Was ist eigentlich schiefgelaufen...?

Part 15 - Das Zeugnis

Masons Sicht

Innerhalb der Zeit, in der ich Josy jetzt kennengelernt habe, frage ich mich, was Logans Problem ist. Das Mädchen scheint doch eigentlich total lustig und unkompliziert zu sein. Sogar als William sie als abschreckend bezeichnet hat, hat sie nur gegrinst. Sie hat Tischmanieren und wirkt nicht wirklich wie eine typische Schulabbrecherin. Was Logan da wieder mal für einen Schwachsinn verzapft hat.

Wobei ich schon zugeben muss, als ich Josy die Treppe habe runterfallen sehen und danach ihren Ausraster oben und das Klirren gehört habe, hatte ich doch erst etwas Angst, dass wir uns einem waschechten Psychopathen gegenübersehen. Aber so einträchtig, wie die beiden dann nebeneinander herunter gekommen sind ... Respekt!

Aber auch überhaupt. Diese Dialoge der drei zu verfolgen ist einfach nur unterhaltsam, egal ob jetzt geredet wird oder Blicke und Gesten eindeutig zeigen, was der eine meint, es ist einfach der Hammer! Und wie dreist Josy dann von Jake verlangt hat, er soll den Tisch abdecken ... ich weiß nicht, ob ich das so auf mir hätte sitzen lassen ... aber wer weiß, was hier nachher wieder los ist, wenn wir weg sind. Ich denke, mit Josy als Bodyguard, sollte es auf Tour auf jeden Fall nie langweilig werden. Wobei man dazu sagen muss, wir kennen sie nicht. Wir haben sie lediglich diesen kurzen Besuch bisher erlebt. Vielleicht ist sie dann ganz anders. Schließlich muss sie ja auch ziemlich viel angestellt haben, um von der Schule zu fliegen ... aber sie hat wohl auch Logans Cousine beschützt. Und das finde ich echt couragiert, weil wohl niemand sonst eingeschritten ist.

Murrend steht Jake auf und räumt tatsächlich den Tisch ab. Ich werfe ihm einen erstaunten Blick zu, doch dann sehe ich das Funkeln in seinen Augen. Und jetzt bin ich mir ziemlich sicher, dass da noch was folgen wird.

Der Tisch ist schon eine ganze Weile abgedeckt, als sich Josy mit einem Blatt in der Hand wieder blicken lässt. Sie hat sich ganz schön Zeit gelassen, und als sie den abgeräumten Tisch sieht, grinst sie schelmisch und sieht zu Jake, der ebenfalls grinst ... okay, das macht mir leicht Angst.

Ruhig geht sie auf uns zu und legt das Blatt vor uns auf den Tisch. Sofort beugen wir uns alle darüber. Und ich glaube, dass mit diesem Zeugnis wirklich niemand gerechnet hat.

Ihre Noten sind in so gut wie allen Fächern am oberen Limit. Sie hat schon sehr viele Fächer absolviert, obwohl ihr noch anderthalb Schuljahre fehlen. Eigentlich ja nur noch eins, aber da sie ja jetzt erst der Schule verwiesen worden ist, hat sie vom letzten Halbjahr noch kein Zeugnis.

Dieses Mädchen ist das absolute Genie! Sie kann fünf Fremdsprachen, was an für sich schon eine enorme Leistung ist, doch sie ist auch in den naturwissenschaftlichen Fächern im guten bis sehr guten Bereich. Zudem hat sie auch noch viele Arbeitsgemeinschaften freiwillige Fächer belegt. Wie hat sie das nur mit dem Lernen geschafft?

Das Einzige, das wirklich heraussticht, ist Musik. Ausgerechnet! Das ist doch das einzige Fach, für das man eigentlich nicht wirklich etwas tun muss, um gut darin zu sein. Und in Biologie hat sie auch nur im mittleren Leistungsspektrum! Das ist ja nicht gerade gut. Also, wenn man das im Vergleich zu den anderen Fächern sieht.

An den Gesichtern der anderen sehe ich, dass sie ebenfalls so erstaunt über die guten Noten sind, wie ich. Auch wenn sich das fies anhört, aber sie ist meiner Meinung nach nicht wirklich der Typ, der lauter Einsen mit nach Hause bringt. Aber daran sieht man mal wieder, wie man sich in einem Menschen täuschen kann.

„Wow", meint William anerkennend.

„Was hast du denn in Musik verbrochen?", fragt Ashton.

„Ach, diese komische Lehrerin konnte mich nicht leiden ...", meint sie und zuckte mit den Schultern.

„Als ob dich auch nur irgendeiner deiner Lehrer ausstehen konnte", ergänzt Jake. Sie verschränkt die Arme vor der Brust. „Meine Sportlehrerin mochte mich." Ihr Bruder schnaubt. „Leb' du nur weiter in deiner Traumwelt!" Er schüttelt den Kopf und wendet sich wieder ab.

„Also, ich denke, dass das mit dem Privatunterricht gemeinsam mit den Jungs kein Problem sein sollte. Was die Schule angeht, scheinst du ja keine Probleme zu haben", meint William zu Josy, die nur gelangweilt mit den Schultern zuckt. Okay, das kommt jetzt ein bisschen nervig rüber, dieses andauernde Zucken mit den Schultern.

„Übermorgen geht es mit dem Flieger nach England. Wir holen dich dann um halb sechs am Morgen ab", beschließt William und erhebt sich. „Ich bringe dann die Einverständniserklärung mit, die Sie dann noch unterschreiben müssen." Er wendet sich der Mutter zu. Diese nickt nur. Nacheinander geben wir zum Abschied die Hand und verschwinden wieder. Der Besuch war mehr als nur merkwürdig. Aber auch unterhaltsam. Ich bin echt mal gespannt, was auf uns zukommen wird.