Part 62 - Besuch ²

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Das Konzert lief relativ ruhig. Die meisten Mädchen sind wieder mehr als freizügig gewesen, aber so langsam gewöhnt man sich ja daran. Das einzige, was wirklich komisch ist, ist wenn die Rufe auf Französisch sind, weil das dann so eine Art Singsang ist. Irgendwie widerspricht sich das doch: rufen und singen. Na ja, ich habe nichts gegen Franzosen. Und die sogenannten Fans sind ja sowieso alle fast gleich. Laut und peinlich. Zumindest die, die ich bisher kennengelernt habe.

Mit meinem Kollegen, der mich ja vorher noch so schön ausgelacht hat, habe ich mich kaum noch unterhalten. Das heißt, dass er mich eigentlich schon noch ziemlich zugeschwallt hat, aber ich war in Gedanken noch immer bei Lucy und ihrem verkorksten Cousin, dem ich am liebsten den Hals umdrehen würde, sodass ich nicht wirklich etwas davon mitbekommen habe. Er hat bestimmt nur wieder irgendwelche Sprüche von sich gegeben, die mich eigentlich beleidigen würden, also ist es kein großer Verlust.

Auch in der Nacht konnte ich mich kaum beruhigen. Denn hinzu zu der Aufregung um Logans wie immer egoistische Art kam auch noch die Vorfreude, Flo wiederzusehen. Und jetzt wird es bald soweit sein. Gerade haben wir das vorletzte Frühstück für längere Zeit in einem Hotel hinter uns gebracht und bald müsste sie hier auftauchen.

Eigentlich meinte sie, dass sie mir vorher schreiben wolle, schließlich habe ich so leichte Zweifel, dass man sie hier so einfach reinlassen würde, denn da könnte ja auch jeder Groupie kommen, aber bis jetzt habe ich noch nichts von ihr gehört. Macht nichts, sie wird sich noch melden. Vorausgesetzt, sie überlegt es sich nicht noch anders, aber das glaube ich nicht.

„Kommst du mit zum Frühstücken?“ Lucy hat mal wieder den Kopf in die Tür zu unserem Zimmer gesteckt und sieht mich fragend an. Manchmal frage ich mich ja wirklich, wann dieses Mädchen eigentlich schläft, denn sie ist immer schon lange vor mir wach, so topfit, wie sie mich morgens grüßt und abends gehen wir relativ gleich schlafen.

„Jip“, erwidere ich und springe von meinem Bett auf. Falls sich Flo jetzt melden sollte, müsste sie eben warten, bis ich mit meiner nahrungstechnischen Erstversorgung fertig bin. Nicht, dass ich hier noch vom Fleisch falle. Wahrscheinlich braucht Flo aber noch eine Weile, schließlich ist es erst kurz vor halb elf. Zu dieser Zeit ist sie zwar auch schon längst auf den Beinen, aber sie hat eine lange Anlaufzeit, unter anderem im Badezimmer.

Zusammen mit den anderen machen wir uns auf den Weg in den Frühstücksraum im Erdgeschoss. Auch Miri und die anderen drei Jungs sind dabei. Mr Morrison und Mr Schrank glücklicherweise jedoch nicht. Mr Schrank ist mir immer noch ein wenig suspekt und man weiß überhaupt nicht, wie man ihn einschätzen soll. Warum ich keine Lust auf Mr Morrison habe, versteht sich von selbst.

In einem Frühstücksraum einen Tisch für neun Personen zu finden ist an für sich schon schwer genug. Wenn jetzt aber noch dazu kommt, dass einige Personen unter keinen Umständen nebeneinander sitzen wollen, wird es noch einmal um einiges schwerer. Ich muss nicht erwähnen, dass die anderen Gäste des Hotels teilweise schon sehr genervt geguckt haben. Na und? Wir sind alle noch nicht so alt, wie diese Rentnerschrullen, die sich an jedem noch so kleinen Pieps aufreiben können, weshalb wir es vielleicht auch nicht für nötig halten, unsere Lautstärke herunterzufahren. Mich persönlich stört das nicht, weil ich es außerdem sowieso nicht hätte ändern können, aber wenn sich jemand beschwert, wovon ich momentan ziemlich fest ausgehe, kann ich mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass ich hinterher wieder der Sündenbock sein werde. Zumindest für Mr Morrison. Ich bezweifle stark, dass sich einer meiner Schützlinge auf meine Seite schlagen würde.

Es ist wahrscheinlich so eine Art ungeschriebenes Gesetz, aber verteidigt hat mich bisher noch nie jemand, wenn man mal von meinen Eltern und Jake absieht, aber das zählt nicht, denn das ist Familie und somit quasi dazu gezwungen. Dass sich jemals jemand anderes für mich einsetzen wird, glaube ich kaum. So ist es eben und so bin ich auch auf niemanden angewiesen und werde nicht enttäuscht.

Was ist eigentlich schiefgelaufen...?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt