Part 69 - Springbrunnen-Prioritäten

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Wir sind tatsächlich ein pinkelndes Kind „besuchen“ gegangen, allerdings anders, als sich die anderen das vorgestellt haben. Das kommt davon, wenn man sich nicht darauf vorbereitet, was man alles in einer Stadt besichtigen kann. Gut, ich weiß das auch nur aus dem Unterricht, aber trotzdem.

Manneken Pis heißt das kleine Kerlchen und ist ein Springbrunnen in der Innenstadt von Brüssel. Ich muss schon sagen, dass die Brüssler, was das angeht, einen eigenartigen Geschmack haben, aber irgendwie ist es auch lustig. Endlich mal etwas anderes. Beruhigend zu wissen, dass das kein Völkchen bierernster Leute ist, denn die hätten nie zugelassen, dass man öffentlich ein nacktes Kind bestaunen darf.

Die Reaktion der Jungs fiel eher unterschiedlich aus. Ashton hat einen heftigen Lachanfall bekommen, als er gesehen hat, wo ich sie hingeführt habe. Wir hatten wirklich Glück, dass wir so früh hergekommen sind, denn sonst wäre bei seiner auffällig lauten Lache bestimmt ein verrücktes Fangirl auf uns aufmerksam geworden.

Matt hat irgendwelche anzüglichen Sprüche von sich gegeben, die bei Ashton gleich noch mal ein paar Lacher hervorgerufen haben, Mason musste nur schmunzeln, was aber auch schon ein kleiner Erfolg für mich ist, wenn man bedenkt, dass er doch sehr vernünftig ist, und das bestimmt nicht das ist, was er unter einer Stadtführung verstanden hätte. Aber das ist tatsächlich eine Sehenswürdigkeit in Brüssel, also habe ich das nicht gemacht, weil ich das witzig finde. Gut, ich finde es auch witzig, aber das war wirklich nicht der Hauptgrund.

Lucy stand etwas unsicher neben mir, weil sie wohl nicht wusste, was eine angemessene Reaktion gewesen wäre, aber hey, das ist ein Springbrunnen, kein öffentliche Darstellung irgendwelcher anstößigen Meinungen! Miri hat hat sich mit dem Pumuckel unterhalten und schien dabei auch nicht irgendwie so, als fühle sie sich nicht wohl.

Lediglich Logan hat seinem miserablen Ruf mal wieder alle Ehre gemacht und ständig schlechte Laune verbreitet. Wie jemand die ganze Zeit mit so einem Gesicht rumlaufen kann, bei dem man Angst haben muss, dass die Mundwinkel gleich auf den Boden schleifen, ist mir auch ein Rätsel. Er hat ja geradezu so getan, als hätte ich einen seiner Freunde umgebracht, indem ich sie zum Brunnen geführt habe.

Das ist alleine schon deshalb nicht möglich, weil dieser Windelpupser unter keinen Umständen richtige Freunde haben kann. Wer will denn schon mit ihm befreundet sein. Jetzt mal abgesehen von den völlig ahnungslosen Fans, wobei bei denen ja wohl auch schon Hopfen und Malz verloren ist. So jemand wird sich in meinen Augen nie rehabilitieren können. Absolut unmöglich.

Na ja, jedenfalls sind wir aus eben diesem Grund nicht sehr lange bei dem kleinen Mann geblieben, sondern weiter durch die Straßen geschlendert, bis wir bei einem Laden mit Pralinen gestoppt haben. Und hier befinden wir uns auch immer noch.

Natürlich wird sich jeder fragen, wieso wir in einem Laden mit Pralinen so lange bleiben, da es in Brüssel quasi nur Läden gibt, die Pralinen zu Preisen verkaufen, für die man sich anderenorts ein kleines Haus leisten könnte, aber das hat sogar einen Grund. Einen Grund, der auch für mich nachvollziehbar ist, denn dieser Laden hat einen großen Schokoladenbrunnen!

Es ist wahrscheinlich unnötig zu erwähnen, dass sich alle auf den Brunnen gestürzt haben. Ja, so ist das mit der Jugend von heute: Ein kulturell hochwertiger Brunnen in Stadt ist im Vergleich zu einem Fließbandprodukt, gefüllt mit Schokolade, einfach nichts mehr wert. Das wurde aber auch mal Zeit, dass die Leute lernen, was wirklich gut ist. Auch wenn ich meine, dass es durchaus langweiligere Brunnen, als den Manneken Pis, gibt, über Schokolade geht nichts.

Obwohl es mich reizt, auch mal meine Finger in den Brunnen zu halten, stehe ich etwas abseits und beobachte die anderen. Es ist mir durchaus bewusst, dass ich hier einen Job zu erledigen habe und nicht einfach nur eine Stadtführung leiten soll. Mein Beobachterposten befindet sich an der Eingangstür des Ladens, um eventuelle Fans schon frühzeitig erkennen zu können, und Schutzmaßnahmen ergreifen zu können. Wow, wenn ich das so erzähle, klingt das, als ob ich den amerikanischen Präsidenten vor einem Terroranschlag schützen müsse. Stattdessen ist es nur ein Haufen Teenager, die sich vor hormongesteuerten Mädchen in Acht nehmen müssen. Das kann man ja niemandem erzählen, ohne ausgelacht zu werden.

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