Part 88 - Vertrauen

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„Okay, auf geht's, Jungs!", kann ich die Stimme von Mr Morrison hören, da er sein Mikrofon nicht ausgemacht hat und wir „Mitarbeiter" mittlerweile alle mit einem Headset miteinander verbunden sind, damit auch niemand etwas Wichtiges verpasst. Schwachsinn, wenn man mich fragt, denn wenn was passiert, wie zum Beispiel dass ein Fan auf die Bühne läuft, ist das wohl kaum zu übersehen und alle anderen Informationen betreffen mich nicht. Bislang zumindest waren es nur Sachen, die für mich absolut uninteressant waren, aber bitte. Offensichtlich haben wir genügend Geld, und wenn es den Chef glücklich macht, bin ich die Letzte, die freiwillig seine schlechte Laune auf sich zieht.

Keine fünf Sekunden später hüpfen die Jungs gut gelaunt auf die Bühne und beginnen mit ihrem ersten Lied. Zeitgleich schwillt der Lautstärkepegel in der Halle auf ein neues Hoch an. Ein Gutes haben die Headsets in diesem Fall, denn sie schirmen die Geräusche ein wenig ab. Natürlich nicht zu sehr, damit wir noch hören können, wenn irgendetwas passiert (sehr witzig, bei der allgemeinen Lautstärke hier), aber es hilft fürs Erste schon ganz gut.

Da wir hier sehr viel Sicherheitspersonal direkt vom Hallenbetreiber gestellt bekommen haben, ist es dieses Mal sehr angenehm. Wir haben alle einen kleinen Sektor zugeteilt bekommen, auf den wir aufpassen sollen, aber als Miri auf der Bühne war, war alles ruhig. Es ist bisher auch noch nicht häufig vorgekommen, dass einige Fans schon bei Miri durchgedreht sind, aber ich vermute, dass das normal ist, schließlich ist sie noch verhältnismäßig unbekannt und der Großteil wird wohl wegen der Jungs da sein.

Da ich mittlerweile auch schon über einen Monat mit auf Tour bin, habe ich mich auch schon an die teils sehr obszönen Plakate gewöhnt. Meine Meinung von den Fans hat sich kein bisschen verbessert über die gesamten Konzerte und ich habe meine Zweifel, dass das noch irgendwann passieren wird.

Lisa und Lucy sind irgendwo in einem abgesicherten Bereich, von dem aus sie das Konzert beobachten können, ohne Gefahr zu laufen, einem verrückten Fan zu begegnen. Wo sich dieser Bereich allerdings befindet, weiß ich nicht. Liegt nicht in meinem Zuständigkeitsbereich und somit habe ich auch keine Informationen bekommen. Das Informationsmanagement hier lässt schon sehr zu wünschen übrig. Langweilige Informationen bekomme ich ja schließlich auch. Aber vielleicht ist es so sogar besser, sonst muss ich nachher noch Babysitter spielen und die beiden durch Fanmengen eskortieren.

Immer mal wieder werfe ich während des Konzertes einen Blick hinter mich zur Bühne, aber wirklich interessant ist es nicht. Sie hampeln ein bisschen rum und tun etwas, das sie als Singen bezeichnen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass sie das Grinsen in ihre Gesichter einbetoniert haben. Wenn ich sie dabei dann beobachte, drehe ich mich meistens ganz schnell wieder weg. Es ist ein ganz diffuses Gefühl, das mich dazu bringt, mir zu wünschen, dass sie damit aufhören und irgendwie auch nicht.

Das Konzert zieht sich wie Kaugummi und es passiert wirklich nichts Spannendes. Kein einziger Fan ist durchgedreht und hat versucht, auf die Bühne zu klettern. Es gab auch keinen einzigen Nervenzusammenbruch. Die Massen haben sich so gut verhalten, dass es so langweilig war, dass ich zwischenzeitlich aufpassen muss, nicht einzuschlafen.

Ich habe schon fast nicht mehr damit gerechnet, aber nach unerträglich langen Stunden, ist das Konzert dann doch tatsächlich vorbei und über Funk bekomme ich die Aufgabe, Lisa und Lucy abzuholen und in den Backstagebereich zu führen, damit wir dann alle zusammen verschwinden können. Warum ausgerechnet ich dann die Mädchen holen soll, ist mir unklar. Ist noch niemandem aufgefallen, dass ich nicht unbedingt mit dem besten Orientierungssinn ausgestattet bin? Mal davon abgesehen, dass sich in diesen grauen Gängen auch Leute verlaufen, die sich anhand von Efeu durch einen Dschungel schlagen können, indem dieses Gewächs eigentlich gar nicht existiert. Von einer ordentlichen Ausschilderung halten sie nämlich nichts. Ich vermute ja, dass sie sich das von den Pyramidenbauern des Alten Ägyptens abgeguckt haben, damit sich hier auch keiner zu den wichtigen Menschen und Wertgegenständen verläuft. Wobei wir bei „wirklich wichtigen Menschen" vielleicht noch einmal diskutieren sollten.

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