Ich hatte nicht sehr viel Zeug bei Zale.
Nur die Tasche, die ich aus dem Krankenhaus mitgebracht hatte und das war alles.
Sonst hatte ich mich bei Zale eingelebt.Also standen Silas und ich nur zwei Stunden später schon vor dem Hochhaus und verabschiedeten uns von den anderen.
Es fühlte sich schon fast an, als würden wir uns nie wieder sehen...
Zales Vater war jetzt tot, die Beverleighs würden ihm keine Probleme mehr machen und ich war demnach eigentlich nutzlos für ihn.
Er hatte keinen Grund mehr, mich bei sich zu behalten."Na dann... kommt gut heim." meinte Zlata sanft lächelnd und nickte uns tief zu.
Silas winkte den anderen und Nandez und Valró erwiderten die Geste.
Die drei hatten sich ziemlich angefreundet.Seufzend legte ich meine Tasche also auf die Rückbank des Autos, das neben uns stand, und kam zu den anderen zurück.
Silas war mit unserem Mercedes hergekommen und ich würde wieder damit nachhause fahren, also mussten Zlata und die anderen uns nicht hin bringen.
Das hieß, unsere gemeinsame Zeit würde hier wohl schon enden."Komm schon, es wird bald dunkel." meinte ich sanft und legte meine Hand auf Silas' Schulter.
Er drehte sich um und ich folgte ihm, nach einem letzten Blick zu Zale.
Ich hatte schon vergessen, wie leer seine Augen manchmal waren...Ich schüttelte den Kopf und drehte mich um.
Gerade als ich den ersten Schritt in die Richtung des Autos machte, stolperte ich jedoch über etwas.
"Woah-!" gab ich erschrocken von mir und fing mich an der offenen Tür des Autos, bevor ich nach unten sah.
Ich... war über eine Katze gestolpert.
Mit weißem, dreckigen Fell und... einem fehlenden Auge.
Das zerzauste Ding zitterte und saß zusammengestaucht auf dem Gehsteig unter mir, ängstlich zu mir aufspähend.
Das musste eine Streunerin sein.
Zumindest war ihr Fell dreckig genug."Oh... die muss sich vor dem Feuerwerk versteckt haben." hörte ich Zlatas Stimme hinter mir und trat zur Seite.
Die Katze sah sich flüchtig um und verkroch sich dann plötzlich unter dem Auto.
"Armes Ding..." seufzte ich und wandte mich kurz vom Auto ab, genau wie Silas.
Wir winkten den anderen noch ein letztes Mal, bevor wir beide vorne einstiegen und losfuhren.
Natürlich hatten wir uns zuerst vergewissert, dass die Katze nicht mehr unter dem Auto war.Die Fahrt nachhause war ziemlich still.
Die Atmosphäre war nicht betrübt oder angespannt, ich wusste nur nicht wirklich, was ich sagen sollte.
Also blieb die Fahrt wortlos, bis ich den Wagen zuhause in der Garage parkte und wir schließlich ausstiegen."Ha... schön, dass du wieder zuhause bist." meinte Silas lächelnd, als wir aus der Garage, in das Haus gingen, und drehte sich plötzlich zu mir um.
Bevor ich Zeit hatte, nachzudenken, fiel er mir um den Hals und drückte mich an sich.
Ich blieb für eine Sekunde perplex stehen und starrte an ihm vorbei.
Er freute sich so sehr...Zögernd hob ich meine Arme und schlang sie um ihn.
Ich drückte ihn an mich, strich über seinen Kopf, den er gegen meine Schulter lehnte, und flüsterte "Ich freu' mich auch, wieder da zu sein."Grinsend löste er sich von mir und als er zur Seite trat, konnte ich bereits von hier aus das freiliegende Wohnzimmer sehen.
"Äh... was ist denn hier passiert?" murmelte ich überfordert, als ich das Chaos an Zetteln und Ordnern überall sah, und Silas stockte.
"Ooooh... stimmt ja, ich hab' vergessen, das wegzuräumen. Ich dachte nicht, dass ich schon mit dir wieder heim komm'..." grinste Silas ertappt und ich verdrehte belustigt die Augen.
"Schon gut, aber warum liegen hier überall Zettel? Für was?" meinte ich abwinkend, und begab mich in die Mitte des Wohnzimmers.Überall lagen kleine Stapel von Zetteln, Ordner und Mappen herum.
Auf der Couch und den dazugehörigen Couchtisch, auf den Regalen in der Küche, dem Kästchen auf dem der Fernseher stand, und sogar überall auf den Boden...
Hatte er versucht, einen Mord aufzuklären, oder wie?
"Naja... in der Zeit die du bei deinem Gangster warst, hab' ich nachgedacht. Ich bin immerhin nach diesem Schuljahr mit der Schule durch und ich will mir mit dem Geld, das du mir dafür gegeben hast, ein Leben aufbauen. Und... ich weiß jetzt auch, was ich in Zukunft tun und werden will." wandte Silas ein und ich sah ihn neugierig an.
Da war schon länger etwas, das wusste ich.
Also war ich gespannt, was er aus sich machen wollte."Du weißt ja, wie das Leben in den mülligen, armen Vierteln hier in der Stadt ist und was man manchmal dafür tun muss, um an Geld zu kommen." begann er, zu erzählen, und ich nickte.
Ich wusste, was er meinte.
Das Leben hier war nicht schön, wenn man nicht derart Glück hatte, wie wir.
Ich hatte mehrere Jahre in der Prostitution festgesteckt, nur um uns zu ernähren."Ich will anderen Kindern... u-und Leuten helfen, die es so schwer haben. Zwar kann ich nichts gegen ihre Lage tun, aber ich möchte etwas sein, was wir damals selbst gebraucht hätten. Auch, als Mama und Papa noch am Leben waren... Du weißt schon... Ich hab die Narben immer noch."
Ja... ich erinnerte mich.
Unser Vater hatte uns oft verprügelt und Silas trug sogar kleine Narben davon, als Vater darauf kam, dass man leere Flaschen nicht nur in den Müll, sondern auch nach Kindern werfen konnte.
Er war... ein schrecklicher Vater und kein guter Mensch.Als mir auffiel, dass ich in meinen Gedanken verschwand, schüttelte ich den Kopf und sah Silas erneut an.
Er fuhr fort.
"Ich will Psychotherapeut werden. Also... studieren. So kann ich zumindest ein bisschen helfen." meinte er, mit einem nervös verschmitzten Lächeln, und ich nickte ihm respektvoll zu.
"Du wirst dich großartig machen." erwiderte ich und sah ihn ermunternd an.
Was auch immer er sich ausgesucht hätte, ich würde ihn immer unterstützen.
Nur weil er langsam flügge wurde, hieß das nicht, dass er alleine fliegen musste."Das ist alles aus meiner Nachforschung geworden. Ich hab' mich vielleicht etwas reingesteigert..." lachte Silas und deutete auf die Zettel, die überall herumlagen, bevor er quiekte "Das Studium braucht ungefähr 5 Jahre. Also ein Direktstudium aus einem 3-jährigen Bachelor und dann 2 Jahre Masterstudium, mit einer Prüfung."
Beeindruckt zog ich die Augenbrauen hoch und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Du hast dich ja schlau gemacht." "Ja... aber wir sollten das mal aufräumen, oder?" erwiderte er und ich nickte belustigt.
"Fang schon mal an, ich hol' meine Sachen noch aus dem Auto." meinte ich und verabschiedete mich kurz in die Garage.Dort öffnete ich die hintere Tür des Autos und wollte mir die Tasche holen, die auf der Rückbank stand.
Als ich sie aber nehmen wollte, stockte ich.
Dort... saß diese Streunerkatze... auf meiner Tasche.
Ähm... wie war sie ins Auto gekommen?"Was...? Hey, Kleines... Was tust du denn hier?" murmelte ich und hielt dem ängstlichen Tier meine Hand entgegen.
Sie schnupperte vorsichtig und inspizierte mich.
Ihre Ohren drehten sich schnell in alle möglichen Richtungen und mir fiel auf, dass eines davon eingerissen war.Sie... musste ins Auto gehüpft sein, als Silas und ich kurz nicht hingesehen haben.
Als ich das dachte, passte ich kurz nicht auf, und die Katze sprang plötzlich auf und sauste an mir vorbei, aus dem Auto, und ins Haus.
"H-hey! Äh..."
Überfordert krallte ich mir meine Tasche, knallte die Autotür zu und verließ die Garage.Ich rannte dem Tier hinterher, ins Haus, nur um es auf der Couch vorzufinden.
"Äh, Kay? Was macht die Katze hier?" fragte Silas und deutete auf die Kätzin, die sich auf der Couch eingenistet hatte.
Sie saß... direkt neben Skandi.
Der Stoffkatze."Hm..." gab ich leise von mir und musterte das Tier.
Die Streunerin sah dem Stofftier Skandi schon fast lächerlich ähnlich.
Das fehlende Auge, der dreckige, sonst weiße Pelz...
die zart rosa Nase und die gräulichen Pfoten.
Schon fast ein genaues Abbild."Sie sieht genau aus wie Skandi." bemerkte auch Silas und ich legte den Kopf schief.
Und da... fiel mir etwas ein."Wie wär's, wenn wir sie behalten." schlug ich vor und Silas ließ aufgeregt die Zettel fallen, die er gerade noch vom Boden gesammelt hatte.
"Wirklich?" "Naja, die Katze, die wir haben, hat uns bisher ja nicht wirklich Glück gebracht..." entgegnete ich und erinnerte mich daran, was Zlata gesagt hatte, als sie mir die Stoffkatze gegeben hatte.Das Stofftier war ein Glücksbringer.
Zumindest sollte es das sein.
Aber so wie sie damals geklungen hatte, verlor dieses Stofftier seine Glückssträhne schon vor einer langen Zeit."Nun denn... wie wär's? Machen wir heute ein Lagerfeuer? Zu Ehren unseres neuen Mitgliedes?" grinste ich Silas zu und er nickte eifrig, bevor er sich vorsichtig an die Streunerin wagte.
Sie schien, ihn zu mögen.
So wie sie sich an seine Hand schmiegte..
Noch in der selben Nacht hatten wir das Stofftier Skandi in unserem Lagerfeuer vor dem Garagentor verbrannt.
Das Glück, das es bringen sollte, war nie gekommen und seine guten Tage waren längst vorbei.
Nun konnten wir unser neues Mitglied bei uns einziehen lassen.Die ehemalige und neu getaufte Streunerin...
Skandi.

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𝑴𝒐𝒏𝒔𝒕𝒆𝒓 [𝐁𝐋]
De TodoIn dieser Umgebung war das Leben hart, besonders wenn man von Anfang an nichts hatte. Das erlebten auch Kay und sein Bruder Silas aus nächster Nähe, die schon einige Jahre allein in diesem armen Viertel zurecht kommen mussten. Umgeben von Kriminel...