Part 74 - Eigene Meinungen

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Nach etwa zweieinhalb Stunden kommen wir auf einem großen eingezäunten Platz wieder zum Stehen. Die Fahrt war nicht gerade angenehm, da wir natürlich genau in den Berufsverkehr kamen und der auch ohne einen riesigen Bus schon unangenehm genug ist. Da stellt sich natürlich die Frage, ob es nicht doch sinnvoller gewesen wäre, uns alle noch zwei Stunden länger schlafen zu lassen und dann nach dem Berufsverkehr zu fahren, aber wahrscheinlich nicht. Meine Ideen sind doch sowieso nicht gut. Zumindest wäre das das, was Mr Morrison davon halten würde. Wer weiß, was wir in den wertvollen zwei Stunden alles machen können, die wir jetzt früher da sind. Den Fans vom Bus aus zuwinken?

Ja, vom Bus aus, denn draußen regnet es in Strömen. Ich verstehe wirklich nicht, wie da trotzdem noch Massen an Fans warten und kreischen können, wenn sie von oben bis unten komplett durchnässt sind. Das muss wahre Liebe sein.

Die meisten der mitunter sehr aufreizend gekleideten Mädchen haben noch nicht mal einen Regenschirm. Dass sie keine Regenjacke haben, wenn sie sich so schon kaum bekleiden, ist wahrscheinlich selbst erklärend.

„Kaum zu glauben, dass sich das immer wieder so viele antun, oder?", fragt mich Lucy murmelnd, damit es keiner der anderen mitbekommt. Ist bestimmt auch besser so, weil sie das sonst wieder falsch verstehen würden.

„Nein, das kann auch nicht normal sein, wenn man mich fragt", murmele ich zurück und muss den Kopf über die da draußen schütteln. Wie kann man bei solch einem Wetter noch so euphorisch sein?

„Wahrscheinlich nicht", kichert sie neben mir und bringt mich damit zum Grinsen. Es ist schön, wenn sie kichert und nicht so schüchtern ist. Auch wenn das Strahlen sie noch jünger wirken lässt, als sie es ist, ist es besser. Man verpasst so viel, wenn man immer die Klappe hält und nie mal aus sich raus kommt. Ich weiß, wovon ich spreche.

„Und so toll sind die Jungs doch gar nicht", ergänze ich noch, was Lucy noch mehr zum Grinsen bringt. Nur dass es jetzt eher ein schelmisches Grinsen ist, bei dem ich mir nicht so ganz sicher bin, was ich davon halten soll.

„Ach komm, du hattest gestern doch auch deinen Spaß. Du findest sie doch längst nicht mehr so schlimm, wie zu Beginn." Und damit hat sie leider Recht. Sie nerven zwar immer noch ziemlich, aber irgendwie hänge ich tatsächlich schon ein wenig an ihnen. Also Logan mal ausgenommen. Der ist nämlich so schlimm, wie eh und je. Und ich habe so meine Zweifel, dass sich das irgendwann ändern wird.

Ich erwidere nichts mehr auf ihre Aussage, denn selbst wenn ich widersprechen würde, würde sie mir doch nicht glauben. So gut kann ich sie dahingehend mittlerweile einschätzen.

Ein weiterer Blick aus dem Fenster zeigt mir, dass etwa zehn Meter vom Bus der Hintereingang eines Hotels ist. Also werden wir diese Nacht nicht in den Betten des Busses verbringen müssen. Welch ein Glück. Ich hoffe nur, dass Mr Morrison nicht auf die Idee kommt, uns bei dem Regen dort hinzuschicken. Ausschließen würde ich es aber nicht, sonst wären wir ja umsonst so früh gekommen.

Die Tür des abgetrennten Cockpits öffnet sich und Mr Morrison und Mr Schrank treten zu uns in den Wohn- und Essbereich des Busses. Schade, bis eben war die Stimmung doch noch ganz gut, aber ich habe das Gefühl, sobald Mr Morrison den Raum betritt, sinkt die Temperatur um einige Grad Celsius. Wahrscheinlich geht gleich wieder eine kleine Explosion los, aber ich bezweifle, dass es dadurch wärmer wird. Obwohl, soweit ich weiß, heizt einen Wut auch ziemlich auf.

Die Jungs, die sich verteilt im Bus aufgehalten haben, trudeln bei uns im Hauptraum ein. Keine Ahnung, was sie vorher gemacht haben. Vielleicht haben sie telefoniert, oder temple run gespielt. Ich weiß es nicht und es ist mir auch egal. Das darf nur Mr Morrison nicht erfahren, sonst springt er am Ende noch im Dreieck, weil ich meine Aufsichtspflicht verletzt hätte. Weil sich die kleinen Jungs in einem geschlossenen Bus auch so viel tun können. Um ehrlich zu sein, denke ich, dass man mit diesem überbehütendem Verhalten sehr viel mehr zerstören, als schützen, kann.

Was ist eigentlich schiefgelaufen...?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt