, und daneben ein Regal voll von Süßgetränken und Geschmackswasser.
Mir persönlich sprangen ja die M&Ms ins Auge.
"Hm..." gab ich leise von mir und musterte die kleine, gelbe Packung.
Da lehnte Zale sich neben mir nach vorne und hielt seinen Kopf neben meinem.
Auch Skandi reckte sich vor und schnupperte an mir.
"Willst du die?" fragte er und ich wollte gerade danach greifen, als sich jemand plötzlich neben uns stellte und eine Packung Snickers aus dem Regal nahm.
Ich erkannte im Augenwinkel, dass die Person einen dunklen Anzug und eine Sonnenbrille trug, neben einem Stöpsel im Ohr und einem Mikro an der Wange.
Definitiv ein Bodyguard.
Und... diese Frau kam mir seltsam bekannt vor.Ich nahm meine Hand zurück, ohne die M&Ms zu nehmen, und sah der Frau nach.
Direkt neben uns machte der Gang eine Biegung und etwas kam daraus hervor gerollt.
Oder jemand... im Rollstuhl.
Astara... Beverleigh...Die Bodyguard-Dame legte ihr die Snickers auf den Schoß und stellte sich dann hinter den Rollstuhl.
Währenddessen musterte ich das ehemalige Model und stockte.
Sie sah... schrecklich aus.
Über ihren Beinen lag eine dicke, dubkelgrüne Decke und ihre Hände hatte sie darunter vergraben.
Ihre sonst so vollen und seidigen Haare waren zerzaust und fettig, ihre Haut dreckig und ihr Gesicht ungeschminkt. Dabei konnte ich dicke Ringe unter ihren gläsernen Augen sehen und bemerkte, dass ihr Blick leerer wirkte, als der einer Leiche.
Sie bemerkte uns zuerst gar nicht.
Obwohl... wir keine zwei Meter von ihr entfernt standen.Ganz plötzlich fing mein Herz an, zu rasen und meine Hände begannen, zu zittern.
Mir wurde ganz heiß...
Ich wusste von Zlata, dass Zale ihr durch einen Schuss ihre Beine genommen hatte. Ich hatte mir das oft vorgestellt... wie ihr Leben jetzt aussehen könnte...
Aber sie nach all der Zeit tatsächlich wieder zu sehen... weckte Erinnerungen.Instinktiv sah ich mich nach Zale um und wich etwas von Astara zurück.
Zale starrte sie ebenfalls an, in seinen Augen nur pure Kälte, aber auch ein Hauch von Belustigung.
Er genoss ihr Leid.
Und das störte mich auch nicht. Ich kannte Zale... aber sie zu sehen, das... brachte mich einfach aus dem Konzept.Da wandte Astara plötzlich den Kopf zu uns.
Sie hatte uns bemerkt.
Und starrte uns nun still an.
Bis... eine Träne über ihre Wange rollte.Was...?
Sie weinte.
Aber zeigte keine Reaktion.
Alles, was sich tat, waren ihre Tränen, die ununterbrochen hervorquollen.
Ihr Blick war immer noch so... leer.Das konnte ich mir einfach nicht ansehen.
Die Erinnerungen... und der Fakt, dass Astara aufgrund von Zale und mir alles verloren hatte.
Trotz dem, was sie mir antat, fühlte ich mich schlecht.Schwungvoll drehte ich mich um und ging an Zale vorbei.
Er folgte mir still und ich rannte schon fast aus dem Geschäft, ohne auch nur ein einziges Mal zurück zu sehen.Mit zusammengebissenen Zähnen stiefelte ich also nun die Straße entlang, mit meinen Händen in den Seitentaschen der Jacke, die ich von Zale hatte.
Die Leute auf der Straße gingen mir aus dem Weg.
Immerhin war Zale direkt hinter mir.
Im Moment war mir das aber egal.
Ich kämpfte mit mir selbst.
Und den heißen Tränen, die meine Augen langsam füllten..
Eine Zeit später hatten wir den See erreicht und uns auf einer der Bänke im Park darum herum niedergelassen.
Ich hatte den ganzen Weg über nichts gesagt und Zale und Skandi praktisch ignoriert...
Das tat mir leid...
Eigentlich wollte ich ein bisschen schöne Zeit mit ihm verbringen, aber Astara brachte mich einfach durcheinander."Tut mir leid, dass ich nichts gesagt hab'... Ich bin nur ein bisschen durcheinander." seufzte ich leise und lehnte mich zu Zale, der neben mir auf der Bank saß, und mit mir den See musterte.
Es war ein wunderschöner Anblick.
Im Wasser spiegelten sich Mond und Sterne, hinterlegt und überzogen vom warmen, dämmrigen Licht der Straßenlaternen, die die Wasseroberfläche und die Wege daneben beleuchteten.Zale sah mich aus schmalen Augen von der Seite aus an und ich wandte mich zu ihm.
Skandi hatte sich auf seinen Schultern schlafen gelegt.Betrübt erwiderte ich also seinen Blick und wollte mich nochmal entschuldigen, da zog er etwas aus der Seitentasche seines Mantels und reichte es mir.
Etwas Raschelndes, Gelbes...
Die M&M-Packung, die ich mir nehmen wollte.
Hatte er sie etwa... einfach mitgenommen?
Gestohlen?
Für mich...?Überrascht sah ich die kleine Packung an und nahm sie ihm ab.
"Danke..." murmelte ich und öffnete die Packung.
Ich nahm mir ein paar M&Ms heraus und dann Zales Hand in meine.
"Hier." meinte ich und gab ihm ein paar der kleinen Schokolinsen.
Zuerst starrte Zale sie nur verwirrt an, bis ich leicht lächelnd meinte, dass er sie in Ruhe essen könnte.
Vorsichtig kostete er also eines und ich sah ihm zu.
"Sag nicht, du hast noch nie M&Ms gegessen."Sein ertappter Blick ließ mich seufzen und ich legte die Packung in seinen Schoß, bevor ich mich näher an ihn kuschelte.
Er legte seinen Arm um mich und wir sahen beide wieder nach vorne, auf die spiegelnde Wasseroberfläche und mit meinem Lieblingssnack in der Hand..
Das war ein schönes Gefühl...
Wirklich sehr beruhigend.
Ich konnte die Erinnerungen an all diese schlechten Zeiten einfach für ein paar Momente zur Seite schieben und vergessen.
Alles, was zählte, war Zales Hand, die mich sicher hielt und seine halb blinden Augen mit denen er mich immer so ansah.
Das Funkeln in seinem Blick, sei es gefährliche Mordlust oder unstillbares Verlangen...
Ich liebte alles daran.
Alles an ihm.
Auch seine schlechten Seiten.Ich liebte diesen Mann.
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𝑴𝒐𝒏𝒔𝒕𝒆𝒓 [𝐁𝐋]
RandomIn dieser Umgebung war das Leben hart, besonders wenn man von Anfang an nichts hatte. Das erlebten auch Kay und sein Bruder Silas aus nächster Nähe, die schon einige Jahre allein in diesem armen Viertel zurecht kommen mussten. Umgeben von Kriminel...