Was ist eigentlich schiefgelaufen...?

Part 22 - ein leicht überspannter Geduldsfaden

„Lucy wird garantiert nicht mit Angestellten im Zimmer wohnen!", fährt er mich an. Holla, da hat aber jemand Komplexe! Ashton, der immer noch neben mir steht, legt mir die Hand auf die Schulter. Ich vermute, es soll aufmunternd wirken. Doch Logan ist anscheinend noch lange nicht fertig.

„Wir kennen dich doch gar nicht! Alles, was wir wissen ist, dass du supergut in der Schule bist, es aber trotzdem geschafft hast, von der Schule zu fliegen. Du hast niemandem gegenüber Respekt. Und du bist extrem aggressiv!"

Ashton nimmt seine Hand wieder von meiner Schulter, bedenkt mich dabei kurz mit einem entschuldigenden Blick, und geht dann einen Schritt von mir weg und auf die anderen zu.

Ungläubig schüttele ich den Kopf. Hören sie sich eigentlich zu?! Mag ja vielleicht sein, nein, ziemlich sicher sogar, dass ich bei Dingen, die mich stören oder die ich ungerecht finde, sagen wir mal stark überreagiere. Da sag ich ja wirklich nichts dagegen. Aber die stellen mich ja dar, als ob ich eine gemeingefährliche Massenmörderin sei!

„Stimmt. Aber vielleicht solltest du mal bedenken, oder vielmehr ihr, dass ich noch viel weniger über euch weiß. Nur, weil ihr Dinge über mich glaubt zu wissen, solltet ihr nicht denken, dass ihr besser seid, als ich." Ich stoppe, nicht dass ich jetzt anfange zu viel zu reden. Denn, wenn ich ehrlich bin, passiert mir das immer ziemlich schnell. Also atme ich noch einmal tief ein und wende mich ausschließlich Lucy zu. Die kann ja schließlich nichts für so eine verkorkste Familie und deren, anscheinend nicht minder beeinflussbaren, Freunde.

„Mein Angebot steht trotzdem noch." Dann nehme ich mir meine beiden Koffer, drehe mich um und verschwinde in Richtung meines Zimmers. Die haben ja wohl alle einen an der Klatsche! Nur weil mich viele nicht leiden können! Und wieso ist das so? Weil die Leute nicht damit klarkommen, dass ich offen meine Meinung sage.

In meinem Zimmer angekommen werfe ich die Koffer in eine Ecke und lasse mich auf das Bett fallen.

„Na, was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen?", fragt da auf einmal eine sichtlich amüsierte Stimme neben ihr. Der Laptop! Den hatte ich ja total vergessen! Genervt drehe ich mich in Richtung des geöffneten Skype-Programms und verdrehe, zum was-weiß-ich wievielten Mal an diesem Tag, die Augen. Ist das eigentlich ungesund auf Dauer? Ich meine, früher hieß es ja mal, dass dann die Augen hinten hängen bleiben könnten, aber diesen Humbug glaubt doch kein Mensch. Nein, aber kann man sich eigentlich auch die Sehen um die Augen zerren, oder einen Muskelfaserriss am Auge bekommen? Oder Muskelkater vom Augenverdrehen? Wenn ich mir vorstelle, wenn mir mein Arzt sagen würde: „Ja, Miss Lewis, ich muss Ihnen eine Schiene ums Auge legen, nichts Schlimmes, aber Sie haben sich ein paar Sehnen um Ihr Auge herum angerissen, deshalb müssen Sie sich schonen." Ich glaube, dass das schon ein wenig komisch kommen würde. Mal davon abgesehen, dass ich wahrscheinlich einen ziemlichen Lachanfall bekommen würde ...

„Ach, halt die Klappe, Jake!", murmele ich und schließe einfach den Laptop. Tja, Pech gehabt, würde ich da mal sagen, Jake. Manchmal schafft er mich einfach. Obwohl ich ihn um nichts in der Welt hergeben würde. Vielleicht würde ich mich nachher bei ihm entschuldigen, aber im Moment kann ich ihn einfach nicht gebrauchen. Oder besser gesagt seine dummen Sprüche. Brüder halt. Null Taktgefühl ...

Stöhnend erhebe ich mich wieder vom Bett und gehe zu meinem Koffer mit den Trainingssachen. Heraus nehme ich mir meine Laufschuhe und –Klamotten und ziehe mich um. Nachdem ich aus meinem Rucksack auch noch den mp3-Spieler heraus, dessen Hörer ich mir noch im Zimmer in die Ohren stöpsel. Dann verlasse ich mein Zimmer und gehe auch aus der Suite, ohne auch nur einen Blick an meine Umgebung zu verschwenden. Auf noch so eine Diskussion habe ich jetzt einfach keine Lust. Na ja, keine Lust und auch keine Nerven. Sonst werde ich vielleicht wirklich noch richtig aggressiv ihnen gegenüber.