Der große Fehler

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~Emilia

Emilia wollte am liebsten weinen. Sie wollte sich hier und jetzt hinsetzen und im Erdboden versinken als hätte es sie nie gegeben. Gerade eben noch hatte sie Lokis kalte Lippen auf ihrem Mund gespürt, den wohligen Schauer der Lust in ihr aufsteigen fühlen und dann hatte er sie weggestoßen.

Sie hatte die Verwirrung und diesen trügerischen, oft falsch zu deutenden Funken gesehen, bevor er sich ganz vor ihr verschlossen hatte. Das war zu viel gewesen.

Emilia würde sich gerne selbst schlagen. Warum nur hatte sie es getan? Warum war sie so leichtsinnig gewesen?

Nun war der ganze Fortschritt, den sie mit dem Gott hinter sich hatte zunichte gemacht. Sie lachte beinahe auf. Hatte es denn jemals einen Fortschritt gegeben?

Nein, vermutlich nicht. Loki war Loki und er passte nicht in ihre Welt. Er und sie, es wäre falsch und unmöglich. Selbst wenn er Gefühle für sie hätte, was in ihren Augen genauso unmöglich war, so konnten sie niemals...

Es ging nicht. Und das hätte sie wissen müssen, hätte es sehen müssen bevor sie sich zu ihm gelehnt hatte.

Und doch war es so gut gewesen. Es war das, was sie die ganze Zeit über gewollt hatte und die Erinnerung an das Gefühl sannte ein Kribbeln über ihre Wirbelsäule. Schnell schüttelte sie es ab.

Da war nichts. Es war passiert, weil Emilia seit Tagen, und vielleicht sogar noch länger, keine Wärme, keine Zuneigung und keine Art Liebe mehr gefühlt hatte. Sie war von der Shield Basis zu den Avengers, die sie verstoßen und eingesperrt hatten über den Gott, der New York beinahe vernichtet hätte und keinen an sich heranließ bis hin zu dem Verrückten, der mit ihr seine perfiden Spiele gespielt hatte nie wieder richtig wertgeschätzt worden.

Dabei wollte sie nichts mehr als eine Umarmung, eine Berührung...oder einen Kuss.

Doch es stimmte nicht ganz, Loki hatte sie wertgeschätzt. Er hatte ihr selbst gesagt, dass sie für ihn wertvoll war und diese Worte hatten Emilias Herz stolpern lassen. Vielleicht waren auch sie ein Grund, warum sie den Gott so plötzlich geküsst hatte.

Aber hatte sie nicht dasselbe Verlangen in ihm gesehen? Hatte er seine Lippen nicht genauso fest auf ihre gedrückt, nur für einen winzigen Moment?

Nein, das war dumm. Eine Einbildung. Sie sollte sich nichts vormachen. Loki würde Tyrs Spuren wegwischen, zumindest die oberflächlichen, dann würden sie irgendwie eine Lösung für das Ding in ihr finden, Loki würde hier in Asgard bleiben oder irgendwo anders hingehen und Emilia zurück zur Erde. Sie würde bei Shield weiterarbeiten, ihre Missionen ausführen und ein gutes Leben mit ihrem Cousin führen.

Ja, das war es, was sie wollte. Doch warum fühlte sich der Gedanke so schal auf ihrer Zunge an. Warum musste sie jedes Mal an Lokis Hände in ihren denken, an sein Gesicht und die Art, wie er ihr das Haar aus dem Gesicht gestrichen hatte.

"Emilia!"

Beim Klang ihres Namens aus seinem Mund, machte ihr Herz einen Salto, kurz bevor eine starke Hand sie so grob zurückriss, das sie hinfiel. Keuchend kam sie wieder in der Wirklichkeit an und starrte auf den metertiefen Abgrund vor ihr.

Verdammt, war sie dort eben beinahe blindlings hineingelaufen?

Ihr wurde plötzlich kalt und als das Adrenalin abebbte, fokussierte sich ihr Geist endlich wieder richtig.

Loki stand hinter ihr und die Spannung in der Luft war beinahe greifbar.

"Guck gefälligst nach vorne!" Der scharfe Ton des Gottes, der wie ein tadelnder Vater klang, machten irgendwas mit ihr. Und nicht im positiven Sinne.

"Ich weiß ja nichtmal, wo wir hinlaufen. Außerdem kenne ich diesen Ort nicht so gut wie du!", schoss sie zurück.

"Aber du wirst doch wohl ein riesiges Loch in der Erde sehen, oder etwa nicht?"

"Sag mir doch einfach mal, wo genau wir hingehen."

"Das habe ich doch bereits, wir gehen zu jemandem, der dir helfen kann."

"Nein!" Emilia rappelte sich auf und starrte den Gott an. Ein Vulkan an Emotionen war kurz davor in ihr auszubrechen. "Hör auf immer nur in Halbwahrheiten zu sprechen. Du willst mir nicht sagen, was dieses Ding in mir ist, dabei weißt du es eigentlich ganz genau. Du willst mir nicht sagen, wo genau wir hingehen, und du hast mir vorenthalten, dass du sterblich bist!"

Das traf einen wunden Punkt bei ihm, Emilia spürte es. Lokis Augen verengten sich und er hob das Kinn leicht. Das tat er immer, wenn er jemandem mit Worten einen Stich versetzen, oder ihm gleich das ganze Messer in den Körper rammen wollte.

"Habe ich dich nicht gerade vor einem Monster gerettet? Habe ich dich nicht aus den Fängen dieses Irren befreit? Ich schulde dir keine Antworten, Agentin und ich habe dir schon mehr gesagt, als einer Erdenfrau eigentlich zustände."

Der Treffer saß, doch er fachte nur Emilias Wut weiter an.

"Ich habe jedes Recht zu erfahren, was da in mir drinn ist und ich habe jedes Recht zu erfahren, wo denn mein ach so toller Retter mich hinbringt. Ansonsten gehe ich jetzt zurück zur Erde. Ohne deine Hilfe."

Loki lachte auf und das kränkte Emilia mehr, als es sollte.

"Oh bitte, das will ich sehen. Du, bettelnd vor dem Bifröst, wieder nach Hause geschickt zu werden. Ich möchte gerne einen Sitz in der ersten Reihe, wenn der Allvater deines Flehens überdrüssig wird."

Emilias Mund klappte auf und der Schlag war zu stark. Schnell drehte sie sich weg, damit Loki nicht sah, wie ihre Miene verrutschte und Tränen in ihr aufstiegen. Aber er hatte keine weitere ihrer Tränen verdient. Niemand dieser arroganten Götter hatte es verdient.

"Du denkst, du stehst über mir? Du denkst, du kannst meine Hand halten und mich im nächsten Moment fallen lassen?" Emilia ging einen Schritt auf ihn zu und starrte ihn an, fühlte wie das Etwas in ihr unruhig wurde. "Du hast dir die falsche Erdenfrau dafür ausgesucht."

"Aber ich habe es doch geschafft, oder nicht?" Das Grinsen in seinem Gesicht war boshaft. Das war nicht der Loki, der sie vorhin geküsst und gehalten hatte. Das hier war der echte Loki und das durfte Emilia nie wieder vergessen.

"Ich gehe jetzt zum Bifröst. Wenn es sein muss, dann bettle ich eben aber das tue ich lieber, als noch länger in deiner Nähe zu sein!", rief sie und drehte sich um, stapfte davon, obwohl sie keine Ahnung hatte, wo es lang ging.

Loki lachte ihr hinterher und sie wollte sich am liebsten umdrehen und weiter auf ihn einschreien, doch das würde ihm nur noch mehr Genugtuung bringen.

Sie hatte sich einer Illusion hingegeben, dass dieser Gott, der ihre gesamte Welt unterjochen wollte, gut war. Das er gut für sie war und das er vielleicht mehr für sie fühlte. Nicht wieder. Nie wieder.

Emilia ging erst langsam, dann fing sie an zu laufen, zu rennen und immer schneller von diesem Gott wegzukommen. Sie rannte bis ihre Beine taub wurden und ihre Lungen brannten und erst dann hielt sie an, keuchend und nach Luft schnappend, doch als sie wieder genug hatte, stieß sie einen Schrei aus.

Sie schrie bis ihr Hals wund war und dann ließ sie sich ins Gras unter ihr fallen und vergrub das Gesicht in den Händen.

Plötzlich legte sich eine Hand auf ihren Kopf. Zuerst dachte sie, Loki wäre ihr gefolgt, doch er war es nicht. Derjenige hinter ihr strahlte eine viel größere Macht aus.

Emilia hatte keine Zeit mehr sich umzudrehen, denn da schoss eine Welle der Müdigkeit durch ihren Körper, kurz bevor der Fremde flüsterte: "Schlaf." Ihre Augen fielen zu und zum zweiten Mal in wenigen Tagen wurde sie entführt.

𝐒𝐡𝐨𝐰 𝐦𝐞 𝐲𝐨𝐮𝐫 𝐝𝐞𝐦𝐨𝐧𝐬 | 𝐋𝐨𝐤𝐢 𝐅𝐅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt