Part 21 - Der Berg an Gepäck

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Asthons Sicht


Es ist schon sehr lustig, wenn man den Argumentationen von Josy zuhört. Vor allem, weil man manchmal wirklich denken kann, dass vorher niemand über die Dinge nachgedacht hat, über die sie sich beschwert. Und zum Beispiel das mit der Mittagspause kann zumindest ich gut nachvollziehen. Aber am Witzigsten finde ich ihren Kommentar, als sich Mike ihr vorgestellt hat. Ja, sowohl Mike, als auch Josy, sind sich in dieser Hinsicht schon etwas ähnlich. Sie haben es anscheinend beide nicht so mit fremden Menschen. Aber zumindest bei Mike kann ich definitiv sagen, dass er, wenn man ihn besser kennt, ein prima Freund ist. Bei Josy kann ich das jetzt noch nicht so genau sagen, so lange kenne ich sie ja noch nicht.

Allerdings kann ich mir wirklich gut vorstellen, dass man mit ihr richtig viel Spaß haben kann. Wenn sie nicht gerade wieder so schlecht drauf ist. Wobei ich sie auch verstehen kann. Denn, soweit ich mich erinnern kann, hatte William ihr wirklich gesagt, dass sie der Stewardess ihr Zeug geben soll. Ja, manchmal ist eben auch unser lieber Manager etwas verpeilt. Aber ich würde jetzt echt mal gerne wissen, was sie denn in ihrem Rucksack drinnen hat, denn ihr Leben fand ich nun doch ... sagen wir mal ... etwas drastisch ausgedrückt!

Na ja, anscheinend habe ich da wohl ziemlich lange drüber gegrübelt, denn dass ich immer noch neben ihr herlaufe, besser gesagt gelaufen bin, bemerke ich daran, dass sie mir auf einmal die Tür zu einem der Zimmer in der Suite vor der Nase zuknallt. Denn dann schrecke ich endlich aus meinen eigenen Gedanken hoch und gehe nun selbst in mein Zimmer, welches ich mir mit Mason teile. Die Suite hat nämlich genau drei Zimmer und Logan und Lucy sollen sich als Cousin und Cousine ein Zimmer teilen, wobei ich mir nicht sicher bin, ob das die richtige Entscheidung von William ist, so wie sie sich vorhin aus dem Weg gegangen sind ... und dann hat Josy ihr eigenes Zimmer und Mason und ich eins gemeinsam. William würde ein eigenes Hotelzimmer haben, ebenso Mike. Warum sie Josy also bei uns einquartiert haben, ist mir nicht sonderlich klar. Vielleicht, weil sie so alt ist wie wir. Keine Ahnung.

Nachdem William uns die Zimmereinteilung mitgeteilt hat, sind er und Mike wieder gegangen, sodass ich jetzt alleine in dem Wohnzimmer, welches die einzelnen Zimmer der Suite miteinander verbindet, stehe. Obwohl, ganz alleine nicht, denn auf einmal entdecke ich Lucy, die etwas verloren neben dem ihr zugeteilten Zimmer steht. Logan ist wohl schon drinnen, die Tür ist geschlossen. Oje, das riecht nach dicker Luft zwischen den beiden. Na, das fängt ja gut an.

„Hey, Lucy, warum gehst du denn nicht in euer Zimmer?", frage ich sie deshalb. Einen kleinen Funken Hoffnung habe ich noch, dass es vielleicht einen anderen Grund haben könnte. Sie sieht mich schüchtern an. Hm, ich hatte ja die ganze Zeit so das Gefühl, dass sie etwas zurückhaltender ist, aber irgendwie bin ich die ganze Zeit über anderweitig beschäftigt gewesen ... klar, Logan hat uns sowohl von Lucy, als auch von Josy ein wenig versucht fernzuhalten. Ach, bei dem weiß man nie so genau, vielleicht werde ich ihn nachher mal fragen ...

Lucy zuckt zögerlich mit den Schultern. Ich seufze und gehe auf sie zu. Dann nicke ich ihr aufmunternd zu und schiebe sie vorsichtig, mit einer Hand auf ihrem Rücken, zu ihrem und Logans Zimmer hin und öffne die Tür. Logan liegt auf dem Bett (so mitgenommen, wie das schon aussieht, würde ich eher darauf tippen, dass er sich drauf geworfen hat) und starrt an die Decke. Er reagiert gar nicht, als ich die Tür öffne.

„Mensch, Logan! Vielleicht solltest du dich mal ein bisschen um deine Cousine kümmern. Sie kennt uns doch gar nicht!", meine ich. Es sollte witzig klingen und kein krasser Vorwurf sein, aber er starrt mich daraufhin nur böse an. Okay ...? Muss ich jetzt nicht verstehen, oder?

„Sie ist doch alt genug, sich um sich selbst zu kümmern, oder?", gibt er pampig zurück. Ich sehe zu Lucy und zucke entschuldigend mit den Schultern. Er ist heute vielleicht schlecht drauf. Aber das legt sich mit der Zeit bestimmt wieder. Dann schiebe ich sie noch ein Stückchen weiter ins Zimmer und schließe die Tür hinter ihr. Vielleicht brauchen die beiden einfach ein wenig Zeit zu zweit, damit sie sich wieder vertragen können. Kurz lausche ich noch an der Tür, falls ich noch einmal eingreifen muss, aber es ist beängstigend still da drin.

In diesem Augenblick klopft es an der Tür. Ich drehe mich um und will hingehen. Bei dieser Gelegenheit komme ich an Josys Zimmer vorbei. Sie lacht. Ich passiere die Tür und stoppe plötzlich wieder. Moment, habe ich das gerade richtig mitbekommen?! Sie lacht?! Alleine auf ihrem Zimmer?! Das erneute Klopfen an der Tür ignorierend, laufe ich den kurzen Weg zurück und lausche dieses Mal mit meiner vollen Aufmerksamkeit an ihrer Tür (ja, ich weiß, dass man das nicht machen soll, aber ich halte generell nichts von so unwichtigen Regeln).

„... genau! Haha! Das hätte ich ja gerne gesehen!", meint sie gerade und dann spricht eine andere Stimme, die aber so leise ist, dass man nichts verstehen kann. Wahrscheinlich telefoniert sie. Hätte man sich ja auch eigentlich denken können, oder?

Das erneute Klopfen an der Tür ist nun viel energischer. Upps, das habe ich irgendwie total vergessen ... tja, manchmal muss man eben Prioritäten setzen. Bei dem Gedanken muss ich grinsen. Prioritäten, wie sich das in diesem Fall anhört! Ach so, ja, das Klopfen! Fast hätte ich mir vor lauter Schusseligkeit vor die Stirn gehauen. Mit schnellen Schritten gehe ich dieses Mal zur Tür und öffne sie rasch. Vor mir steht nun ein genervtes Mädchen, vielleicht zwei oder drei Jahre älter, als ich, das die Dienstbekleidung des Hauses trägt. Sobald sie merkt, dass ihr die Tür doch noch geöffnet wurde, setzt sie das bisher beste Fake-Lächeln, das ich von Hausangestellten gesehen habe, auf und sieht mich von unten her (sie ist ein ganzes Stückchen kleiner, als ich) an. Aber nicht grimmig zu gucken, muss eigentlich ziemlich anstrengend sein, nachdem ich sie so lange habe warten lassen. Na ja, wer weiß, was hier sonst so üblich ist ...

„Guten Tag", meint sie und lächelt weiterhin. „Ihr Gepäck ist da, mein Kollege wird es Ihnen auf das Zimmer bringen."

Hinter der Angestellten taucht ein Mann auf, den ich auf Mitte dreißig schätze. Er trägt eine Pagenuniform, wie man sie aus Abenteuergeschichten für Grundschüler kennt. Bei diesem Gedanken muss ich mir ein lautes Auflachen verkneifen. Grinsend mache ich in der Tür Platz, sodass der Mann die Koffer reintragen kann. Er nickt mir einmal kurz zum Gruß zu und ich nicke ebenfalls. Das sieht wahrscheinlich ziemlich seltsam aus, diese förmliche Kleidung und das streng blickende Mädchen in Dienstkleidung an der Tür (ich gehe jetzt mal stark davon aus, dass diese Grimasse dem anderen Hausangestellten galt und nicht mir, denn kurz darauf lächelt sie mich wieder künstlich an), welches wirkt, als hätte es einen Stock verschluckt und diese geradezu entspannte Begrüßung. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das anders vorgeschrieben ist, aber um ehrlich zu sein, ist mir das eigentlich total schnuppe.

Kurze Zeit später steht ein ganzer Berg an Koffern und auch diversen Taschen inmitten des Wohnraumes der Suite. Der Page und das Zimmermädchen verabschieden sich höflich (dieses Mal beide) und verlassen das Zimmer. Hinter den beiden schließe ich die Tür, gucke kurz grinsend die Tür an, dann drehe ich mich um und reiße alle umliegenden Zimmertüren auf.

„Gepäck ist da!", rufe ich dabei und grinse schelmisch vor mich hin. Fast augenblicklich steht Mason neben mir und guckt mich vorwurfsvoll an.

„Schon mal was von anklopfen gehört?", fragt er, erwarte aber offensichtlich keine Antwort. Dafür kennt er mich wahrscheinlich schon zu gut. Tja, solche Unhöflichkeiten mache ich häufiger, also sind es eigentlich alle gewöhnt. Na ja, fast alle ...

Josy kommt aus ihrem Zimmer gestürmt und sieht alles andere, als begeistert aus. Upps ...

„Sag mal hast du auch eine Idee von Privatsphäre?!", blafft sie mich an. Okay, ich habe etwas Schlimmeres erwartet, vielleicht sollte ich demjenigen dankbar sein, mit dem sie gerade telefoniert hat. Wer weiß, wie sie reagiert hätte, wenn sie nicht so gut drauf wäre? Ich grinse sie entschuldigend an. Daraufhin schnaubt sie nur und wendet sich um, den Blick auf den Berg an Taschen und Koffern gerichtet. In dem Moment bequemt sich auch Logan mal aus der Tür zu seinem und Lucys Zimmer. Aber geschickterweise bleibt er so im Rahmen stehen, dass Lucy nicht hindurch kann und von dort etwas unbeholfen zu uns sieht. Nun sehen mich alle auffordernd an. Habe ich mich vorhin irgendwie nicht klar ausgedrückt?!

„Gepäck?!", meine ich deshalb und deute auf den nicht unbedeutend großen Berg, der sich zwischen uns türmt. Logan stößt sich vom Türrahmen ab, wobei er Lucy ein Stückchen beiseite schubst, und geht in die Mitte, um sich seine Taschen zu greifen. Lucy nutzt die Gelegenheit, aus der Tür zu kommen und steht unentschlossen daneben. Es ist eindeutig zu sehen, dass sie sich unwohl fühlt und auch ein wenig Angst vor Logan hat.

„Wenn du willst, kannst du auch bei mir im Zimmer wohnen", biete Josy Lucy auf einmal an. Alle sehen wir sie überrascht an. Bis auf Logan. Er dreht sich langsam um und funkelt sie wütend an. Oh nein, was wird das denn jetzt?


Was ist eigentlich schiefgelaufen...?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt