-22- Pow

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Mir wurde heiß.
Sehr heiß...
Das Blut schoss in meine Wangen und die Tränen in meine Augen.
Alle starrten mich an.

Astara, diese verdammte...
"Bitch..." zischte ich leise und starrte sie direkt durch die Menschenmenge an.
Dass mich die Leute um mich herum tatsächlich verstanden hatten, kümmerte mich wenig.
Mein ganzes Leben wurde ich von anderen benutzt und saß in zerrissener Kleidung und voll mit klebrigem Zeug auf dem Boden, nur um meinen Bruder und mich zu ernähren.
Aber jetzt, vor all den Leuten... Jetzt, wo ich etwas zu verlieren hatte, wollte ich nicht sitzen bleiben.
Und deshalb... streckte ich meine Hand nach oben und hielt sie Astara entgegen.

Sie starrte mich wortlos an und leises Murmeln zischte durch die Menge. Auch Zale sah mich interessiert an und beobachtete.
Astara war als nettes, erfolgreiches Model bekannt. Da konnte sie mir doch sicher wieder aufhelfen.

Ich bemerkte die Wut, die unter ihrem ruhigen Blick lag, als sie meine Hand nahm und sich zu mir beugte. Somit verließ sie die Seite ihres Bruders Seth.
"Tut mir wirklich leid... ich hätte besser aufpassen sollen, wo ich-..."
Weiter kam Astara bei ihrer gestellten Entschuldigung nicht.
Ich hatte mich an ihre Hand geklammert, mich mit Schwung und voller Kraft nach oben gezogen und sie somit nach unten.
Nun war sie die, die mit dem Gesicht zuerst in den umgekippten Tisch krachte, und deren schwarzes Kleid schon beim Berühren des nassen und mit Scherben bedeckten Bodens, riss.
Erleichtert, dass es geklappt hatte, stolperte ich zurück und sah sie an.

Die Aufregung und das Adrenalin in meinen Adern versüßten mir den Anblick der wütend schnaubenden Astara, die da so doof schauend mitten auf dem Boden saß, mit ihrem Hintern in einer Lacke aus Champagner, Sekt und Himbeersaft und einem Riss im Kleid, durch den man ihre rote Spitze-Unterwäsche erahnen konnte.
Und genau wie noch vor einigen Momenten, hatten die Kameras alles aufgezeichnet.
Live.

Bevor ich mich aber weiter über diesen Anblick freuen konnte, hörte ich schwere Schritte hinter mir und drehte mich um, nur um Seth Beverleigh auf mich zustapfen zu sehen.
Seine Fäuste geballt und den rechten Arm, zum Schlag ausholend, angehoben.
Er war zu nahe. Ich konnte nicht ausweichen.
Aber... sein Schlag wurde abgefangen.
Zale hatte sich vor mich gestellt und... Seths rasende Faust mit der bloßen Hand abgefangen.
"Was...?" hörte ich Seth flüstern, die Wut und Verwirrtheit in seiner Stimme überschlugen sich.
Er blickte auf und sah Zale an, der mit dem Rücken zu mir stand. Ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht sehen, aber ich konnte ihn mir vorstellen. Zumindest wusste ich, warum Seth für eine Sekunde die Farbe aus dem Gesicht wich.
Und dann...

POW.
Zale schlug zurück.
Mit voller Wucht.

Seth stolperte nach hinten und küsste rückwärts den Boden, genau wie seine Schwester es eben noch getan hatte.
Genau wie die Kameras schwankten auch die Blicke der Leute mit ihm mit und ich flüchtete mich aus der Aufmerksamkeit, ein paar Schritte nach hinten.
Niemand würde mich jetzt noch beachten. Immerhin hatte der berühmte Schauspieler Seth Beverleigh gerade versucht, jemanden zu schlagen, der gerade einmal die Hälfte seines Gewichts wog.
Und im Gegensatz dazu war Zale ein angemessener Gegner.
Körperlich.
Von seiner Kampferfahrung redete ich erst gar nicht.

Das würde nicht gut ausgehen.
"Oh fuck..." murmelte ich leise und musterte Seth, der sich Zale gegenüber wieder aufrappelte. Er blutete an der linken Wange und aus der Nase. Seine Lippe war aufgeplatzt... und er sah wütend aus.
"Kay!"
Zlatas leises Zischen riss mich aus der Konzentration und ich schreckte zusammen.
Sie stand mit Nandez plötzlich neben mir.
"Geht es dir gut?" fragte die in rot gekleidete Dame mit ihrem ukrainischen Akzent und ich nickte schnell. Nandez untersuchte den Riss in meinem Kleid, der sich vom Boden, bis zur Mitte meiner Oberschenkel durch den Stoff zog.
"Äh- wo ist Astara eigentlich?" fragte ich und nickte ihr dankbar zu, als sie mir ein Tuch reichte, mit dem ich mich etwas abtrocknen konnte. Immerhin war ich gerade erst in eine Lacke aus Saft und Alkohol gefallen.
"Ich glaube, sie ist in die Toilette geflüchtet. Es ist unwahrscheinlich, dass sie sich heute noch einmal hier blicken lässt." "Also hab' ich meine Mission »Astara abschrecken« erfüllt, oder?" entgegnete ich und Zlata nickte angespannt, als hinter mir ein dumpfer Knall ertönte.
Hoffend, dass es Zale gut ging, drehte ich mich um und erkannte Seth vor einem der breiten Buffet-Tische stehen, mit geballten Fäusten und Bluttropfen auf seinem besch-rosanen Anzug.
Zale schritt langsam auf ihn zu, sein Blick haftete an seinem Gegenüber, als würde er sich vorstellen, es mit seinen Eingeweiden zu erwürgen.
Die leere in seinen Augen jagte mir Angst ein.
Zale blutete leicht an der Lippe und seine Haare waren komplett durcheinander, sonst merkte man aber nichts von äußerlichen Verletzungen.

"Sollten wir nicht dazwischen gehen?" flüsterte ich angespannt und Nandez schüttelte sofort den Kopf. Zlata erklärte mir darauf, Zale würde das schon hinkriegen. Solange wir einen verdeckten Ausgang nach all dem fanden, wären wir im Trockenen. Aber dafür mussten wir uns im Hintergrund halten.
Seufzend nickte ich und musterte den Kampf weiter, mit Zlata und Nandez im Schatten der Menge.

Seth war kein meisterhafter Kämpfer, nur stark gebaut. Und das wusste er.
Er wusste, er würde nicht gegen Zale ankommen.
Und genau deshalb tat er, was er tat, als Zale vor ihm stand und drohend seinen Anzug packte.
Er griff an den Hals einer leeren Weinflasche, auf dem Buffet-Tisch, direkt hinter sich.

𝑴𝒐𝒏𝒔𝒕𝒆𝒓 [𝐁𝐋]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt