Viel zu viel

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~Emilia

Als Astrid schließlich die Tür zu ihrem Zimmer aufstieß, war der weiche, weiße Teppich blutdurchtränkt. Die Frau unterdrückte einen Aufschrei und griff sofort nach Emilias Händen und sah sich die vielen Schnitte und Wunden auf ihren Fingerknöcheln an. Dann wanderte ihr Blick zu den leeren Augen der Agentin, die unabwegig auf den Boden vor ihr gerichtet waren.

"Komm mit, Liebes, wir waschen das ab", war alles, was Astrid sagte. Emilia wehrte sich nicht.

Astrid konnte vielleicht das Blut wegwaschen, aber nicht den Schmerz und die Verzweiflung in Emilias Innerem, genauso wenig wie diesen boshaften, grässlichen Menschen hinter der Tür.

Die junge Agentin sah nicht in den Spiegel, als Astrid sie zum Waschbecken führte, sondern konzentrierte sich auf ihre roten Hände und das kühle Wasser, welches über ihre Finger rann und sich angenehm auf ihrer glühend heißen Haut anfühlte.

Die rothaarige Frau ging ganz behutsam vor und zog sanft die letzten Glassplitter aus Emilias Hand. Diese spürte den Schmerz kaum, er wurde von Wellen der völligen Gefühllosikgeit weggespült.

Als Astrid fertig war, griff sie in einen der Schränke und zog eine Salbe hervor, die sie auf Emilias Hände auftrug und danach mit einem Verband fixierte. Von weitem würde man denken, Emilia würde sich einen Faustkampf liefern, dabei fand der wahre Kampf in ihrem Kopf statt.

Die Agentin ging langsam zu dem weichen Bett und wollte am liebsten auch darauf einschlagen, doch Astrid hielt sie davon ab, indem sie Emilias Arm ergriff und langsam mit ihr auf den gläsernen Balkon ging, dessen Geländer goldbesetzt war.

Die junge Agentin hörte das Rauschen des Meeres unter sich und die kalte Brise der Nacht trocknete die übrig gebliebenen Tränen. Es waren größtenteils Tränen der Wut und der Verzweiflung.

Astrid strich ihr beruhigend über den Arm und beide starrten auf den Horizont vor ihnen, auf das Ornament aus Sternen und den langsam abnehmenden Mond.

"Ich hätte dich warnen müssen", sagte Astrid wehmütig und strich sich ihre roten Locken nach hinten.

Emilia blieb stumm und als ihr eine braune Haarsträhne ins Gesicht wehte, ballten sich ihre Hände wieder zu Fäusten. Sie spürte, wie erneut Blut durch die Wunden sickerte und hieß den Schmerz mit Freuden willkommen. Kein Schmerz konnte an das heranreichen, was dieses Monster tun konnte.

Irgendwann verabschiedete sich die Helferin und ließ Emilia alleine, nachdem diese ganze zwei Stunden auf den Horizont gestarrt hatte. Nun ging die Agentin zurück in ihr Zimmer und sah sich den Schlüsselbund in ihrer Hand an.

Ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht. Dieses Monster hatte ihren Kampfgeist noch lange nicht zerstört. Es war ihr zuwider gewesen, Astrid zu bestehlen, zumal Emilia wusste, wie diese Launen des Mannes sich auswirken konnten, doches war nötig gewesen. Sie hoffte inständig, die rothaarige Helferin würde ebenso entkommen können.

Emilia wartete eine weitere Stunde, bis es in den eh schon ruhigen Gängen totenstill wurde und der leichte Lichtstrahl, der unter ihrer Tür hindurchfiel, erlischte.

Dann öffnete sie leise die Tür und spähte in den Gang vor ihr. Keine Wachen oder sonst irgendwelche Hindernisse. Emilia Alarmglocken schrillten los. So einfach war es nie.

Zwar hatte sie in dem Strandhaus fast kein Personal gesehen, doch irgendwelche Sicherheitsmaßnahmen musste dieses Monster doch haben.

ER ist die Sicherheitsmaßnahme

Die junge Agentin schlich den Gang entlang und zog die Glasscherbe unter ihrem Seidenkleid hervor. Sie war groß genug und passte genau in ihre Hand. Das Gewicht gab ihr Kraft und so lief sie durch das Haus, horchte an jeder Ecke auf Geräusche, doch nichts regte sich.

𝐒𝐡𝐨𝐰 𝐦𝐞 𝐲𝐨𝐮𝐫 𝐝𝐞𝐦𝐨𝐧𝐬 | 𝐋𝐨𝐤𝐢 𝐅𝐅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt