Tod

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~Loki

Loki saß angekettet an diesen Tisch da und konnte nicht atmen. Er konnte es einfach nicht, auch wenn seine Lungen nach Luft schrien. Alles war still geworden, für einen kurzen Moment.

Jetzt brüllte die Black Widow etwas durch den Gang in den geöffneten Raum. Clint Barton fluchte eine Kaskade an beeindruckenden Schimpfwörtern herunter, während Banner vor der Tür im Gang schockiert in den Nebenraum sah.

Dort, wo die Schreie nun verstummt waren. Dort, wo Loki etwas gespürt hatte, von dem er dachte, es würde in ihm nicht mehr existieren. Es war nicht zu beschreiben gewesen. Ein Ruf, ein uralter Ruf nach etwas, was er verloren hatte.

Der Hall war durch den Raum gegellt, als Barton die Tür aufgerissen hatte, doch Hawkeye selbst hatte den Klang nicht vernommen. Nur Loki hatte es gehört. Und nun saß er wie erstarrt auf seinem Stuhl, unfähig zu denken oder sich zu bewegen.

Denn als Barton die Tür geöffnet hatte, da war etwas im Nebenraum passiert. Etwas schlimmes.

Loki konnte die unterschiedlichen Gefühle nicht einordnen, die in seinem Herzen verrückt spielten und das machte ihn wütend. Er brauchte Kontrolle, nur für einen Moment.

Die Avengers kamen. Bruce Banner war in den Raum getreten und Loki hörte dumpfe Stimmen, bekam Bruchstücke mit. Doch bei Steve Rogers Worten, die so klar und laut zu ihm drangen, als wär es Schicksal, das er sie hören musste, da gefror ihm das Blut in den Adern.

"Sie ist tot, Nat! Es hat keinen Sinn." Black Widows Antwort war ein reiner Strom roher Gefühle.

"NEIN! Bruce, bitte, du kannst sie retten!" Loki hatte Natasha Romanoff noch nie so ängstlich und verletzt gehört. Er wusste, um wen es ging und bei dem Gedanken an sie, zog sich sein Herz zusammen.

Sie war tot. Wie...warum? Wie konnte das sein? Was war passiert?

Loki musste hier raus. Er musste es selbst sehen, konnte nicht begreifen, wie die junge Agentin, die ihn gepflegt und für ihn vieles riskiert hatte, nun tot sein sollte.

Der Gott schüttelte den Kopf, Unglaube und eine Spur der Verzweiflung beschlich ihn. Dieser Ruf vorhin musste etwas damit zutun gehabt haben. Loki riss einmal an den Ketten. Zweimal.

Früher hätte er sie mit Leichtigkeit aufbekommen, doch nun war er schwach und nicht zu gebrauchen. Er fluchte und warf sich auf seinem Stuhl zurück. Jemand im Nebenraum schrie: "Alle weg!"

Dann ertönte das vibrierende Geräusch des Defibrilators, den die Menschen gerne nutzten, um ihre Lieben wiederzubeleben. Loki schnaubte, doch eher aus Unsicherheit. Er würde nie auf die menschliche Technik vertrauen, aber gerade hoffte er, das sie funktionierte.

Der Gott lauschte. Nichts.

"Versuch es nochmal!", schrie Tony Stark. Irgendjemand wimmerte, ganz leise aber Loki hörte es trotzdem. Vielleicht war es auch er selbst gewesen, denn diese Unwissenheit und seine gefesselten Hände brachten ihn schier um. Er musste etwas tun!

Als hätte ihn der bloße Gedanke herbeigerufen, stand plötzlich Bruce Banner in der Tür zu seinem Zimmer. Er war völlig durchgeschwitzt, die kleinen Augen aufgerissen und in den Händen hielt er einen Schlüssel.

Bevor Loki etwas sagen konnte, lief Banner zu ihm herüber und löste seine Hände vom Tisch. Eine Sekunde später bog Romanoff um die Ecke, ihre Augen glänzte vor Wut. Oder wegen den Tränen, die sie mit aller Kraft zurückhielt.

"Nein. Nein! Ich lasse ihn nicht an sie heran!"

"Natasha, er ist vielleicht ihre einzige Hoffnung! Je länger wir warten.." Banner brauchte den Satz nicht zuende führen. Die kleine Agentin war jetzt schon viel zu lange im Reich des Todes.

Bruce wandte sich wieder an Loki und sah ihn ernst, aber gehetzt an. "Du verfügst als einziger hier über Magie und ich kann Emilia nicht alleine retten. Die Wissenschaft hat ihr Ende erreicht, also bitte! Hilf ihr. Sie hat dir geholfen, nun hilf auch ihr."

Das Flehen in seine Stimme war grauenhaft. Loki hasste es, wie sich sein verräterisches Herz zusammenzog. Er sollte lachen. Die großen Helden waren verletzlich, sie trauerten um ihr neustes Mitglied. Er sollte sich gut fühlen. Siegreich.

Doch warum schmerzte dann allein der Gedanke daran, dieses Mädchen nie wieder lebend zu sehen?

Loki konnte ihnen nicht sagen, dass seine Magie nicht mehr da war. Aber er konnte genauso wenig einfach hier stehen bleiben und nichts tun.

Ohne einen einzigen Kommentar ging Loki rüber in den Nebenraum. Es war furchtbar.

Sie lag dort, auf ihrer Brust klebten die Pads des Defibrilators und ihre Haut war unnatürlich weiß. Das blonde Haar hing schlaff und glanzlos herab, ihre Augen waren geschlossen.

An ihren Handgelenken bemerkte Loki Schnitte und Blessuren und seine Wut wuchs. Sie war an den Tisch gekettet gewesen, so wie er. Sie war hilflos gestorben, ohne die Chance, sich zu wehren. Sein loderner Blick glitt zu Natasha, die etwas abseits stand und ihre tote Freundin ansah.

Er würde die Black Widow ebenso anketten und sie dann...

Da war etwas. Da war etwas ganz und gar falsches in der jungen Agentin.

Blitzschnell kniete Loki neben ihr, sein Blick raste über ihr Gesicht, ihren Körper. Ihn rief etwas. Es war wie ein Sog, der ihn zu der jungen Frau hinzog, eine Art Band, dass zu ihrem Herzen ging.

Das Band hatte sie fest umklammert und auch ohne Magie fühlte Loki es. Sie war nicht verloren. Aber wie sollte er ohne Magie...?

"Kannst du sie retten?", fragte Barton genervt und auch ein wenig schuldbewusst. Er hatte die junge Agentin schließlich auch gefunden und hierher gebracht. Der Gott biss die Zähne zusammen.

Loki würde ihn an die Black Widow ketten und sie gemeinsam leiden lassen.

Er ließ seinen Blick erneut über sie schweifen, als...

Loki stolperte zurück, keuchte und riss die Augen auf. Der Ruf. Das Band.

Es war ihm alles so bekannt vorgekommen. Es war so vertraut gewesen.

Aus einem Impuls heraus flüsterte er, ganz leise: "Lass sie los."

Immer und immer wieder hauchte er es, verblüfft und verwirrt. Als würde sich seine Zunge von selbst bewegen, dabei wusst er genau, was er wollte. Er wollte, dass diese Agentin lebte. Er wollte in ihre Augen blicken. Und dann würde er sie mitnehmen und ausfragen.

So vertraut fühlte es sich an, dass es ihm das Atmen schwer machte, doch trotzdem machte er weiter.

Noch einmal flüsterte er es, gab sich dem Sog hin und ließ zu, das die Vertrautheit in seine Glieder sickerte, ließ das Lied in seine Seele, ein Lied, welches er seid seiner Kindheit kannte.

"Lass sie los. Sie ist nicht der Feind."

Emilia Christensen schlug die Augen auf und die volle Wucht dieses Rufes prallte gegen Loki, schleuderte ihn zurück und aus dem Raum heraus gegen die Wand.

Natürlich. Schließlich hatte man ihn von diesem Lied abgeschnitten, es zu seinem Gegner und Fremden gemacht.

Die junge Agentin setzte sich auf und blickte Loki direkt in die Augen. Das dunkle Blau war einem hellen, belebenden Gold gewichen, das man jedoch nur bei genauerem Hinsehen erkannte. Für alle anderen sahen ihre Augen genau gleich aus. Oder vielleicht war es auch nur Lokis Einbildung gewesen, die bei dem Sog verrückt gespielt hatte.

Loki setzte sich auf. Sein Rücken schmerzte zwar und eine Wunde war wieder aufgerissen, doch er lachte. Der Gott lachte über den diabolischen Scherz, den sich das Schicksal mit ihm hatte einfallen lassen.

Emilia lebte. Sie lebte. Und das Band um ihr Herz war nur deshalb gewichen, weil es Loki selbst durch den Zauber hindurch erkannt hatte.

Loki lachte, bis ihm alles wehtat.

Dieser Sog, der Ruf und das Licht in Emilias Augen. Das alles war seine Magie. SEINE gestohlene Magie.

𝐒𝐡𝐨𝐰 𝐦𝐞 𝐲𝐨𝐮𝐫 𝐝𝐞𝐦𝐨𝐧𝐬 | 𝐋𝐨𝐤𝐢 𝐅𝐅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt