Part 23 - Die liebe Familie...

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Masons Sicht

Ich stehe gerade wieder in meinem Zimmer vor meinem Koffer und suche verzweifelt nach meinem Handyladekabel. Gerade, als ich nämlich zu Hause anrufen wollte, um meiner Mutter zu sagen, dass wir gut in London angekommen sind, hat mein Handy keinen Saft mehr. Wo also ist dieses verflixte Teil?! Grummelnd fange ich noch einmal von vorne an, schematisch von hinten links nach vorne rechts zu suchen, damit ich auch ja keinen Teil auslasse. Als ich fast durch bin, fällt mir das kleine schwarze Kabel endlich in die Hand. Sofort schnappe ich mir mein Handy, welches ich vorher auf dem Bett deponiert habe, nicht, dass ich das am Ende auch noch verlegen würde, und schließe es an die Steckdose neben dem Nachttisch an. Dann lasse ich mich auf das Bett plumpsen und greife nach dem Handy. Was ist noch einmal die Vorwahl von Detroit? Ach, egal, ich suche die Nummer einfach aus meinem Telefonbuch heraus und rufe an. Es tutet. Wieso dauert der Verbindungsaufbau eigentlich immer so ewig? Ich will mich endlich zu Hause zurückmelden.

„Lace", meldet sich meine Mutter am anderen Ende der Leitung. Schon beim Klang ihrer Stimme muss ich lächeln. Mag sein, dass mich manche jetzt als Muttersöhnchen betiteln, aber ich liebe meine Mutter. Und meine restliche Familie natürlich auch. Und ich weiß jetzt schon, dass ich sie in den kommenden Monaten schrecklich vermissen werde.

„Hey Mum, ich bin es, Mason", grüße ich sie. „Ich wollte mich nur melden, damit du weißt, dass ich gut angekommen bin."

„Ach, hallo, mein Schatz." Ihre Stimme sprüht förmlich vor Wärme. „Schön, dass du anrufst. Maddy hat schon nach dir gefragt." Maddy heißt eigentlich Madeleine, aber niemand nennt sie so. Sie ist meine kleine Schwester. Gerade einmal sechs Jahre alt, aber superniedlich. Neben ihr habe ich noch zwei weitere Schwestern. Lisa und Carolina. Lisa ist dreizehn und Carolina fünfzehn Jahre alt. Zurzeit ist Lisa auf einem Auslandsjahr in Frankreich. Sie ist ziemlich schüchtern, weshalb ich froh bin, dass wir sie dazu überreden konnten. Vielleicht kommt sie so mal etwas aus sich heraus. Und wenn wir nach Frankreich kommen, hat sie schon gesagt, dass sie uns besuchen kommen möchte. Sie ist jetzt etwa ein Vierteljahr schon dort und ich freue mich richtig, sie dann endlich mal wieder zu sehen.

„Sag ihr einen schönen Gruß von mir. Ich möchte sie nicht beim Spielen stören", antworte ich.

„Mach ich. Und sonst. Gibt es bei euch schon was Neues?", fragt sie. „Dieser neue Bodyguard von euch. Ist der nett?"

„Es ist ein Mädchen", meine ich. „Sie ist so alt wie wir."

„Oh" Sie verstummt einen Augenblick. „Aber kann sie dann überhaupt auf euch aufpassen?" Sie klingt ein wenig besorgt. Ich kann sie verstehen, denn ich erinnere mich noch genau daran, als Logan uns erzählte, dass sein Vater wieder eine neue Schnapsidee ausbrütete. Na ja, aber als sie dann Ashton, wenn auch ein wenig unsanft, von einem Fan befreit hat, konnten wir ja auch sehen, dass sie etwas drauf hat. Auch, wenn wir schon von der Aktion mit Lucy gehört haben, es live mitzuerleben, ist dann doch wieder etwas ganz anderes.

„Ja, sie ist ziemlich sportlich. Außerdem hat sie Lucy, also Logans Cousine, und Ashton schon beschützt", sage ich daher. „Sie wohnt mit uns in der Suite, damit sie sozusagen immer auf uns aufpassen kann."

„Aber sie passt doch wirklich nur auf euch auf, oder?", kommt dann natürlich die prompte Antwort meiner Mutter. War ja klar!

„Mum! Sie arbeitet für uns. Wir kennen sie doch alle überhaupt nicht richtig. Also hör bitte auf mit diesen absurden Vermutungen!" Ich gebe zu, es klingt sogar fast schon ein wenig verzweifelt, aber manchmal können Mütter so etwas von peinlich sein! Schrecklich, egal, was man sagt, irgendwas wird mit Sicherheit hineininterpretiert. Etwas, das mit so ziemlich genauso hoher Wahrscheinlichkeit auch falsch ist.

„Ist ja schon gut! Man wird ja wohl noch fragen dürfen!" Jetzt lacht sie. Vielleicht ist diese Tour doch eine angenehme Auszeit. Ganz unanstrengend war sie ja schließlich nicht gerade ...

„Könnten wir vielleicht jetzt das Thema wechseln?", flehe ich schon fast, denn ich hatte wirklich keine Lust, weiter über dieses nicht gerade erbauliche Thema zu schwadronieren.

„Ist ja gut, mein Schatz. Das muss dir doch nicht peinlich sein!" Sie lacht immer noch. Habe ich bereits erwähnt, dass diese Frau anstrengend ist? Und trotzdem ist sie die beste Mutter, die ich mir vorstellen kann. Und, das muss man wirklich sagen, wenn es darauf ankommt, auch mal nicht peinlich sein. Ganz im Gegensatz zu meinem Vater. Wenn ich nur daran denke, als ich vor zwei Jahren meine erste Freundin mit nach Hause gebracht habe. Sina hieß sie. Das ist zwar schon lange vorbei, doch wir waren bis vor kurzem noch in regelmäßigem Kontakt. Bis das mit der Band so richtig angefangen hat. Davor waren wir gute Freunde. Ich weiß, das ist schwer vorstellbar, aber es war nun mal so. Als ich sie also damals mit nach Hause brachte, aßen wir hinterher gemeinsam zu Abend. Meine Mutter war sehr zuvorkommend und überhaupt nicht so peinlich, wie gerade am Telefon. Im Gegenteil, es gab keine bedeutungsvollen Blicke oder unangemessene Sprüche am Tisch. Na ja, zumindest nicht von ihr. Mein Vater dagegen startete richtig durch, konnte man schon sagen. Er nahm sie quasi ins Verhör. Ich habe mich in Grund und Boden geschämt damals. Die Beziehung hielt auch nicht lange. Nicht, das ich das jetzt auf meinen Vater schieben möchte, aber er hat für mich bei dieser Sache auch nicht wirklich gut ausgesehen. Schwamm drüber.

„Aber du weißt, dass du mit mir immer über solche Dinge reden kannst, ja?", schiebt sie da plötzlich hinterher. Klar, würde ich sofort machen, denke ich ironisch, aber eigentlich weiß ich, dass sie es nicht böse meint. Trotzdem, es gibt Dinge, die gehen einfach nicht. Liegt bestimmt in der Natur der Dinge, und wenn es gewollt wäre, dass man mit seinen Eltern über solche Dinge redet, dann würden die sich auch nicht immer so peinlich benehmen.

„Ja, Mum!", gebe ich entnervt zurück. „Aber können wir jetzt bitte über etwas anderes reden? Wie geht es Carolina zum Beispiel?", lenke ich, meines Erachtens geschickt, vom Thema ab. Carolina hat eine Lungenentzündung und liegt im Krankenhaus. Ich habe ein total schlechtes Gewissen, sie in diesem Zustand alleine zu lassen, aber ich bin ja nur ihr Bruder. Das meinte sie zumindest, als sie mich überredet hat, die Tour nicht sausen zu lassen wegen ihr. Tja, ich habe ein riesiges Verantwortungsgefühl für alle, die um mich herum sind. Das ausschlaggebende Argument von ihr ist dann, dass sie ja noch Mum und Maddy hat, die sich um sie kümmern und sie besuchen würden. Mal abgesehen davon, dass sie wahrscheinlich bald wieder entlassen wird. Ihr geht es jedenfalls gestern schon viel besser.

„Gut, der Arzt meinte, sie könnte vielleicht schon übermorgen, also Montag, entlassen werden", meint meine Mutter. Gut, der Themenwechsel hat also geklappt und Carolina geht es auch schon viel besser.

„Das ist ja toll! Dann kann ich ja bald mal mit ihr skypen", freue ich mich. Doch statt eines genauso erfreuten Kommentars meiner Mutter höre ich nur ein Gemurmel, das stark nach: „Immer dieser neumodische Kram ..." klang. Da kann man wohl nichts machen.

Plötzlich ertönt lautes Poltern vom Wohnbereich. Oh nein, hoffentlich stritten nicht jetzt schon welche, denn dann würde das mit der Tour noch heiter werden.

„Ich glaube, ich muss Schluss machen. Grüß die andern alle von mir", sage ich daher und hoffe, dass sie keine weiteren Erklärungen will, denn die könnte ich ihr im Moment nämlich nicht geben. Mein Blick wandert unruhig zur Tür.

„Alles klar, mein Schatz. War schön, dass du angerufen hast. Bis bald" Sie legt auf und im selben Moment pfeffere ich das Handy aufs Bett, wo es weiter laden kann und öffne eilig die Tür. Doch auf den Anblick, der sich mir bot, war ich nicht vorbereitet gewesen.

„Kein Kommentar!", zischt sie, dann geht sie in ihr Zimmer. Was ist denn das bitte gewesen?!

Was ist eigentlich schiefgelaufen...?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt