-25- A little bit

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Nur eine kleine Ewigkeit später waren wir aus der Reichweite der Polizei heraus und Nandez fuhr auf direktem Weg nachhause.
Und derweil behandelte Zlata Zales Wunden, direkt neben mir.

"Wow... Sir, ich weiß nicht, wie Sie es geschafft haben, noch nicht umgefallen zu sein." murmelte Zlata besorgt und sah sich die Wunde an Zales Kopf an, während er sich neben ihr nach vorne beugte.
"Ich hatte noch etwas zu tun." hörte ich ihn erwiedern und sah ihn skeptisch an.
Ja. Er hatte mich zu tun.
Niemand bemerkte meinen Blick.

Mir war aber aufgefallen, dass Zale selbst gar nicht gekommen war. Das hätte ich gespürt.
Stattdessen wirkte es, als hätte er das alles nur meinetwegen gemacht.
Als wüsste er genau, es nicht zu übertreiben.
Und deshalb wusste ich auch nicht wirklich, was ich von ihm denken sollte.
Um ehrlich zu sein, verdeckte mich sein Körper die ganze Zeit und er versprach mir immer hin, dass mich niemand sehen würde.

"Ah, Fuck!" "Stillhalten, das ist eine offene Wunde. Und ich nähe gerade." antwortete Zlata auf Zales Fluchen und ich hörte ihn scharf seufzen.
Blut tropfte auf den Boden des Autos und ich merkte, dass Zale mit der Zeit weniger fluchte.
Und sprach.
Zlata bemerkte es auch.
Als sie ihn fertig genäht hatte, setzte er sich auf, lehnte sich nach hinten und schloss die Augen.

"Zale...?" fragte ich leise und er sah mich aus schmalen Augen an.
Er keuchte.
Er war eschöpft.
Langsam zeigten sich die Folgen des Kampfes.
Sogar seine Hand zitterte.

Zögernd legte ich meine Hand auf seine und spürte das bisschen Blut, das auf seiner Haut verschmiert war.
Ich sah zu ihm auf und merkte, dass seine Augen geschlossen waren.
Er zitterte nicht mehr.
War er etwa bewusstlos?

Fragend sah ich Zlata an und sie nickte, während sie den Faden, mit dem sie Zale genäht hatte, durch ein klebendes Padd und ein sauberes Tuch ersetzte.
"Nandez, er schläft." meinte die braunhaarige Frau und Nandez gab ein leises "Wow... wusste gar nicht, dass er das noch kann..." von sich, als er das hörte.
Verwirrt spähte ich zu Zlata hinüber und beobachtete, wie sie das Padd vorsichtig auf Zales Kopf drückte, bevor sie unter dem Sitz vor sich eine Decke hervor zog.
Sie stand auf und zog Zale zur Seite, sodass er hinunter rutschte und schließlich auf der Rückbank lag.
Fürsorglich deckte sie ihn zu und setzte sich gegenüber von ihm auf die andere Rückbank.
Sie klopfte auf die Bank neben sich und ich setzte mich zu ihr.

"Das ist das erste Mal, dass ich ihn schlafen sehe." meinte ich und Zlata nahm mir den Blumenschmuck aus den Haaren, den ich getragen hatte.
"Er schläft sehr selten. Bewusstlos kann er sich viel besser erholen." entgegnete sie und packte das Verbandszeug weg.
"Warum schläft er so wenig?" fragte ich und zog mich auf dem Rücksitz zusammen.
"Er hat... einen Hirnschaden. Vor einigen Jahren gab es einen Vorfall, bei dem er mit einem Hirntrauma gerade noch überlebte. Seit dem verspürt er keine Müdigkeit mehr und schläft nur, wenn sein Körper versagt." erklärte sie seufzend und ich starrte sie erschrocken an.
"Huh...?"
Ein Hirnschaden?
Deshalb... schlief er nie?

"Das alles ist eine lange Geschichte und es ist spät. Geh schlafen, Kay. Wir bringen dich nachhause." lächelte sie mir zu und ich spähte Zale betrübt an.
"Ich... bitte bringt mich nicht nachhause. Ich will bei ihm bleiben."
Darauf sah Zlata mich überrascht an, fing sich aber schnell wieder und nickte.
"Na gut. Ruh dich aus. Ich kümmere mich darum, versprochen." meinte sie und ich nickte ihr dankbar zu.
Müde war ich schon eine Ewigkeit.
Also ließ ich es bleiben und lehnte mich seitlich nach hinten.
Je mehr Zeit ich mit Zale verbrachte, umso mehr Fragen tauchten in meinem Kopf auf.
Aber das ganze Nachdenken war mir heute schon zu viel.
Mit meinem Blick auf Zale schlief ich schließlich ein.

.
Als ich meine Augen das nächste Mal öffnete, lag ich immer noch auf der Rückbank der Limosine und sogar eine Decke hatte ich bekommen.
Ich war mit Zale alleine hier.
Das Auto schien, in einem geschlossenen Raum zu stehen. Vielleicht waren wir schon bei Zale zuhause.
In der Parkgarage des Penthouses.

Gähnend richtete ich mich also auf und streckte mich, so weit es im Bauch des Autos möglich war. Da bemerkte ich einen Gewandstapel neben mir, mit einem Paar angenehmer Schuhe und meinem Handy.
Leise nahm ich es und entsperrte es.
Oh... Jesus Christus.
17 verpasste Anrufe und 57 Nachrichten von Silas.
Heilige Scheiße. Er musste die Live-Übertragung gesehen haben, nachdem er von der Schule heim gekommen war.
Natürlich machte er sich Sorgen.
Bei der Prüglerei, dem Chaos und der Polizeiinvasion...

Ich wusste, ich sollte ihn anrufen. Und das würde ich auch, definitiv. Aber zuerst wollte ich mich umziehen.
Mein Rücken schmerzte zwar, aber es war bei Weitem nicht so schlimm wie am Morgen nach meinem ersten Mal mit Zale.
Immer hin war dieses Mal auch viel kürzer.
Also legte ich das Handy weg und begann, das Kleid auszuziehen. Es war zerrissen und immer noch leicht feucht. Auf jeden Fall kaputt.
Das... tat mir leid.
Seufzend zog ich meine Beine also aus dem Stoff und griff mir eine normale Unterhose vom Gewandhaufen neben mir.
Während ich mich anzog, musterte ich Zale.
Er schlief immer noch. Trockenes Blut klebte an seiner Wange und ich konnte Tropfen davon überall auf dem Autoboden finden.
Aber ich musste zugeben... Zale sah so friedlich aus, wenn er schlief.
Auch, wenn er das anscheinend nicht oft konnte.
Ich würde gerne wissen, was da passiert war. Zlata sprach von einem Vorfall. Musste etwas Schlimmes gewesen sein, wenn Zale einen Hirnschaden erlitten hat...

"Du bist ein einziges Rätsel, Zale Vukasin..." murmelte ich leise und striff mir noch einen Pulli über, bevor ich mein Handy nahm und aufstand.
Ich wollte aussteigen und ihn schlafen lassen.
Vorsichtig tipselte ich also zu ihm und fasste an die Autotür, neben der Rückbank.
Da hielt ich aber inne.
Direkt neben mir konnte ich Zales unruhigen Atem hören.
Man merkte es fast gar nicht, obwohl ich so nahe bei ihm stand.
Verwirrt spähte ich zu ihm und hielt den Atem an.
Hatte er einen Albtraum?

Irgendwie... sah es lustig aus, wie er die Augen zusammenkniff und die kaum bemerkbaren Gesichtsausdrücke, die er machte, wenn man genauer hinsah.
Und süß...
Leise ließ ich die Autotür los und setzte mich auf den Boden. Meine Hand legte ich vorsichtig auf seinen Nacken und spielte mit seinen Haaren.
Er schien, sich etwas zu entspannen.

Belustigt lächelte ich ihn an und musterte ihn.
Zale war ein schöner Mann und echt heiß. Und dass er auch eine verletzliche Seite hatte, machte ihn etwas mehr zu einem Menschen, als er sich gab.
Zuvor sah ich in ihm nur den zukünftigen Boss der Huntback Mafia und es gab vieles, das ich über ihn nicht verstand. Das würde auch noch eine Weile so bleiben.
Aber was auch immer es da herauszufinden gab, ich wollte alles über ihn wissen.

"Ich komme bald heim, Silas." hauchte ich leise in die Luft und lehnte meinen Kopf an die Rückbank, auf der Zale schlief.
"Nur noch... ein bisschen."

𝑴𝒐𝒏𝒔𝒕𝒆𝒓 [𝐁𝐋]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt