Part 78 - Ersetzbar

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Mit einem erstickenden Laut hole ich tief Luft. Sauerstoff strömt in meine Lungen und ich komme langsam wieder zu Bewusstsein. Der schwarze Schleier über meinen Augen lichtet sich und ich sehe die weißen Fliesen der Wand gegenüber immer klarer.

Mein Brustkorb schmerzt bei jedem Atemzug, aber ich zwinge mich, noch immer leicht benommen, dazu aufzustehen. Wer weiß, wie lange ich weg war. Lucy könnte jeden Moment reinkommen. Bei diesem Gedanken ist mein Verstand fast augenblicklich wieder komplett klar.

Ich bin müde und ein kurzer Blick in den Spiegel zeigt mir, dass ich genauso miserabel aussehe, wie ich mich fühle. Super, wenn ich jetzt aus dem Bad komme, wird Lucy bestimmt merken, dass etwas passiert ist. Scheiße!

Wieso noch einmal gehöre ich nicht zu den Menschen, die sich regelmäßig eine Tonne Schminke ins Gesicht kleistern, dass man nicht sieht, wie grauenvoll sie eigentlich aussehen? Dieser Job bringt mich tatsächlich noch dazu, Verständnis für solche Leute, wie die Tussi und ihren Fanclub, aufzubringen!

Mit schnellen Handgriffen drehe ich den Wasserhahn auf eiskalt und öffne ihn komplett. Immerhin weiß ich, wie man seinem Gesicht einen gesunden Rotton verpasst. Ich klatsche mir eine Ladung Wasser ins Gesicht und spüre die stechende Kälte auf der Haut.

Jeder weiß, dass ein Temperaturwechsel von sehr warm, wie es hier im Sommer nun einmal ist, zu sehr kalt, wie dieses Wasser, nicht gerade gesund ist, aber das bezieht sich wohl eher auf eine größere Körperfläche.

Nachdem ich das Wasser wieder abgestellt habe, trockne ich mir das Gesicht ab und werfe einen Blick in den Spiegel. Ein gesunder Rotton, genau, wie ich es gesagt habe. Man kann die Leute um einen so leicht blenden.

Die restlichen Tabletten, die noch in ihrer Verpackung auf dem Boden liegen, nehme ich und stecke sie zurück in den Kulturbeutel. Es ist leider nicht möglich, ihn tiefer zu hängen. So ein Mist, wieso muss es nur wahrscheinlich besser aussehen, alle Haken auf eine Höhe zu machen?

Ich atme noch einmal tief ein und wieder aus, dann öffne ich die Tür und gehe, als sei nichts passiert, wieder in Lucy und mein Zimmer. Lucy liegt noch immer auf ihrem Bett, sieht allerdings hoch, als ich eintrete.

„Na, hast du da drinnen ein Ei gelegt, oder warum hast du so lange gebraucht?", grinst sie mich an. Sollte ich mich wundern, woher sie diese dummen Sprüche hat? Wahrscheinlich eher nicht, so wenig wie ich darauf Acht gebe, was ich so von mir gebe. Zumindest wäre es bestimmt genauso schmerzhaft gewesen, ein Eis zu legen, wie das, was ich wirklich gemacht habe.

Meine Augen suchen eine Uhr im Raum du werden glücklicherweise recht schnell fündig. Fünfzehn Minuten. Ich war fünfzehn Minuten im Badezimmer. Das heißt, dass ich nur einige Sekunden weggewesen sein kann.

„Erwischt."

Lucy lacht laut auf und klingt befreit, sodass mir gar nichts anderes übrig bleibt, als ebenfalls zu lächeln. Noch immer müde lasse ich mich auf mein Bett sinken. Das tolle an meinen Tabletten ist, dass sie wirklich sehr schnell wirken. Nur leider helfen sie nicht gegen die Erschöpfung, die ich jedes Mal verspüre, wenn ich einen Anfall hatte. Mein Körper ist einfach immer so ausgelaugt, dass ich zu nicht mehr viel in der Lage bin.

Gut, dass ich heute Abend noch mit vollem Einsatz arbeiten muss!

„Ich hau mich noch mal für eine Stunde aufs Ohr", informiere ich Lucy und bin auch schon so gut wie eingeschlafen, als ich eine gemurmelte Antwort von ihr vernehme.

„Wow, ein Ei zu legen muss schon anstrengend sein." Mit einem Grinsen auf den Lippen schlafe ich schließlich ein.

Ein lautes Poltern und ein dumpfer Schlag, als ob irgendetwas gegen die Wand geworfen wurde, holen mich aus einem bis dahin sehr erholsamen Schlaf. Lautes Stimmengemurmel dringt durch die Wände und andere Geräusche, die ich nicht genau zuordnen kann. Wenn ich nicht schon eine Weile mit den Jungs zusammenwohnen würde, würde ich wohl erst einmal einen Einbruch vermuten, aber so gehe ich einfach mal davon aus, dass eine bestimmte Anzahl von ihnen nur wieder rücksichtslos die Bude auseinandernehmen.

Was ist eigentlich schiefgelaufen...?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt