-26- Sick stories

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Ich bemerkte die schnell vergehende Zeit gar nicht, während ich bei Zale im Bauch des Autos saß.
Hier, in der nahen Umgebung der Parkgarage, in der die Limosine stand, war kein Mensch.
Auch, wenn sicher hinter den vielen Türen und den Wänden mehrere Wachen standen, waren wir ziemlich unter uns.

Seufzend musterte ich Zale also weiter und streichelte über seine Wange.
Mit dem Daumen kam ich über eine raue Einebnung in seiner Haut. Direkt über seine leicht aufgeplatzten Lippen zog sich eine ältere, blasse Narbe. Eine von vielen.
Vorsichtig strich ich darüber und seufzte.
Er hatte viel erlebt.
Das zeigten die zahllosen Narben, überall auf seinem Körper.

Auch das Schlangentattoo um seinen Hals begutachtete ich noch einige Minuten, bis mir einfiel, dass ich Silas zurückrufen sollte.
Also holte ich mein Handy und kauerte mich auf dem Autoboden zusammen.
Irgendwie war mir sehr kalt. Und etwas Kopfweh machte sich bemerkbar.

Ich schaltete mein Handy an, und... kein Akku.
"Das kann doch nicht-... ugh...!" grummelte ich und sah das schwarze Display mit dem rot blinkenden Batteriesymbol an.
Ich fühlte mich verarscht. Sehr.
Verzweifelt steckte ich es wieder ein und stellte mir meinen Tod vor meinem geistigen Auge vor.
Silas würde mich umbringen. Er machte sich bestimmt Sorgen.

Während ich mir so vorstellte, wie das süße Leben aus meinem Körper schwinden würde, zog ich mich nur noch mehr zusammen und die langen Ärmel des Pullis über meine Hände.
Mir war wirklich kalt. Und ich war immer noch müde.

Murrend stand ich von meiner sitzenden Position auf und starrte Zale vor mir an.
Die Decke über ihm sah warm aus... vielleicht könnte ich mich etwas dazulegen?
Plötzlich fuhr ein kalter Schauer über meinen Rücken und ich zuckte vor Kälte zusammen.
Was war das?
"Puh... k-kalt..." murmelte ich und nahm das Ende der Decke vor mir.
Zale schlief tief und fest, ob ich neben ihm lag, sollte ihn wenig kümmern. Also legte ich mich vorsichtig vor ihn und hob seinen Arm über mich.
Mit der Decke und seiner Körperwärme fühlte ich mich gleich viel besser.
Es war, als würde er mich umarmen und an sich drücken.

Etwas entspannter schloss ich die Augen, nur um sie wieder zu öffnen, als ich spürte, dass Zale sich bewegte.
Er zog mich auf einmal näher zu sich und drückte sein Gesicht in meinen Nacken, wobei ich ungewollt auflachte.
Das kitzelte.
Nur Momente später richtete er sich hinter mir auf und da ich mich nicht mehr an ihn lehnen konnte, drehte ich mich auf den Rücken.
Zale war nun über mir und sah mich still an.

"T-tut mir leid, ich w-wollte d-dich nicht w-wecken..." meinte ich schnell, ziemlich überrascht über das Zittern meiner Stimme.
Zale zog eine Augenbraue hoch und setzte sich ganz auf.
"Setz dich hin." raunte er, seine Stimme tief und erschöpft, noch vom Schlaf.
Ich tat, was er wollte, und spürte sofort die Müdigkeit und Kopfschmerzen. Diesmal etwas stärker.
"Ah... aua..." murmelte ich und rieb über meinen Nasenrücken.
Zale nahm meine Hand weg und drückte seine Handfläche plötzlich auf meine Stirn.

Wir hielten ein paar Sekunden so inne, bis er laut aufseufzte.
"Was?" "Du hast Fieber." entgegnete er und ich stockte.
Oh...
"Oh..."
Gestern war ich wohl doch zu leicht bekleidet gewesen.
Und der nasse Stoff und die Aufregung waren wohl zu viel für mich...

"Ich... sollte nachhause." murmelte ich und gähnte erschöpft. "Silas macht sich Sorgen." "So heißt dein Bruder, oder?" entgegnete Zale auf einmal und ich sah ihn überrascht an.
Das war das erste Mal, dass er mir eine Frage gestellt hatte. Ich dachte, ich interessierte ihn außerhalb des Bettes und seinen Problemen mit Astara nicht.

"Äh... ja. Ihr habt doch einen Backgroundcheck veranlasst, oder? Du müsstest eigentlich alles über mich wissen." meinte ich leise, ein Seufzen schwang in meiner Stimme mit.
"Zlata weiß alles. Sie ist da auch die einzige." gab Zale zurück und öffnete die Autotür neben sich.
"Warte... also weißt du überhaupt etwas über mich?" fragte ich wieder und folgte Zale aus dem Auto, der sich durch seine Größe schon fast hinaus quetschen musste.
Huh... hier war es ja noch kälter.
"Ich brauche keinen Backgroundcheck, um über eine Persn zu wissen, was ich wissen muss und will, Kleiner. Außerdem hoffe ich, dass du mir nichts verheimlichst, das wichtig genug wäre, mir zu schaden. Der einzige, dem das schlussendlich schaden würde, wärst du."
Seine Stimme ging in ein tiefes, drohendes Grummeln über und ich sah unsicher zu ihm hoch.
Er schien, mir mehr zu vertrauen, als mir selbst lieb war.

.
Nach einer schnellen, warmen Dusche hatte Zale Zlata zu uns geholt und ihr erklärt, dass ich krank war.
Dabei schien er, etwas zu übertreiben.
Jedenfalls sah Zlata mich sehr besorgt an, als würde ich gleich tot umfallen.

"Geht es dir auch sicher gut?" fragte sie mich jetzt schon das dritte Mal und ich nickte laut seufzend.
Sie und Nandez brachten mich gerade nachhause. Zale hatte sich schnell und wortlos verabschiedet und mir wurde erklärt, er hätte wegen dem öffentlichen Streit mit den Beverleighs viel zu tun.
"Tut mir leid, dass ich dich so bedränge. Es gab da einfach einmal eine verheerende Situation, in der ich bereut habe, nicht nochmal nachzufragen." entschuldigte sich die im Anzug gekleidete, braunharige Frau neben mir und ich sah sie verwirrt an.
"Wie meinst du das?" fragte ich und zog die Jacke um meine Schultern enger, die Zale mir aufgebrummt hatte.
Sie roch nach ihm...
"Vor vielen Jahren, da war ich noch ein junger Teenager und ziemlich grün hinter den Ohren... gab es eine Frau, die Ruana hieß. Sie war zu der Zeit schwanger-..." fing Zlata an, zu erzählen, als Nandez sie unterbrach.
"Bist du sicher, dass du ihm das erzählen darfst?" meinte er, warf einen kurzen Blick durch den Rückspiegel zu uns und bog in eine abgelegene Straße ein.

"Ich weiß, was ich tue, Nandez." war alles, was sie antwortete, bevor sie sich erneut an mich wandte.
"Warte... wird Zale mich umbringen, wenn er weiß, dass du mir das erzählst?" "Er wird eher mich tagelang foltern und dann qualvoll umbringen, als dich. Also lass das meine Sorge sein." entgegnete sie und ich schluckte.
Trotzdem... war ich neugierig.
"Nun, diese Frau war derzeit schwanger, aber auch sehr krank." fuhr sie fort und ich hörte ihr gespannt zu.
"Zwar war es nur eine einfache Erkältung, aber in ihrem Zustand war sie sehr schwach. Ich war dafür verantwortlich, mich um sie zu kümmern, aber damals war ich noch zu scheu. Ich war noch neu in der Organisation und hatte Angst. Vor all den Gangstern, der Verantwortung... und hatte mich zurückgezogen. Ich habe sie praktisch ignoriert und nie nachgefragt, wie es ihr ging. Bis die Geburt kam."
Zlata legte eine kleine Pause ein und spähte zu ihren ordentlich aufeinander liegenden Händen in ihrem Schoß. Ich erkannte, dass sie sich an etwas schmerzhaftes Erinnerte.

"Ruana starb bei der Entbindung, weil ihr Körper zu schwach war, die mehrstündige Anstrengung und die Erkältung zu verarbeiten... Das trieb einen großen Keil zwischen den Mann der Frau und dem Kind, das überlebt hatte. Immer hin glaubte der Vater, sein Sohn wäre am Tod seiner Frau schuld. Ich war zu feige, zu beichten, dass es eigentlich meine Schuld war und schwor mir, das Kind zu beschützen, solange ich lebte." erklärte sie und sah mich mit einem sanften Lächeln an.
"W-was... ist aus dem Sohn geworden?" stammelte ich, nervös, etwas Verletzendes zu sagen.

"Der Junge wurde von seinem Vater gefoltert... Jahre lang. Bis er einen Hirnschaden erlitt und sich sein Wesen von Grund auf änderte, sodass er wenigstens ein bisschen gegen den verdorbenen Charakter seines Vaters ankam." seufzte sie und ihre Andeutung ließ mich aufhorchen.
"Du meinst... doch nicht etwa..."

"Oh doch, Kay. Ich bin für den Tod von Zales Mutter verantwortlich. Ruana Vukasin."

𝑴𝒐𝒏𝒔𝒕𝒆𝒓 [𝐁𝐋]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt